Kapitel 19

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Ich sitze auf dem Sofa im Wohnzimmer der Blacks und warte darauf, dass Ash, Jes und Key aus dem Zimmer kommen, da ich mit ihnen reden muss. Shae meinte, sie würde Bell,  Ansel und Av ablenken und Nick wollte dabei helfen. Ich habe mich in eine Decke gewickelt und behauptet, ich hätte Bauchschmerzen - an der Regelperiode gibt es schließlich nichts zu rütteln. Bell, Key, Jes und Ash verlassen Bells Arbeitszimmer und werfen einen Blick auf den Fernseher, aus dem irgendeine Sendung dröhnt. "Und du bist dir sicher, dass du allein klar kommst?" fragt Bell mit Sorge in der Stimme. "Lass dich nicht von mir aufhalten. Die Jungs kümmern sich bestimmt gut um mich. Du hast ohnehin schon soviel Arbeit. Mach dir einen schönen Tag mit deinen Brüdern und den Mädels", widerspreche ich. "Ich kann dich vermutlich nicht umstimmen, oder?" seufzt Bell resigniert. Ich schüttle bekräftigend den Kopf. "Nein". "Okay". Bell beugt sich über die Lehne der Couch und küsst mich auf den Scheitel, bevor er Ash und Jes nochmals genau in Augenschein nimmt - vermutlich bläut er ihnen ein, gut auf mich aufzupassen -, dann lächelt er mir noch einmal aufmunternd zu und geht zur Tür hinaus. "Hat er euch jetzt gesagt, dass ihr auf mich aufpassen sollt?" frage ich. "Ja. Worüber willst du mit uns reden?" fragt Kieran. Ich hebe eine Augenbraue und frage mich, wer der beiden Brüder Gedanken lesen kann - Bell oder Key? "Woher weißt du darüber Bescheid?" frage ich. "Das Zucken deiner Finger hat dich verraten. Und das du dir so oft durchs Haar streichst. Es ist untypisch, du scheinst nicht die Art von Mädchen, das sich zu viel aus dem Aussehen macht. Und ich würde wetten, dass du gar keine Bauchschmerzen hast. Dazu liegt deine Hand zu hoch und...". "Es reicht Sherlock", unterbricht ihn Jes und verdreht die Augen. "Aber ehrlich, Frey, du lässt nach. Es sieht ein Blinder, dass du was im Schilde führst", fügt er mit einem süffisanten Grinsen hinzu. "Ash, sag mir, dass es nicht so leicht war", stöhne ich und mache Anstalten, vollständig unter der Decke zu verschwinden. "Hey, hey, hier geblieben!" Ash zieht mich an den Schultern unter der Decke hervor. "Also. Da ihr es ohnehin wisst, Shy und ich planen unseren Tod. Natürlich nicht echt, es soll nur für die Gemeinschaften so aussehen", erkläre ich in knappen Worten. Key lässt sich interessiert auf der Couchlehne nieder. "Und wie  stellt ihr das an?" fragt Ash und beugt sich vor. "Nick wird eine Illusion erschaffen, die es so aussehen lassen wird, als hätte man Shae und mich erschossen. Bell, Ansel und Av werden für Echtheit sorgen", sage ich. "Und wie will Shae die ganzen Gemeinschaften versammeln?" fragt Jes. "Ihr werdet eine Nachricht verbreiten und zwar, das Shae McAdams am Samstag, den 8. in der Nähe der Oxford Street sein wird, um ca. 8 Uhr abends. Da ist es dunkel und sie werden leichter aus ihren Löchern kommen", erkläre ich. Key kratzt sich am Kinn. "Bist du sicher, dass ihr das schafft? Der 8. ist bald. Es könnte eng werden", sagt er. "Ich weiß, aber wir müssen es schnellstmöglich über die Bühne bringen, damit die Gefahr, dass jemanden von euch noch etwas ernsthaftes geschieht", erkläre ich und schlage die Decke zurück. "Um uns musst du dir keine Sorgen machen", entgegnet Jesaja. "Und wie gut seid ihr noch?" frage ich zweifelnd. "Autsch, Frey, einfach nur autsch", entgegnet Ash. Ich lasse die Fingerknöchel knacken. "Wovon redet Freya?" fragt Key. "Als wir noch in der Gemeinschaft gelebt haben, haben wir regelmäßig unsere Selbstverteidigung trainiert, um uns wehren zu können, falls es nötig sein sollten. Größtenteils war es aber dafür gedacht, um Frey zu beschützen. Sie hat ein paar sehr unfreundliche Zeitgenossen angezogen", sagt Jes und lächelt, als er das alte, schwarze Top und die enge Leggings erkennt, die ich immer getragen habe, wenn wir unser Können gezeigt haben. "Die beiden sind aber etwas aus der Übung", sage ich. "Das glaube ich kaum", entgegnen sie im Chor. Ich lächle verschmitzt. Es ist fast wie in alten Zeiten. "Dann kommt her. Oder habt ihr Angst?" Ich grinse sie frech an. Jes macht den ersten Schritt und schlägt auf der Höhe meiner Stirn zu. Ein Schlag, mit dem zu rechnen war. Ich ducke mich locker darunter weg. Ich zwinkere Jes zu. Er erwidert mit einem Lächeln. Freches Mädchen. Jesaja lässt die Augenbrauen scherzhaft hüpfen, bevor ich ihm einen Kick gegen das Schienbein verpasse - oder so tue. Ash zieht mir die Beine weg, sodass ich springen muss, um nicht auf dem Boden zu landen. Ich lächle. So brutal das auch wirken mag, für uns war es Alltag. Wir sind darauf trainiert, zu wissen, was der andere jeden Moment tun wird. Verletzt haben wir uns nur dann, wenn der jeweils andere es zu gelassen hat - vor Severin oder Aaron, zum Beispiel. Ash lässt die Hand auf Höhe meines Kopf vorbei zischen und sorgt, so dafür, dass ich mich ducke. Wäre es tatsächlich ernst, könnte mir das die Nase brechen. "Hört auf damit, ihr werdet euch noch verletzen", sagt Key besorgt. "Wenn du uns ablenkst schon!" entgegnet Jes und weicht Ash mit einem beherzten Sprung aus. "Aber eins klappt übrigens immer, wenn man Frey besiegen will", erklärt Ash und packt mich an der Taille, woraufhin ich kreischend zurück springe, weil da schrecklich kitzlig bin. Kieran sieht mich erschrocken an und bricht anschließend in Gelächter aus. "Guter Trick, sollte ich mir merken", prustet er. "Ihr Idioten", entgegne ich und knuffe alle drei einmal sanft in die Rippen. "Aber ihr scheint noch ganz passabel in Form zu sein, Jungs", erwidere ich anerkennend. "Und das hat ihr früher wöchentlich gemacht?" fragt Key. "Täglich", stellen wir im Chor richtig. "Zeigt ihr mir das auch?" fragt er. Überrascht schaue ich den Black-Bruder an. "Du willst das wirklich lernen?" fragt Ash ungläubig. "Ich komme mir so hilflos vor", erklärt er und wendet beschämt den Kopf ab. "Das muss dir nicht peinlich sein", sagt Jes und legt ihm die Hand auf die Schulter. "Frey hilft dir sicher gern. Wir würden uns ja auch anbieten, aber das wäre zu gefährlich. Wir sind besser als Frey und wir wollen nicht riskieren, einen Anfänger ernsthaft zu verletzen", erklärt Ash und zuckt entschuldigend die Schultern. "Das ist in Ordnung. Aber du solltest dich hinlegen, Freya, wenn du das Trugbild von Bauchschmerzen waren willst", sagt Key und lächelt aufmunternd. "Ja, wir üben ein anderes Mal", stimme ich zu und schlüpfe zurück unter die Decke. "Hoffentlich klappt alles bis zum Achten", wechsle ich das Thema leise. Ich mache mir Sorgen, aber ich versuche hinter einer Maske Furchtlosigkeit zu verstecken. "Das klappt schon", sagt Key und lässt sich auf der Kante der Couch nieder. "Stimme ich dir voll zu", fügt Ash hinzu, schwingt sich über die Lehne und setzt sich neben mich. "Ich auch", murmelt Jesaja und schnappt sich die Fernbedienung. Wir sehen uns eine von Avs Lieblingsserien an und ich bin froh, dass Jes nicht auf eine Tierdoku oder sowas geschalten hat. 

Catching FreyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt