Kapitel 13

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Ich sehe Ash an, der scheinbar verzweifelt versucht, die Fesseln zu durchtrennen. Die Tür fliegt auf und Aaron stürmt herein. Er sieht uns an und hebt fragend eine Augenbraue. "Wie...?" "Sie ist gefährlich, sie ist ein Savant, sie hat Jesaja!" Meine Stimme ist verzweifelt und ich klinge, als könnte ich kaum atmen. "Ich habe es nicht gesehen, wie konnte ich es nicht sehen?" Aaron schneidet Ash los, der mich erst einmal in den Arm nimmt, um mich scheinbar zu beruhigen. Aaron kratzt sich überlegend am Kinn. "Was für eine Gabe hat sie?" fragt er dann. "Ich habe keine Ahnung, ich bin erst später wieder zu mir gekommen". Ich nicke zustimmend. Ash löst meine Fesseln mit seinem Taschenmesser. Dann zieht er mich auf die Füße und erwidert: "Wir müssen sie auf jeden Fall erwischen, bevor sie Jes was antut". Ich atme tief durch und nicke mit zusammengebissenen Zähnen. Es muss echt rüberkommen.

Jes, wo seid ihr? frage ich, nachdem Aaron uns aus seinen Fängen entlassen hat. Nachdem er es geschluckt hat. Ich habe Shae zur Abstellkammer nahe der Küche gebraucht. Wir können nicht raus, es wäre zu gefährlich. Und ihr schuldet mir was. Ich musste mit Irina knutschen, murmelt Jesaja und ihm ist anzuhören, dass es ihm ganz und gar nicht passt. Wie, du musstest? fragt Ash, spitzbübisch, wie er ist. Sie hätte Shae fast entdeckt und die Tochter von McAdams lebt nicht wirklich sicher. Nicht in einer Gemeinschaft, die ihren werten Vater aus dem Gefängnis holen will, faucht Jes. Was machen wir jetzt? überlege ich. Wir müssen hier raus, entgegnet Ash. Wow, du Schlaukopf. Ich kann praktisch sehen, wie Jes die Augen verdreht. Wie..., setzt Ash an, aber ich unterbreche ihn, als jemand anderes "anklopft". Frey, wir sind soweit. Kann ich mit Shae reden? Ansel ist wirklich knuffig. Ja, sie ist halbwegs in Sicherheit. Ein Kumpel von mir ist bei ihr, sie ist in der Nähe der Küche in einer Abstellkammer. Ich lächle in mich hinein, als Ansels Freude, mit Shae reden zu dürfen, über mich hinweg rollt. Und Freya, Bell ist auch hier und er wirkt nicht gerade....sagen wir, versöhnlich. Es konnte also wieder ziemlich knallen, warnt Shaes Seelenspiegel. Okay, verstanden, Commander, scherze ich, um die Situation aufzulockern. Wir gehen rein, erwidert Ansel ernst und ich verliere allen Witz auf einen Schlag. Ash mustert mich von der Seite. Okay, Jungs, sie gehen rein, gebe ich meinen Freunden durch. In Ordnung, sagt Ash. Frey, Ash, es ist besser, wenn ihr euch trennt. Dann sind die Chancen höher, nicht erwischt zu werden, erklärt Jes, der das ganze obere Stockwerk mit Hilfe seiner Gabe absucht. Wir stimmen zu und trennen uns an der nächsten Abbiegung. Ash nimmt den Aufzug, ich die Treppe. Ich beeile mich ein bisschen, hier raus zu kommen, da ich die Schreie der ahnungslosen Kunden bereits hören kann. Ich muss zu Shae und Jes gelangen. Meine Füße tragen mich zuverlässig, aber ich fürchte, es wird nicht reichen. Es riecht nach Hotel und die Wände sind die Selben wie immer, aber der Gedanke, dass Bell es zum ersten Mal sieht, hat etwas merkwürdiges. Ich bin hier aufgewachsen, er ist fremd. Das hier ist mein Revier. Aber ich bin sein Revier. Das weiß ich, auch wenn wir uns gestritten haben. Ich denke noch immer über die Beziehung nach, die Bell und ich da führen, als ich um die Ecke biege. Irina wirkt verängstigt, als sie mir entgegen kommt. "Freya, weißt du, dass Polizisten hier sind? Was, wenn sie uns alle einsperren?" Ihre großen Augen starren mich fragend an. Ich will eigentlich nicht mit ihr reden, aber jetzt komme ich nicht mehr darum herum. "Werden sie schon nicht. Und wenn doch, halt gefälligst den Mund, wenn sie dich verhören, verstanden?" knurre ich sie an, auch, wenn ich weiß, dass das ohnehin nichts nützt. Irina wird als Erstes einknicken, aber das ist mir egal. Ich beiße mir auf die Lippe und überlege, wie ich sie wieder los werde, denn sie sieht aus, als würde sie sich gern an meinen Arm krallen wie einen Rettungsring. "Schau mal, da kommt Yvonne", sage ich und deute in die Richtung. Yvonne kann besser mit Irina umgehen als ich vermutlich jemals werde umgehen können. Sie stellt sich neben uns und murmelt ein genervtes "Können die nicht leiser schreien" , als die nächsten Kunden - oder ist es einer von unseren Leuten gewesen? - kreischen vor Angst. Ich bin dafür, was im Moment los ist, gerade zu tiefen-entspannt. "Offenbar nicht. Wir sollten schauen, nach draußen zu kommen", sage ich. Meine Stimme hat etwas Monotones, oder? Kannst du Irina mitnehmen? Ich weiß, dass du es hasst, wenn man sich an dich ranschmeißt, aber nach deiner Behandlung lebt sie wenigstens noch, bitte ich Yvonne. Sie wirft mir einen genervten Blick zu, sagt aber nichts von unserem Gespräch laut. Nach einer Weile gibt Yvonne nach: Okay, ich mach's. Aber du schuldest mir was. Ich atme aus. Dann  schmuggelt ihr euch raus und ich suche meine Kumpel vorher, sage ich. Yvonne hakt sich ohne ein weiteres Wort bei der zitternden Irina unter und marschiert an mir vorbei. Ich nicke ihr dankbar zu und klopfe Irina die Schulter. Wenn alles gut läuft, werde ich die zwei nie wiedersehen. Ich laufe weiter, aber ich bin mit den Gedanken woanders. So knalle ich auch mit jemanden zusammen, als ich um die nächste Ecke biege. Ich will etwas gemeines fauchen, aber als ich den Kopf hebe, vergeht mir jedes böse Wort. Zwei schokoladenbraune Augen funkeln auf mich herunter und die Hand, die sich durchs pechschwarze Haar streicht, ist mir so bekannt, als hätte ich sie tausendmal schon gesehen. Ich spüre die ferne Erinnerung an die rauen Hände an meinen Wangen. Bellamy. Seine Augen funkeln noch immer zornig, aber für ein paar Sekunden blitzt Erleichterung hindurch. Ich rapple mich auf und überlege, ob ich ihn im Rennen schlagen kann. Aber ich habe den Gedanken kaum zu Ende geführt, da bin ich auch schon zwischen Bell und der Wand eingeklemmt. Er legt seine Hände auf Höhe meiner Schultern an die Wand und beugt sich zu mir herunter, dann pressen sich seine Lippen auf meine und die Welt stoppt. Der Kuss ist leidenschaftlich, aggressiv. Ich kralle meine Finger in sein Shirt und er schlingt seine Arme um meine Taille. Bellamy Black küsst, als wäre er ein Verdurstender und ich der lebensrettende Schluck Wasser. Ich lasse meine Hände höher wandern und fahre durch sein weiches, dunkles Haar. Eine seiner rauen Hände legt er an meine Wange und beginnt, Kreise mit seinen Daumen zu zeichnen. Die Berührung hinterlässt kribbelnde Linien auf meiner Haut wie ein angenehmes Brandzeichen. Viel zu schnell löst er sich von mir. Energisch und sanft gleichzeitig drückt Bell mein Kinn zu sich hinauf und murmelt: "Wag es ja nicht, nochmal abzuhauen". Seine Stimme hat etwas warnendes, gefährliches. Ich sehe ihn an und wage ein Lächeln. Natürlich, Seelenspiegel. Das scheint ihn sanfter zu stimmen, denn die Wut verraucht langsam. Hat Ansel Shae gefunden? frage ich, als mir einfällt, wie verzweifelt er gewesen ist. Meine Lippen kribbeln. Ja, mit deinem Kumpel an ihrer Seite, der An fast eine über gezogen hat. Irgend so ein Kerl namens Ash hat Av übrigens wiedererkannt. Er hat sie in Schlaf versetzt, sagt er, schildert mir Bell im Schnelldurchlauf die Ereignisse. Stimmt das hat er. Er ist auch ein Kumpel von mir und irgendwas musste er machen, sonst hätte Aaron ihr noch was getan, erkläre ich und zucke entschuldigend die Schultern. Wir sollten uns beeilen, Frey, Nick meinte gerade, dass die Cops deine Freunde festnehmen wollen. Bell und ich rennen los, um meine Freunde vor dem Gefängnis zu bewahren. Hoffentlich läuft auch das heute gut. 

Catching FreyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt