The Cage

Kapitel 2

Hallo?''. Die Stimme hinter der großen eisernen Tür ist rau.

,,Hallo?''. Diesmal etwas lauter und entschlossener.

,,Sie werden nicht mehr alleine sein, ja?''

,,Haben sie mich verstanden?''.

Völlig überrumpelt und erstaunt, dass eine der Stimmen gerade zum ersten Mal mit mir gesprochen hat, wird die Tür zu meinem Käfig bereits aufgeschoben. Zum ersten Mal haben sie es in Betracht gezogen, mit mir zu reden, mir auf einen anderen Weg zu erscheinen. Ich brauche erst einmal einen Moment, um zu realisieren was hier vor sich geht. Für mich kommt das alles zu schnell.

,,Warte!" rufe ich. ,,Bitte, wartet!"

 Wie können sie denn bloß hineinkommen, ohne eine Antwort abzuwarten?

,,Rein da!'' schreit die Stimme, die nun noch rauer zu sein scheint.

Verzweifelt, und weil die Stimme mich nach all den Jahren immer noch ignoriert, blicke ich genauer richtig Tür.  Ich weiß nicht ob es an mir liegt, oder ob es nur so aussieht, aber Derjenige der mir von nun an Gesellschaft leisten sollte, scheint sich offenbar mit Händen und Füßen dagegen zu wehren. Die Stimme scheint sehr damit beschäftigt zu sein meinen zukünftigen Zimmergenossen zu mir in den Raum zu kriegen, was sich ausschließlich durch das Poltern bemerkbar macht,denn mehr als Umrisse kann ich nicht erkennen. Dazu sind hier die Lichtverhältnisse zu schlecht, entweder ist es zu hell oder zu dunkel. Im Moment ist es fast so hell, dass ich nichts mehr sehen kann. 

,,Nein, das können sie nicht machen! Nicht mit ihr! Ich bin kein Verbrecher! Sehen sie mich doch an!'' laut schallt die Stimme von den Wänden wider. Es ist ein Mann, nicht viel älter als ich, der mit zusammengebissenen Zähnen auf mich zeigt. ,,Tun sie das nicht!'' schreit er erneut. Seine Worte scheinen aber niemanden zu beeindrucken. Denn trotz seiner Versuche sich zu wehren, zeigt sich die Stimme bewusst. Sie weiß was sie will und das wird auch mir immer mehr bewusst. Sie lässt dem Mann keine Möglichkeit zu fliehen. 

Der Gedanke daran lässt mich erschaudern und dennoch wird mir jedes Mal warm ums Herz, wenn ich an die Stimmen denke.  Mein ganzes Leben lang haben sie nur mich gewollt. Aber nun? Was wollen  sie jetzt? Bevor ich es mir überhaupt überlegen kann, wird er zu mir in den Raum geschubst. Zu mir, die er zu hassen scheint.

,,Verdammter Mist'' brüllt er ,,Wie konnte mir so etwas passieren?"

Die Hände zu Fäusten geballt sitzt er nun da, kläglich aussehend, als wäre das das Ende der Welt. Naja, so falsch ist diese Vorstellung ja nicht. Hier endet die wahre Welt oder was immer es außerhalb des Käfigs gibt. Ihm wurde sein Besitz, seine Familie genommen, so wie ich.                Ich wurde auch meinen Eltern genommen, oder ich habe sie mir selbst genommen. Ich weiß es nicht genau. 

Eigentlich dürfte mich nichts davon abhalten den Fremden mit Fragen zu bombardieren. Doch selbst mein nicht viel zu versprechender Verstand sagt mir, dass es jetzt der falsche Zeitpunkt wäre. Wenn ich überhaupt einen Verstand besitze, denn er ist der erste meiner Art dem ich begegne.

Wehrlos schlägt er auf die eiserne Tür ein, die uns von den Stimmen trennt. Seine Schreie, immer und immer wieder, hallen von den Wänden ab. Seine Augen sind von schwarzen, dunklen Schatten unterzeichnet und stehen in einem starken Kontrast zu seinen hellen Augen. Er kommt mir so hilflos vor, so verloren und erschöpft.

Ich weiß nicht was ich von ihm halten soll, wenn ich ihn mir so angucke. Ich weiß nicht warum er nun bei mir ist. Aber was mag er wohl überhaupt gemacht haben, dass er hier bei mir sein muss? Was mag er wohl gemacht haben so zu enden wie ich? Vielleicht weiß er selbst nicht wer er ist. Vielleicht gibt es keinen Grund, für den er zu mir in den Käfig gesperrt wird. Ich weiß es selber nicht genau. All die Theorien über die Stimmen, welche ich die Jahre hinweg aufgestellt habe, waren nur einfache Möglichkeiten. Es war mir nie richtig bewusst, was das alles hier überhaupt ist. Soviel ich auch über das was sich außerhalb des Käfigs befindet nachgedacht habe, so habe ich mich doch mit dem was mir blieb abgefunden.