Kapitel 14

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Die Nacht verging wie im Flug. Es wurde einfach irgendwann wieder hell und wir beschlossen, den nächsten Supermarkt aufzusuchen, um uns ein Frühstück zu ermöglichen.

Mein Magen grummelte nach dem Verzicht gestern Abend schon die ganze Nacht und ich hatte das Gefühl, für Essen töten zu können. Aufgrund der Geldknappheit bestand mein Frühstück letztendlich allerdings nur aus einem Baguette und einer Wurst plus ein normales Wasser.

Als ich mein Portemonnaie zum Bezahlen öffnete, wurde mir leicht übel. Ich saß ohne Geld in Berlin fest. Das Frühstück würde das letzte sein, was ich mir leisten konnte. Ich würde nie wieder nach Hause kommen. Und selbst wenn: Ich würde doch nur bei meiner Mutter landen, die sich einen Dreck um mich scherte; die Zuhause mit ihrem neuen Traummann saß und den Umzug plante. Wollte ich da wieder nach Hause? Ja, weil ich dort immerhin ein Dach überm Kopf hatte. Als Straßenkind wollte ich jetzt auch nicht enden.

Wir setzten uns auf eine Bank in der Nähe des Brandenburger Tors. Während die anderen ihr „Luxusfrühstück" zu sich nahmen, konnte ich nur in mein Baguette beißen. Es schmeckte auch nicht schlecht, aber ich war einfach wütend, dass ich mir nichts Besseres hätte leisten können. Das war unfair. Dazu kam, dass ich für alles, was ich jetzt in den letzten drei Tagen erlebt hatte, meine kompletten Ersparnisse ausgegeben hatte. Und ich sparte seit ich denken konnte. Es war immer so gewesen.

Anna hatte mir im Supermarkt angeboten, mir Geld zu leihen, aber ich hatte abgelehnt. Ich wollte für mich selbst sorgen können.

»Schmeckt dein Baguette dir?«, wollte Anna nun wissen.

»Ja, wieso?« Ich fühlte mich angegriffen. Wollte sie damit provozieren, dass ich mir nichts leisten konnte?

»Naja... Du schaust andauernd so neidisch rüber.«

Ihr Frühstück sah eindeutig leckerer aus als meins. Sie hatte sich ein belegtes Brötchen beim Bäcker gekauft und dazu noch einen Joghurt und einen Apfel für den weiteren Verlauf des Tages.

»War ja nicht meine Idee, einfach so nach Berlin zu fahren und am Ende pleite da zu sitzen.«, sagte ich bissig.

»Aber das ist doch nicht meine Schuld, dass du jetzt kein Geld mehr hast.«, entgegnete Anna.

»Und niemand hat dich gezwungen mitzukommen.«, mischte sich auch Henri ein.

»Man hätte doch wenigstens einen Plan haben müssen.«, meinte ich nun lauter.

»Es gab nie einen Plan. Das war von Anfang an nur eine Idee gewesen.« Anna sah mich empört an.

Ich merkte, dass ich Angst hatte. Allerdings konnte ich sie selbst mit diesem Wissen nicht unterbinden.

»Dann war es eine scheiß Idee.« Ich sah nach Bestätigung suchend zu Jonas. Dieser zuckte mit den Schultern, um mir zu sagen, dass er mir nicht zustimmen würde.

Sina hatte sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten, doch jetzt ergriff sie das Wort. »Wir kriegen das schon hin mit dem Geld. Genieß doch einfach die Zeit hier. Hier sind doch deine Freunde.«

»Und...«, Jonas fing an zu grinsen. »Falls wir das nicht schaffen sollten, bauen wir einfach Scheiße und dann bringt die Polizei uns nach Hause.«

Jonas hatte irgendwie jedes Mal die dümmsten Einfälle, aber ich musste trotzdem lächeln.

»Tut mir leid.«, entschuldigte ich mich bei Anna. »Ich hatte einfach Angst.«

Ihre vorher angespannten Gesichtszüge lockerten sich wieder.

Am späten Nachmittag erreichte mich ein Anruf. Es war der erste sei unserer Reise. Mein Herz pochte plötzlich deutlich. Wenn es meine Mutter war, gab das Ärger. Und wenn sie schon anrief, war sie sicher auch kurz davor, die Polizei zu informieren.

180 GradWo Geschichten leben. Entdecke jetzt