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Eine tiefe Männerstimme ertönte aus dem Telefon. Ich hatte es auf laut gestellt und das Handy auf den Tisch gelegt. Mit angewinkelten Beinen saß ich auf der edlen Couch und spürte die Kälte, die von dem kühlen Leder ausging. Meine Wangen dagegen glühten.

"Guten Tag, Sie sprechen mit einem Mitarbeiter des Call-Centers Town. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?" fragte die Stimme in einem ruhigen Tonfall. Diese Stimme war so weich wie Honig, aber gleichzeitig sehr markant.

Mein Herz begann zu rasen. Ich hatte mit einer hysterischen und gestressten Frau gerechnet, aber nicht damit.
Ich brachte es nicht fertig zu antworten. Mein Puls wollte sich immer noch nicht beruhigen. Hektisch fühlte ich mein Handgelenk.

"Sind Sie noch am Hörer?" fragte die Stimme wieder.

Was machte ich hier? Das war doch völlig absurd. Wieso rief ich bei einem bescheuerten Call-Center an, was mir nicht nur den letzten Nerv, sondern auch hart verdientes Geld rauben würde.
Marcus würde die Rechnung ganz sicher nicht bezahlen.
Im Hintergrund hörte ich leise weitere Telefone klingeln.

"Sorry, falsche Nummer!" rief ich fast panisch in den Hörer. Dann legte ich schnell auf. Das Handy warf ich ganz schnell aufs Sofa, dann überlegte ich es mir anders, und legte es vorsichtig auf den kleinen  Mahagonitisch, der neben der vornehmen Couch stand.

Mein Herzschlag wollte sich immer noch nicht beruhigen und ich strich mir hektisch übers Gesicht. Dabei verwischte ich meine Wimperntusche und fluchte leise. In letzter Zait ging alles schief.
Ich lief, nein raste, ins Bad und schminkte mich so gut es ging ab.
Das Telefon lag verführerisch auf dem Tisch.
Diese Stimme hatte mich aus dem Konzept gebracht. Ich musste mich vergewissern, dass ich mir sie nicht nur eingebildet hatte. Sie wirkte so unreal, zu perfekt.

Für wie bekloppt musste mich der Mann am anderen Ende der Leitung halten? Zudem dort wahrscheinlich nur Geistesgestörte um diese Uhrzeit anriefen.

Ich erhaschte einen Blick auf die Uhr. Kurz vor 2 Uhr nachts.
Verdammt, ich musste morgen um 6 Uhr aufstehen!
Wenn ich nicht ausgeschlafen war, konnte ich nicht mit den Vorbereitungen für den Vortrag beginnen. Und dann würde ich es nicht rechtzeitig schaffen und unsere Verbindung zur Bank versauen!
Ich müsste Marcus bitten, dass er mir wenigstens ein paar Tage frei gab.
Völlig erschöpft zog ich mich um und kuschelte mich in meinen gefütterten Schlafanzug. Wäre Marcus hier gewesen, hätte ich einen Seidenpyjama angezogen, doch wofür sollte ich mich schick anziehen. Wenn er mal auftauchen sollte, dann war es doch egal, was ich anhatte? Wichtig war doch, dass wir einander hatten?

Obwohl wir andere Ansichten über Beziehungen hatten, lief unsere erstaunlich gut. Wie ich betrübt feststellen musstem veränderte sich unser Verhältnis in letzter Zeit. Ich schob es wie immer auf den Stress.

Müde legte ich mich ins Bett und driftete nach einiger Zeit in einen wirren Traum von riesigen Bankgebäuden und einem misslungenen Vortrag.

" Doch nicht so toll wie gedacht, Foster." höhnte eine Stimme hinter mir. Ein Mann mit einem fiesen Grinsen sah mir in die Augen. Es war mein ehemaliger Chef bei der Schulzeitung.

"Und was sind das denn für Haare?" fragte eine zierliche, doch vollbusige Frau pikiert. Angewidert schnippste sie mir eine Strähne aus dem Gesicht, weil meine Haare heute ganz besonders störrisch waren. " Kann man die nicht glätten?" hörte ich sie noch lachen.

Hilflos sah ich mich um. Ich wollte aus diesem Alptraum aufwachen!
"Marcus! Marcus! Jetzt sag doch was!" rief ich verzweifelt in die Runde, doch er schüttelte nur den Kopf. Weit entfernt saß er am anderen Ende des großen Konferenztisches.

"Du hast mich enttäuscht, Ann. Du warst doch nicht die Richtige für den Job. Ich kündige dir." sagte er kalt und eine Gänsehaut fegte über meinen Rücken. Seine Stimme war so kalt, so herzlos. Das war er nicht. Nein, so kann er unmöglich mit mir umgehen!

Ich blickte hilfesuchend in seine Augen, die giftgrün aufblitzten. Diese grünen Augen, in die ich mich verloren hatte, waren im Begriff sich zu wandeln. Sie glichen nun immer mehr der einer Schlange.
Verwirrt sah ich mich um und starrte zu weiteren dunklen Gestalten, die nun immer mehr die Form von dunkel geschuppten Wesen annahmen.

Marcus stand auf. Ein hämisches, merkwürdiges Grinsen verzerrte sein makelloses Gesicht. Er nickte der Frau zu und mit lüsternem Blick glitten seine Augen an der fremden Frau entlang. Ihr Haar war seidig und pechschwarz. Ihre Hand ruhte an Marcus' Oberkörper und strich langsam herunter.

Die schnippische Frau musterte mich von oben nach unten. Angst breitete sich in mir aus und mein Herz raste unkontrolliert. In ihrem Blick lag etwas von Ekel, aber auch...Triumph. Ihr schönes Gesicht verformte sich und spitze Zähne bohrten sich in ihre Unterlippe. Dann sprang sie plötzlich hungrig auf mich zu. Den Mund weit aufgerissen verschlang die aufkeimende Schlange in ihr ihren schlanken Körper und ein weit aufgerissen Maul mit einem Schlangenleib hinter sich raste auf mich zu.

Wehrlos hob ich die Arme.

Mein Schrei hallte noch lange in meinem Kopf nach. Zitternd kauerte ich mich zusammen und wurde durch mein Schluchzen durchgeschüttelt. Ich fasste neben mich auf ein kaltes Laken. Marcus war immer noch nicht Zuhause. Ich ballte die Hand zur Faust und schluchzte umso mehr. Die Tränen rannen über meine Wangen und ich schmeckte das vertraute Salz auf meinen Lippen.
Der Funkwecker zeigte kurz vor halb 6 an.
Ich entschloss daher aufzustehen und zu frühstücken. Mit wackligen Beinen ging ich in die Küche und machte mir einen Tee. Ich wischte meine Tränen weg. Es brachte ja auch nichts, Trübsal zu blasen.
Doch die Unruhe in mir ließ mich nicht entspannen.

Ich musste nachsehen, ob Marcus mir geschrieben hat. Und?

Hatte er nicht. Verdammt. War ihm etwas passiert? Was war mit meinem Leben los. Plötzlich ging alles den Bach herunter.
Ich hob vorsichtig mein Handy ans Ohr und es wählte automatisch die zuletzt gewählte Nummer.

"Hallo, entschuldigen Sie, dass ich nochmal störe, aber..." begann ich langsam.

"Hier Call-Center Town, was kann ich für Sie tun?" fragte eine weibliche Stimme gelangweilt.

Mist! Er war nicht mehr da! Wahrscheinlich war seine Schicht vorbei. Warum hatte ich auch immer so ein Pech? Frustriert legte ich auf und trank meinen Tee in einem Zug aus. Die heiße Flüssigkeit verbrühte meinen Mund, aber das war mir egal. Ich musste irgendwie aus diesem Alptraum aufwachen und endlich an die Arbeit übergehen, das einzige, was mir Halt gab. Sonst würde ich noch verrückt werden.

Call me Dave - Liebe auf den letzten AnrufWo Geschichten leben. Entdecke jetzt