Kapitel 4

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Mit einem Kopfschütteln fiel ich wieder zurück in die Realität. Ich wollte doch Jonas anrufen!
Die Leitung tutete eine Weile bis ich es aufgab. Na super, heute lief ja alles wie geschmiert. Da half nichts: Ich musste wohl alleine zocken.
Nicht sonderlich begeistert öffnete ich Minecraft. Dann bemerkte ich etwas Verwirrendes: Jonas war auch online. Per Direktnachricht im Spiel schrieb ich ihn an. Als er nach einer Ewigkeit keine Antwort gegeben hatte, fragte ich ihn: "Wieso bist du nicht rangegangen?" Wieder keine Antwort. Es machte mir Angst. Entweder ging es ihm so scheiße, dass er nicht reden wollte oder er hatte einfach das Spiel offen gelassen, spielte aber gar nicht. Das konnte ich aber überprüfen, indem ich ihm bei seinem Spiel beobachtete. Doch, wie ich heraus fand, spielte er mit vollem Einsatz. Vielleicht war ich auch nicht wichtig genug. Vielleicht würde ihm unsere Freundschaft nichts bedeuten. Wir waren ja schließlich nur irgendwelche Internetfreunde.

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Kennt ihr das, wenn die Zeit vorbei rast, ohne dass man davon etwas mitbekommt? Wenn ich zocke, merke ich nicht, dass es schon spät ist oder immer später wird. Als ich wieder eine Sekunde fand, auf die Uhr zu schauen, war es halb acht. Und auch das tat ich nur, weil mein Magen anfing zu grummeln wie ein Sommergewitter. Ich bewegte mich hinunter zum Kühlschrank und entnahm diesem einen Joghurt. Aus der Besteckschublade kramte ich einen Löffel und nahm den Weg wieder hinauf in mein Zimmer auf mich.

Während ich gerade genüsslich den Vanillejoghurt verspeiste, erreichte mich ein Anruf von Jonas. Auf meinem PC-Bildschirm ploppte die Benachrichtigung des Anrufs auf und ich beantwortete diese mit einer Nachricht: 'Warte kurz.'
Dann schloss ich mein Headset an und rief zurück.

"Das tut mir Leid wegen vorhin.", entschuldigte er sich direkt für seine heutige Ignoranz mir gegenüber.

"Was war denn los?", wollte ich von ihm wissen.

"Ich mach' immer alles falsch.", stieß er aus.

"Was ist passiert?" Ich merkte schon an seiner Art, zu reden, wie verzweifelt und angespannt er war.

"Sina und ich haben uns heute schon getroffen.", erzählte er.

Ein wenig verwirrt antwortete ich ihm: "Das ist aber doch nichts Schlechtes."

"Ich...", er atmete tief ein. "Ich hab' sie geküsst. Ich weiß nicht, warum ich immer so voreilig sein muss! Es war der Moment. Es war sie. Ich konnte nicht anders. Ich bin so bescheuert. Ich..."

"Hey, beruhig dich erst einmal. Sag erst wann, wo und in welchem Kontext."

"Ganz einfach: Nach dem Kino, auf dem Nachhauseweg, kurz bevor sie bei sich in die Straße einbog.", zählte er auf.

"Was habt ihr davor gesagt?"

"Muss das so genau sein?"

"Ja."

"Oha.", er machte kurz eine Pausen, um es sich ins Gedächtnis zu rufen.
"Sie wollte sich ganz einfach von mir verabschieden, da meinte ich nur: 'Warte kurz!'. Das war alles."

"Aber woher dann die schlechte Laune?"

"Weil sie verdammt nochmal nicht reagiert hat! Sie ist einfach nur erstarrt, hat sich umgedreht, 'Tschüss' gerufen und ist weg gegangen."

"Das kann alles heißen.", schlussfolgerte ich.

"Nein", sprach er dagegen. "Das heißt, ich hab's verbockt."

"Vielleicht sitzt sie jetzt gerade Zuhause und quietscht mit ihren Freundinnen am Telefon um die Wette."

"Du weißt, dass sie wahrscheinlich denken wird, dass ich es mit ihr nicht ernst meinen würde?", konterte er.
Seinen verwerflichen Ruf hatte ich komplett außer Acht gelassen.

180 GradWo Geschichten leben. Entdecke jetzt