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Es stellte sich als äußerst schwierig heraus die Apartmenttür zu öffnen, da sich Marcus von hinten an mich ranmachte und meinen Nacken mit Küssen übersähte. Mir wurde die Situation leicht unangenehm, da jeden Moment unser Wohnungsnachbar, ein grimmiger alter Mann, die Tür öffnen und uns erwischen könnte.

Doch endlich klickte das Schloss und ich konnte eintreten. Sobald ich mich zu Marcus umgedreht hatte, lagen seine fordernden Lippen auf meinen.
Ich versuchte den Moment zu genießen, ich wollte es genießen, aber ...
es ging nicht.
Marcus alkoholisierter Atem glitt über meine Haut und ehe ich mich versah, knöpfte er meine Bluse auf.

"Marcus, du bist betrunken." stellte ich ruhig klar und sah ihm in die grünen Augen. Ich war nicht prüde, aber wenn er betrunken war, konnte er unberechenbar werden. Das war eine dieser Situationen, die ich darunter zählte. Am besten war es dann, Abstand zu halten und am nächsten Tag noch einmal von neu zu starten.

"Bin ich nicht..." brummte er widerwillig. Er löste sich kurz von mir und sein Blick hing hungrig an meinem Körper. Er schwankte ein wenig. Seine Augen glommen weiterhin, während er den Lichtschalter betätigte. Nur mühsam konnte er gerade stehen bleiben. Hatte er wirklich so viel getrunken? Ich hatte es später nicht mehr mitbekommen. Besorgt musterte ich ihn, überlegte was zu tun sei.

Ich war mit der Situation überfordert. Wirklich.
Vorsichtig legte ich meine Hände an seine Wange. Gedankenverloren strich ich sanft mit dem Daumen über seine markanten Wangenknochen und genoss das Gefühl leichter Bartstoppeln unter meiner Haut.
"Ich möchte, dass du bei der Sache bist, wenn wir..."

"Ich bin bei der Sache. Du kannst es immer noch nicht aussprechen? Wie alt bist du? 12 Jahre?" fragte er überraschend schroff. Ein raues Lachen seinerseits ließ mich zurückschrecken.

Was war mit meinem Marcus passiert? Wo war seine liebevolle Seite? Mir schien, als wäre er sich im Begriff zu ändern. Und ich fröstelte, weil mich dieser Gedanke nur zu gut an meinen schrecklichen Traum erinnerte.

"Es tut mir leid." flüsterte ich deshalb und küsste ihn sanft. Ich versuchte all meine Gefühle in diesen Kuss zu legen, doch es kostete mich ungewöhnlich viel Kraft. Mehr als sonst.
Ständig musste ich die aufkommenden Bilder verdrängen, die grell glitzernden Augen, der furchtbare Anblick seines fiesen Gesichtsausdrucks. Kälte weitete sich in mir aus.

Marcus erwiderte, doch schnell wurde es ihm zu langweilig und er wich von mir.
"Warum bist du manchmal so verklemmt? Vertraust du mir nicht?" fragte er mit einem lallenden Unterton.
Ich würde mich doch nicht auf so eine Diskussion einlassen, während er nicht wusste, was er sagte? Unsicher trat ich von einem Fuß auf den anderen. Was würde Leslie antworten? Ich wünschte sie mir so sehr herbei, dass ich ihre Anwesenheit spüren konnte.
"Ich bin nicht verklemmt. Ich will nur, dass du dich auch daran erinnerst." begann ich, neu motiviert ihn umzustimmen und keinen Streit anzufangen.

"Dass ich mich erinnere..." er schien zu überlegen. "Okay...das macht Sinn..." schnaubte er und torkelte ins Schlafzimmer, wo er sich aufs Bett fallen ließ.

"Ich liebe dich..." rief ich ihm noch hinterher. Ich fühlte als müsste ich ihm das sagen, doch es kam keine Antwort zurück. Stattdessen hörte ich ein immer lauter werdendes Schnarchen.
Seufzend zog ich mich um und setzte mich zu ihm. Ich entkleidete ihn, damit sein schicker Anzug keine Falten bekam und deckte ihn zu. Umsorgend strich ich sanft über seine Stirn und küsste ihn auf die Wange, was mit einem leisen Grummeln quittiert wurde. Mit zusammen gepressten Lippen beobachtete ich ihn noch eine ganze Weile.

Dann schlich ich mich ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an. Es war kurz vor Mitternacht, aber ich war noch lange nicht müde. Jetzt war Marcus einmal Zuhause und ich sehnte mich nicht mehr nach ihm. Wie komisch konnte man nur sein?

Call me Dave - Liebe auf den letzten AnrufWo Geschichten leben. Entdecke jetzt