11.

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Ich hörte Dave vernehmlich einatmen.
"Was ist passiert, Ann?" Der Druck, aber auch die Sorge in seiner Stimme ließen mich beinah wieder in Tränen ausbrechen.
"Morgen ist doch der Vortrag, oder? Hast du Angst davor?" fragte er einige Zeit später vorsichtig, weil ich ihm immer noch nicht geantwortet hatte.

"...das auch..." flüsterte ich langsam. Meine Stimme war zum Zerreißen dünn und völlig erledigt fuhr ich mir durch meine widerspenstigen Locken.

"Hey..." setzte er sanft an. "Du wirst die Bude rocken, da bin ich mir sehr sicher. Es gibt niemand besseren für diesen Job."

"Darum...geht es nicht ganz, Dave. Ich hab mich getrennt", brachte ich schließlich hervor. Ich ließ mich zurück auf das Bett fallen und strich mein zerknittertes Kleid glatt.

Er erwiderte nichts. Eine unendliche Stille trat in den Raum. Dann hörte ich, wie er scharf die Luft einsog. Ob vor Wut oder ... Erleichterung konnte ich nicht beurteilen.
"Oh, dieser Mistkerl." raunte er mit rauer Stimme in den Hörer. Es ließ mich erschaudern.

"Du weißt doch gar nicht, was vorgefallen ist...." versuchte ich zu erklären, spielte mit einer meiner Locken.

"Ich kann es mir schon gut vorstellen",wisperte er hastig.
"Er hat dich ausgenutzt und jetzt stehen lassen."

"Er hat mich betrogen, um genau zu sein." Meine Knie begannen wieder zu zittern und die Furcht machte sich in mir breit, fraß sich bis hoch zu meinem Herz und kalt stach ein ungeheurer Schmerz in meine Brust. Während ich noch nach Luft rang, herrschte erneute Stille.

"Das ist noch schlimmer, als ich es mir ausgemalt hatte." Seine tiefe Stimme brodelte förmlich vor Wut. Verärgert fegte er seinen Kugelschreiber den Schreibtisch herunter. Das Klirren des Metalls hallte in meinen Ohren nach.
"Ann, bleib wo du bist, ich komme sofort zu dir."

"...n-nein" stammelte ich. "Ich komm schon allein klar."

"Verdammt nochmal, ich kann dich in diesem Zustand doch nicht irgendwo sitzen lassen!" Er klang jetzt schon fast panisch, so große Sorgen machte er sich.

"Doch Dave, das musst du wohl. Du bist am Arbeiten." erwiderte ich schnell. Das war wenigstens eine plausible Ausrede. Insgeheim aber hatte ich Angst vor einem Treffen mit ihm. Er war so perfekt. Er war zu liebevoll zu mir. Liebevoller als Marcus es je gewesen war. Auf keinen Fall wollte ich das Band, das Dave und ich aufgebaut hatten, verlieren. Was, wenn er ... mich nicht mehr mochte, wenn er wusste, wie ich aussah? Jemand wie ich würde ihm kaum gerecht werden.

"Wie kannst du jetzt an meine Pflichten denken? Bitte, sag mir wo du bist. Ich muss es wissen. Ich..." er stockte und zögerte, bevor er weiter redete.
" ... will nicht, dass dir etwas zustößt."

"Dave, ich tu mir nichts an." sagte ich leise. Auch wenn es wahrscheinlich für die Welt besser wäre. Warum hatte mich Marcus betrogen? Weil ich selbst ihm nicht ausgereicht hatte.

"Dann schreib dir meine Nummer auf und ruf mich in einer Stunde an. Um 3 Uhr habe ich heute Dienstschluss." sprach er mit Nachdruck. Auch er schien aufgeregt zu sein.

Mein Herz begann zu rasen. Diesen Schritt hätten wir schon lange wagen können, doch irgendend etwas in mir sträubte sich dagegen. Alleine seine Nummer zu besitzen, war für mich ein so intimes Gefühl, dass ich es mir kaum vorstellen konnte.

Stillschweigend stand ich auf und suchte ein Blatt Papier in einer Schublade. Nach einigen Minuten wurde ich fündig und Dave am anderen Ende hatte nichts mehr gesagt. Er wartete anscheinend geduldig darauf, dass ich ihm antworten würde.
Als ich noch einen Kugelschreiber entdeckte, begann ich mit sauberer, geschwungener Schrift den Namen Dave darauf zu setzen. Ich schrieb in meiner Schönschrift, wusste nicht warum.

Call me Dave - Liebe auf den letzten AnrufWo Geschichten leben. Entdecke jetzt