zwei

45 1 0
                                        

Es ist warm, ein perfekter Sommerabend um spazieren zu gehen. Die Baumkronen sind noch so grün. Nicht mehr lange. Alles schöne verwelkt. Ich erinnere mich wie wir an so einem Tag mit Lydia Picknicken gegangen sind. Damals war alles noch in Ordnung. Alle sagten, dass sie falsch wäre, dass man ihr nicht trauen könne, dass sie einen Typen nach dem anderen abschleppe. Ich bin dagegen über andere zu urteilen, wenn man die Person selber nicht kennt. Aber es muss doch irgendetwas geschehen sein damit man überhaupt über einen Menschen sowas sagen kann. Oder ? Naja so oder so, die Gerüchte entsprechen der Wahrheit.

Heute in der Uni ist nichts spektakuläres passiert worüber man sprechen könnte. Mr Unbekannt hab ich heute weder im Bus noch in der Uni gesehen. Nicht das ich ihn unbedingt sehen will oder so , nur als ich ihn das erste mal gesehen habe sah er so friedlich aus, irgendwie. Obwohl ich solche Gedanken hatte wie, dass er mich in die Ecke drängen könnte. Das Problem ist nicht speziell er sondern ich. Seit dem Ereignis, welches mein Leben und meine Sicht auf die Menschen verändert hat, traue ich jedem alles zu. Vor allem Männer machen mich nervös, egal ob jung oder alt.

Einerseits ist es gut, dass sie mich einschüchtern, da ich Grad sowieso kein Freund will und mich dadurch auf die Uni konzentrieren kann.

Mir fällt gerade auf, dass ich völlig im falschen Viertel gelandet bin. Ich weiss nicht wie lange ich schon herumlaufe wie ein Ochse aber auf jeden Fall schon sehr lang stelle ich fest als ich auf mein Handy schaue 7.40 Uhr. Nach ganz toll. Schon fast 2 Stunden verschwendet. Ich muss noch Brötchen und ein paar andere Sachen besorgen.

Wenn wir wieder zu dem Thema Viertel kommen, wie konnte ich in so einen Ort kommen? Das ist doch das reinste Ghetto. Wieso muss das immer mir passieren? Ich weiß nicht mal mehr wie ich zurück komme. Dämlich Afya, sehr dämlich.

Desto weiter ich gehe, umso mehr Leute sind auf der Straße. Noch 20 Minuten ungefähr bis die Läden schließen und ich muss so schnell wie möglich einen Supermakrt finden. Da drüben in der Ecke stehen zwei Mädchen, die könnte ich ja fragen.
Mit schnellen Schritten gehe ich auf sie zu, vor vier Meter stoppe und schaue das Geschehen mit offenem Mund an. Ein Mann, Mitte vierzig vielleicht, kommt mit einem Päckchen und Geld drückt es der kleineren von beiden in die Hand, woraufhin sie lächelnd mitgeht. Die andere Blonde sieht nicht sehr erfreut aus.

Die will ich nicht fragen, aber es ist auf jeden Fall besser als solche asozialen Jungs zu fragen, die drüben auf der Bank was weiß ich rauchen. Da entscheide ich mich lieber für die Prostituierte. Als ich vor ihr stehe schaut sie mich mit einem fragenden Blick an und sagt dann "Ich schlafe nur mit Männern." Daran zweifele ich auch garnicht will ich sagen aber es ist kurz vor acht und ich hab keine Ahnung wo ich lang muss. " Ich wollte nur fragen wo der nächste Supermarkt ist ?" Sie lacht. War das so witzig ? "Seh ich aus wie ein Lexikon oder was?" Ok. Das hat sie jetzt nicht wirklich gesagt. Ohne etwas zu erwidern drehe ich mich um und laufe einfach den Weg runter.

Es ist fünf vor acht und ich hab weder einen blassen Schimmer wo ich bin oder wo lang ich gehen muss. Lust darauf nochmal so eine bescheuerte Antwort zu kassieren hab ich auch nicht. Also hat sich des mit dem Einkauf erledigt. Irgendwie glaube ich, dass ich im Kreis rumlaufe.

Da ich sowieso nichts zu verlieren habe biege ich rechts ab. Wie nicht anders zu erwarten sind die Wändet voll mit Graffiti besprüht. Manchmal bewundern ich die Leute die sowas hinkriegen. Ich selber bin voll die Niete in Kunst.

In dieser Straße sind es nicht Hochhäuser sondern kleine Häuser mit einem kleinen Vorgarten. Bei manchen sind die Fenster eingeschlagen oder die Farbe der Wände bröckelt schon ab. In einem kleinen grünen Haus ein paar Meter weiter höre ich geschreie. Wie versteinert bleib ich stehen, der klingt ziemlich wütend. Genau jetzt sollte ich mich umdrehen und weggehen, aber nein, mein Gewissen würde mich nicht in Ruhe lassen.

Langsam laufe ich weiter, doch ich kann nicht behaupten, dass ich mich ziemlich mutig fühle. Nein ganz im Gegenteil ich zittere schon. Die ganze Aktion könnte auch nach hinten losgehen. Mein Gehirn sagt mir, dass der schreiende Mann vielleicht seiner Familie etwas antun könnte. Was ich dagegen tun kann ist natürlich fraglich, aber immerhin ist es besser als einfach wegzulaufen.

Langsam öffne ich das Gartentor Und gehe rein. So mutig dass ich jetzt an der Tür klopfe oder Klingel bin auch wieder nicht. Vorsichtig blicke ich in das Haus, zum Glück haben die keine Vorhänge. Doch genau im selben Moment wünschte ich, ich hätte es nicht getan. Er liegt doch schon fast am Boden, stützt mit einer Hand sich auf dem Boden ab und mit der anderen hält er sich seinen Bauch. Wahrscheinlich hat der man der da steht und schreiend flucht ihm in den Magen getreten. Ich kenne doch den der auf dem Boden liegt. Der Typ aus dem Bus. Kein Wunder, dass er so gebrochen aussieht. Hinten im Zimmer sitzt noch einer. Vielleicht im selben Alter wie ich oder wie der, der auf dem Boden liegt. Er lacht. Er lacht einfach. Wie kann man bei sowas lachen? Mir ist heulen zu Mute. Ich pack des nicht wenn jemand geschlagen wird.

Er spuckt Blut. Meine Augen füllen sich schon mit Tränen. Anstatt aufzuhören auf ihn einzuschlagen, nimmt er den Holzstuhl hebt ich hoch und zerschmettert es auf seinem Rücken. Wenn ich den Schläger anschaue ist er vermutlich sein Vater, da sie sich schon ziemlich ähnlich aussehen. Nachdem schlag sackt sein Körper zusammen. Er versucht aufzustehen, doch sein Vater drückt ihn mit dem Fuß zurück. Der Junge hinter den beiden Lacht immernoch.

Ich kann nicht mehr zu sehen. Mein Körper ist wie gelähmt. Ich könnte jetzt klingeln aber was dann? 'Können Sie bitte auhören ihren Sohn zu schlagen?' Und dann ? Ich muss was unternehmen. Jetzt noch umzudrehen und wegzugehen kommt auf gar keinen Fall in Frage. Denk nach Afya. Was würde Deine Mutter jetzt machen ? Das hilft jetzt auch nicht weiter, denn sie ist nicht hier. Und sowas passiert auch nicht jeden Tag.

Im Garten sind Steine und da ist ein Fenster. Ich weiß sehr originelle Idee, aber im Moment fällt mir nichts besseres ein und ich glaub ich nicht, dass der Typ aus dem Bus es noch lange aushält, da sein Vater auch schon angefangen hat ihn mit einem Gürtel zu verhauen. Ich nehm den Stein. Ich darf ihn nicht verletzten, das heißt ich darf nicht falsch zielen. Ok. Ganz ruhig. Ich schleudere den Stein gekonnt neben die beiden so, dass er kullernt neben dem Vater auf dem Boden stoppt.

Ich glaub nicht, dass es die beste Idee war, denn er schaut jetzt nur noch wütender aus. Scheiße. Er schaut mich durch das kaputte Fenster. Er starrt mich förmlich an. Ich bin wie gelähmt. Zumindest hat er aufgehört auf ihn einzuschlagen. Auf einmal kommt er Richtung Tür mit dem Typen in der Ecke im Schlepptau.

Ich renne los. Ohne darauf zu achten wohin ich trete. Das nächste Gartentor ist offen. Ich gehe schnell rein schließe, dass Tor, damit sie nicht auf die Idee kommen, hier zu suchen. Ich warte bis sie um die Ecke verschwunden sind und gehe vorsichtig aus meinem Versteck raus und ihn Richtung des 'Tatortes'.

Als ich das Haus betrete versucht er sich aufzureppeln. Schnell bin ich bei ihm und er stützt sich bei mir ab. >>Alles okay ?<< Er nickt nur und zeigt auf die Tür. Einen kurzen Moment dachte ich, dass sie wiedergekommen sein könnten aber nein. Da ist weit und breit niemand. >>Raus?<<Frage ich und wieder nickt er. Nachdem wir aus dem Haus sind laufen wir in die entgegengesetzte Richtung wie sein Vater.

Nachdem er mit dem Husten fertig war und selber wieder halbwegs laufen kann, lässt er meine Schulter los und läuft selber weiter. Was soll das jetzt? Ich hab ihm geholfen und er bedankt sich nicht einmal. Er ist ein Wrack so kommt er nicht sehr weit. >>Wohin willst du?<< Rufe ich ihm nach. Er antwortet nicht. Wieso nicht? Er hat nicht einmal Danke gesagt. Meinetwegen soll er halt verrecken. Aber mit dem Gesicht erschreckt er noch kleine Kinder. Blaues Auge, aufgeplatzte Lippen, seine Stirn blutet und seine Nase blutet. Und wie sie blutet. In der nächsten Ecke ist er auch schon verschwunden

Naja , wenigstens hab ich jetzt ein gutes Gewissen. Doch ein mulmiges Gefühl bleibt trotzdem. Ich hole mein Handy raus, mache die Navigationsapp auf und fange an nach Hause zu laufen. Nichts wie weg hier. Ist ja nicht so, dass ich mein Arsch für ihn riskiert habe. Arschloch.

The Silence between usWo Geschichten leben. Entdecke jetzt