4.Türchen

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Lucy springt schwanzwedelnd neben mir her, als wir den Adventmarkt erreichen. Es scheint so, als ob sie es genauso sehr lieben würde wie ich. Tja, Lucy und ich haben uns wahrhaftig gesucht und gefunden.

Ich muss wohlig aufseufzen, als ich durch das Eingangstor spaziere. Der Weihnachtsmarkt befindet ich in einem Park, weswegen überall um uns herum Bäume und Büsche verpflanzt sind, die dank warm leuchtender Lichterketten die Nacht erhellen. Die meisten Stände bilden zusammen einen Halbkreis um die große Bühne, wo Bands spielen, Theaterstücke gespielt werden und Chöre singen. Es gibt ein Karussell für die kleinen Kinder und in einer Ecke sitzt ein verkleideter Santa, dem die Kinder ihre Wünsche ins Ohr flüstern können. Außerdem gibt es für die Kleinen ein kleines Zelt, wo sie basteln, backen und spielen können. An den Ständen kann man so ziemlich alles, was auch nur im entferntesten mit Weihnachten zu tun hat, erwerben und man sieht genau, wie viel Liebe hier drinnen steckt. In der Mitte des Platzes steht ein großer Weihnachtsbaum, auf dessen Spitze ein wunderschön glänzend goldener Stern prangt, und auf dem Schmuck der Kinder, der hier am Weihnachtsmarkt gebastelt wurde, hängt. Außerdem steht irgendwo eine kunstvoll angefertigte Krippe, die - so scheint es-von Jahr zu Jahr noch schöner wird. Und nicht zu vergessen gibt es wie immer auch heuer an den kleinen Weg zum Park überall Mistelzweige. Das unbestrittene Highlight vieler Leute aus meiner Schule.

Okay, das wars fürs erste auch schon mit meiner Beschreibung zum Weihnachtsmarkt. Jetzt mache ich mich mal auf den Weg zu einem Tee oder Punschstand, da ich eine Aufwärmung momentan ganz gut gebrauchen könnte. Bei dem Stand von Mrs. Hooling bleibe ich stehen. Ihr gehört das wahrscheinlich beste Kaffee ganz Amerikas. Da Edi und Jenna ganz meine Meinung teilen, verbringen wir drei unsere Nachmittage oft dort, um zu quatschen oder zu lernen. "Hi Mrs. Hooling! Ich hätte gerne einen Winterzaubertee, bitte", gebe ich meine Bestellung auf. Die alte Dame lächelt mich freundlich an und erkundigt sich, während sie meinen Tee macht, wie es mir und meiner Familie geht. Einige Minuten später muss ich mich leider von ihr verabschieden, da sich hinter mir schon eine kleine Schlange gebildet hat. Meine kalten Finger schlinge ich um den heißen Pappbecher und muss wegen dem süßen Weihnachtsmuster grinsen. Sanft puste ich in den Früchtetee, um schneller daraus trinken zu können, während ich mich zu einem Stehtisch stelle. Mein Blick schweift über den Weihnachtsmarkt und das fette Grinsen scheint gar nicht mehr von meinem Gesicht verschwinden zu wollen. So viele Menschen sind hier zusammengekommen und freuen sich allesamt gemeinsam auf das wohl schönste Fest des Jahres. Da ich so überwältigt von diesem schönen Moment und dem tollen Farbenspiel bin, kann ich nicht anders als meine Polaroid-Kamera zu zücken und nach dem perfektem Licht zu suchen. Überglücklich warte ich bis das Foto sich entwickelt hat und starre zufrieden darauf.

"Wahnsinn, ich hätte dich gar nicht so eingeschätzt, dass du gerne fotografierst", reißt mich eine bekannte Stimme aus den Gedanken. Erschrocken wirble ich herum und stoße beinahe meinen brühend heißen Tee um, als ich  mich zu der Stimme umdrehe. Als ich erkenne wer diese Person ist, erschrecke ich gleich noch mehr. "Harry? Was machst du denn hier? Du hast mich erschreckt", beschwere ich mich und bemühe mich meine Stimme nicht zu hoch klingen zu lassen. Er stößt sein- wie ich bereits erkannt habe- für ihn typisches tiefes Lachen aus. "Tut mir echt leid, Madison, aber als ich gesehen habe, dass du eine Kamera rausgeholt hast konnte ich nicht widerstehen", gibt er zu und ich werde rot. Hat er gerade gestanden, dass er mich gewissermaßen beobachtet hat? "Kann ich mir das Bild vielleicht mal ansehen?", möchte er wissen und sieht ehrlich interessiert aus. Wortlos halte ich ihm das Bild hin. Er ergreift es neugierig und studiert das Bild eine Zeit lang prüfend. Nervös warte ich bis er endlich etwas sagt. Sein Schweigen ist unerträglich. "Das Bild ist echt verdammt gut! Man merkt, dass du etwas von Fotografie verstehst, auch wenn man bei Polaroid-Kameras nicht so genau arbeiten kann. Aber ich hab dich während dem Machen des Fotos beobachtet und hab gesehen wie du auf das perfekte Licht gewartet hast und alles. Das ist echt cool", beendet er seinen Redefluss. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, da ich jemanden scheinbar jemanden gefunden habe, der genauso auf Fotografie steht wie ich. "Ja, ich liebe es Fotos zu machen und so besondere Momente einzufangen. Ich habe daheim noch eine richtige Kamera, aber wenn ich spazieren gehe oder so, nehme ich lieber meine Polaroid mit. Und was ist mit dir?"
Harry rückt seine graue Haube zurecht und stützt seine Ellenbogen an dem Stehtisch ab. Seine grünen Augen funkeln aufgeregt und ein glückseliges Lächeln ziert sein Gesicht. "Also ich kann mich gar nicht erinnern seit wann ich schon fotografiere, aber mir geht es wie dir. Ich laufe ständig mit einer Kamera herum, damit ich jeden Moment in dem so richtig glücklich bin für die Ewigkeit einfangen kann" Erst jetzt fällt mir auf, dass um seinen Hals ein großer Fotoapparat hängt. Seine Begeisterung für die Fotografie ist echt ziemlich süß. "Was hat dich denn in diesem Moment so glücklich gemacht?", möchte er weiter Wissen. Peinlich berührt muss ich zugeben, dass mir sein Interesse irgendwie schmeichelt. Er will doch einfach nur höflich sein! Ich mache einen Schluck von meinem Tee,um mir Zeit zu nehmen eine Antwort zu finden, ohne das ich bescheuert klinge. "Mich hat die Zeit glücklich gemacht. Mich hat glücklich gemacht  zu sehen wie viele Menschen hier her gekommen sind, um sich gemeinsam auf Weihnachten vorzubereiten. Wie jeder gut miteinander auskommt und die Menschen friedlich miteinander umgehen. Sobald ich andere Menschen glücklich sehe, bin ich sofort auch glücklich", sage ich und zucke leichtfertig mit den Schultern. Harry starrt mich fassungslos an und schüttelt langsam den Kopf. Oh weh, jetzt habe ich ihn vergrault. Zum Glück fängt er sich relativ schnell wieder, lächelt mich breit an und verkündet:"Also ich weiß nicht, wie du das machst, aber du wirst mir immer sympathischer" Erleichtert atme ich aus. Aus irgendeinem Grund scheint es so, als wäre er nicht allzu abgeneigt.
Harry verbringt noch den restlichen Abend mit mir. Es stellt sich heraus, dass er ziemlich witzig ist und wir uns verdammt gut verstehen. Wir haben weiter über unsere Liebe zur Fotografie geredet, über unsere Hobbys und unsere Familien. Jetzt weiß ich, dass Harry schon 19 Jahre alt ist, fast 20 und deswegen schon zur Uni geht, wo er Medizin studiert. Sein Traum ist es natürlich einmal Fotograf zu werden, aber da man in diesem Business nur schwer Erfolg hat, empfindet er es als das beste etwas zu lernen, wodurch er anderen Menschen helfen kann.
Als es schon halb elf wird,beschließe ich, dass es an der Zeit wird nach Hause zu gehen. Meinen Eltern habe ich vorher natürlich Bescheid gegeben, dass es bei mir später wird. "Wenn du tatsächlich glaubst, dass ich dich in der Nacht alleine rumgehen lasse, dann hast du sich aber gehörig geschnitten. Ich führe dich", stellt er fest und fängt schon an in Richtung Auto zu stapfen. "Warte,Harry, das ist echt nicht notwendig. Mir macht das nichts aus", versuche ich ihn zu überzeugen. Ich dränge mich anderen Personen nicht gerne auf. "So ein Quatsch. Red nicht so einen Mist, Maddie. Natürlich macht mir das keine Umstände. Euer Haus liegt ohnehin auf dem  Weg. Also steig Bitte in das verdammte Auto ein", argumentiert er bestimmerisch und sieht mich streng an. Seufzend gebe ich nach und lasse mich erneut auf den weichen Beifahrersitz fallen.
"Da wären wir"
"Danke fürs Mitnehmen, Harry. Es war heute echt lustig mit dir"
"Ich fands auch schön"
"Na dann. Gute Nacht", sage ich als ich aus dem Auto aussteige und Lucy aus dem Kofferraum hole. Als ich die Tür schließen möchte, ruft mich Harry auf einmal zurück.
"Ich hab etwas vergessen", sagt er und grinst mich verschmitzt an. Er nimmt seinen Fotoapparat,  richtet die Linse auf mich und drückt auf den Auslöser, ehe ich mich versehe. "Wieso hast du mich fotografiert?", möchte ich wissen und ziehe verwirrt die Augenbrauen zusammen.
"Weil ich, Madison, jetzt gerade in diesem Moment verdammt glücklich bin"

Under the Mistletoe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt