Kapitel 9

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Mein Herz raste und ich fühlte mich schlecht. So schlecht, wie ich mich das letzte Mal gefühlt habe als ich das vergammelte Essen gefunden habe. Seitdem waren schon Jahre vergangen. Doch es war das erste Mal, dass ich mich wieder so fühlte wie damals.

 Ich konnte einfach nicht verstehen wie jemand, der mich nicht einmal kannte, mich mit so einer Abscheu behandeln konnte. Ich wollte ihn anbrüllen, ihn fragen was sein Problem ist. Aber ich saß nur dort und bohrte meine Finger in den Boden und presste mich so stark gegen das Bett sodass mich der wahre Schmerz überkam. Ich wollte unbedingt fühlen, dass er größer ist als der Schmerz den er mir zufügte.Denn wenn ich wirklich den Rest meines Lebens mit ihm hier unten verbringen würde bräuchte ich einen Rettungsring, der mir hilft, nicht im eisigen Meer zu versinken wenn der Fremde wieder seine Ausraster bekäme. Der Fremde. Noch nicht einmal seinen Namen hatte er mir genannt. 

Wütend biss ich mir auf dieLippe. Meine Hände zitterten, doch ich wollte meinen Kopf nicht bewegen, ihn nicht angucken. Mein Hals kratzte und im meinen Mund sammelten sich tausende von Worten, die ich nicht sagen konnte. Ich konnte ihn einfach nicht angucken und schon gar nicht erst mit ihm sprechen. Die unausgesprochenen Worte stauten sich wie unzählige Staubkörnchen und sie waren mindestens genauso dreckig. Ich konnte ihn nicht angucken aber auch nicht darauf warten, dass meine innere Uhrplötzlich den falschen Tick bekommt und sich der Stau an Worten auflöste und über meine Zunge Wörter fließen würden, die der Namenslose nur erwarten würde. Denn dann hätte er einen Grund mich zu hassen und ich könnte ihm nur noch Recht geben. 

Ich neigte meinen Kopf zur Tür und sah die Jahre voller Verzweiflung die ich hier drinnen verbracht hatte. Doch ich sah auch ihn, wie er gegen die Tür schlug und die Stimmen um Hilfe bat. Wie er verzweifelte und dennoch nicht aufgab. Ich spreizte meine Finger und drückte meine Daumen fest an den Boden. Ich fing an langsame Kreisbewegungen zu machen und meine Finger knacksten. Mein Blick richtete sich auf seinen Arm, der nur einige Zentimeter von mir entfernt war. Auf seinem Arm waren Bilder gemalt mit einer dunklen, schwarzen Farbe. Sie sahen aus wie eine Geschichte. Jedes einzelne Bild war mit den Anderen durch sorgfältige,detailreiche Linien verbunden. Meine Augen verschlagen die Muster die er an sich trug, denn sowas hatte ich noch nie gesehen. Was war er bloß?

Die Linien leiteten mich immer weiter. Überall hatte er diese Bilder. Diese schwarzen, kunstvollen Linien. Ich bemerkte nicht wie sehr ich ihn angestarrt haben musste, bis ich geradewegs in seine Augen blickte. Ein simpler,kleiner,schwarzer Strich drehte sich kurz vor seinem Rechten Auge zu einer Spindel auf. Seine Augen glänzten matt als er bemerkte, dass ich versuchte, mein Interesse für seine Verzierungen zu verbergen. Doch je länger ich ihn ansah, desto finsterer wurde sein Ausdruck. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem finsteren Grinsen und seine Augen verfinsterten sich. 

Ich wollte meinen Blick schon wieder abwenden, als er ruppig mit seiner Hand gegen meine Wange schlug. Ich keuchte auf und der Sekundenschmerz verzog sich zu einem höllischem Juckreiz. Ich biss mir auf die Zähne und bewegte meine Lippen langsam hin und her um mir nicht an die Wange zu packen. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass sich seine Hand wieder meiner Wange näherte. Doch diesmal berührten mich nur seine Fingerspitzen. Seine langen Fingernägel bohrten sich in meine Wange und mit dem Daumen drückte er auf meine Schläfe, sodass ich erneut aufkeuchen musste. Langsam strich er einige Male mit dem Daumen über meine Schläfe bis zum Ohr. Seine Finger waren hart und groß und kalt. So kalt und hart, dass mir ein Schauer über den Rücken lief und ich Gänsehaut bekam. Dann nahm er mein Gesicht in die Hand und zwang mich erneut dazu ihn für einen kurzen Moment anzusehen. 

Sein Blick war finster und vergeltend. Langsam nahm er nun mein Gesicht in die andere Hand und zwang mich dazu ihn anzusehen. Dann schloss er seine Augen. Seine Fingerspitzen bohrten sich noch tiefer in mein Fleisch, wenn er mich nicht anstarrte. Er drehte seinen Daumen auf meiner Schläfe hin und her und drückte einige Male sachte zu. Dann sah er auf und lachte. Ergriffen lenkte er mein Gesicht zur Seite und schlug mich ein weiters Mal. Der Kältesturm, der von ihm ausging,quälte mich. Es war, als wenn meine Haut ein zerbrochener Teller  wäre, dessen Splitter in die Wunde sinken. Ich wollte schreien, doch ich brachte keinen Laut heraus.

,,Ich will dich nicht töten, Kleine.'' sagte er kaltherzig. ,,Noch nicht'' fügte er mit einen abwertenden Zwinkern hinzu und lachte. Als er sah wie erstarrt ich war verzog sich sein Gesicht und seine Mimik wirkte fürsorglich. Doch der Schein trügte. ,,Ach komm schon. Lass mich doch ein bisschen spaßen.'' bemerkte er rücksichtslos. ,,Wa..Warum?'' fragte ich, mich sammelnd. ,,Du hast es dir verdient. Tu nicht so, als wüsstest du nicht was und wer du bist. Du kannst es nicht leugnen und du weißt mehr als jeder andere um was es geht.'' antwortete er harsch. ,,Was?Aber..'' versuchte ich einzuwenden. Wovon sprach er bloß? ,,Was?'' lachte er höhnisch. ,,Was? Was du getan hast? Erzähl es mir doch selbst.''. Ungläubig sah ich ihn an und versuchte seinen Ärger zu verstehen. ,,Meine Familie'' stammelte ich und suchte nach den passenden Worten  ,,wer bin ich?'' 


The CageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt