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Ich rückte meine Brille zurecht und sah in das Gesicht meines Chefs, der hinter seinem Schreibtisch saß. Seine aschblonden Haare waren mit Gel in Fassung gebracht und lagen wie immer perfekt.

"Aber ich schaffe die Vorbereitung des Vortrags unmöglich in einer Woche." versuchte ich ihn schon leicht verzweifelt umzustimmen.

"Natürlich wirst du es schaffen, Ann. Ich kann das Datum nicht ändern. Von diesem Meeting hängt unsere berufliche Karriere ab. Wenn wir die Genehmigung für den Druck des neuen Buches nicht erhalten, fehlt der Firma das Geld für die Weiterproduktion." 

Mr. Williams, oder besser Marcus, fuhr sich aufgebracht über das Haar. Eine Haarsträhne fiel ihm ins Gesicht.
Dann kam er auf mich zu und fasste mich an den Armen. Eindringlich blickte er in meine braunen Augen.

"Du wirst es schaffen, okay? Ich verlasse mich auf dich. Denk daran, wie weit du gekommen bist, also mach auch dieses Mal deinem Namen alle Ehre, Mrs. Williams."  fügte er etwas sanfter hinzu.

"Wohl eher Ms. Foster, Marcus. Wir sind nicht verheiratet." flüsterte ich leise. Bei seinem Anblick wurden meine Knie weich und mein ohnehin geringes Selbstbewusstsein in Gegenwart von Männern wich dahin.

"Ja...stimmt. Und das ist auch erstmal besser so. Schließlich bin ich dein Vorgesetzter." grinste er mich an und kostete seinen Triumph aus.
"Kann ich mich jetzt auf dich verlassen?"

"Ja, ich gebe mein Bestes... würdest du dann bitte mein Manuskript durchlesen, das ich verfasst habe?" fragte ich hoffnungsvoll.

"Wenn ich Zeit habe, Schatz." sagte er in geschäftigem Ton und fuhr seinen Computer hoch. "Wir sehen uns heute Abend, ja?" Er küsste mich kurz auf die Wange; eine Geste, die vertraut wirken sollte, mir aber nur noch einen weiteren Stich versetzte. Niemals hatte er Zeit, die Anfangsversion meines Buches zu lesen, egal wie sehr es mir am Herzen lag.

Ich konnte nur hoffen, dass er heute Abend nicht wieder Mitten in der Nacht nach Hause kam wie so viele Male zuvor.

Mit einem letzten sehnsüchtigen Blick ging ich aus seinem Büro in meines, das sich einen Gang weiter befand. Doch er bemerkte diesen Blick nicht und arbeitete weiter.

Ja, ich wusste, dass er nicht immer aufmerksam gegenüber mir war, aber es änderte nichts daran, dass er der perfekte Partner war. Ehrgeizig, erfolgreich, gut aussehend.
Und ich war das totale Gegenteil. Zwar war ich ebenfalls erfolgreich, aber bei Weitem tollpatschiger und unbeholfener als er. Ich brauchte ihn und deshalb akzeptierte ich seine abweisende Seite. Außerdem hatte er auch seine liebevolle Seite, in die ich mich vor einem Jahr Hals über Kopf verliebt hatte.

Damals wusste ich noch nicht, dass er der Leiter einer Agentur war und Bücher vermarktete. Ohne Wenn und Aber stellte er mich als Medienkauffrau und Designerin ein. Deshalb machte ich es mir häufig zum Vorwurf, dass es nicht mein Eigenverdienst war, dass ich einen so hohen Posten bekleidete.

Nach meinem Studium, das ich mit Bravour abgeschlossen hatte, suchte ich nach genau so einem Job. Insgeheim träumte ich von meinem eigenen Buch, seit ich ein Kind war. Doch die perfekte Idee ließ noch auf sich warten.

Ich fiel rücklings auf meine selbst eingerichtete Lounch. Erschöpft schloss ich meine Augen und band meine widerspenstigen Locken zu einem hohen Zopf zusammen. Heute Abend freute ich mich auf eine heiße Tasse Tee und ein gutes Buch. Vielleicht würde Marcus meinem gemütlichen Abend beitreten. Mir schauderte es, als ich bemerkte, dass so etwas schon mehr als einen Monat zurücklag.
Ich sehnte mich nach Zärtlichkeit, aber vor allem nach einem offenen Ohr. Marcus war im Moment insbesondere mein Chef, doch kein Freund. Ständig zog er die Arbeit mir vor. Sollte ich mir Vorwürfe machen? Oder war ich vielleicht nicht mehr attraktiv genug für ihn?

Call me Dave - Liebe auf den letzten AnrufWo Geschichten leben. Entdecke jetzt