Ich weiß, das ich mich bei den beiden entschuldigen muss. Ich habe ihnen einiges an den Kopf geworfen, obwohl sie mir doch nur helfen wollten. Sobald ich die beiden wiedersehe und das kann Tage dauern, wenn wir nicht gemeinsam irgendwo eingeteilt werden. Und da Severin mich hasst, bezweifle ich das. Meine Knie zittern unaufhörlich, während ich nach unten laufe. Irgendwas stimmt tatsächlich nicht mit mir. Ob ich wohl krank werde? Ich schüttle den Kopf, um den Gedanken zu verdrängen.
Mein Weg führt mich zur Anschlagtafel.
Heute
Drogenübergabe: 20:40 Uhr
Frey, Ash, Jesaja, Ina, Aaron
Ich seufze. Wenigstens kann ich die Entschuldigung schnell hinter mich bringen. Ein Blick auf meine Armbanduhr verrät mir, das ich das Frühstück für die Kunden verpasst habe. Wenigstens bin ich noch nicht zu spät für unser Frühstück. Ich sprinte los und hüpfe die Treppenstufen herunter. So kriege ich auch noch eine Mütze voll Sport. Ich pralle nicht damit, aber sportlich bin ich dann doch.
Ich lasse mich auf einen freien Platz zwischen den Kellnerinnen fallen, die sich sofort zu mir umdrehen. "Du hast da ja einen echt guten Fang gemacht". Ich blinzle verwirrt, bis ich verstehe, das sie Ash meinen. "Wir sind nicht zusammen". "Nicht? Er macht das einfach mal so, jemanden auf Händen zu tragen?" Die Kellnerin kichert. "Eigentlich..." "Nicht, nein. Aber für die beste Freundin macht man fast alles". Ash hat sich hinter mich gestellt. Sein charmantes Grinsen ist ebenso falsch wie das Glitzern in seinen Augen. "Was machst du denn hier?" frage ich verwirrt. "Ach, nur so". Wir müssen wirklich reden. Mein Kumpel legt mir die Hand auf die Schulter und ich fühle mich noch schlechter. Ich weiß. Das wegen gestern..., setze ich an, aber er unterbricht mich: Später. Ich kann deinen Magen knurren hören. Er drückt mir kurz die Schulter, dann entfernt er sich wieder. Ashs Stimme ist ganz sanft gewesen. Als hätte er Angst, ich könnte zerspringen, wenn er mich anbrüllen würde.
Nach dem Frühstück mache ich mich sofort auf die Suche nach den Beiden. In der grauen Jeggins und dem blauen T-Shirt falle ich nicht einmal auf. Das bin ich nie. Die Menschen gehen immer an mir vorbei, ohne das ich ihnen tatsächlich aufgefallen wäre. Und das ist merkwürdig - früher habe ich geglaubt, ich müsste den Menschen besonders auffallen wegen meinem roten Haar. Ich biege gedankenverloren um eine Ecke und knalle mit jemanden zusammen. Fast wäre ich auf dem Boden gelandet, hätte mich die Person nicht geistesgegenwärtig festgehalten. "Du solltest besser aufpassen, Frey". Ich zucke viel zu viel zusammen und sehe zu der Person auf. Das schlechte Gewissen beißt mich in meinem Inneren. "Das wegen gestern...", setze ich wieder an, aber ich werde wieder unterbrochen. "Schon gut". Und dann tut Jesaja etwas, was er lange nicht mehr gemacht hat. Er schlingt mir den Arm um die Taille und drückt mich an sich. Beruhigend beginnt er mir durchs Haar zu streichen, schließt mich in der Umarmung ein. Und damit tut er mal wieder genau das, was ich gerade brauche. "Jes, wir sollten...". Ash unterbricht sich. Ich spüre seinen Blick im Rücken. Jes lässt mich vorsichtig wieder los und Ash nimmt mich in den Arm. Ich bin es gar nicht mehr gewohnt, umarmt zu werden. "Es tut mir leid, Jungs. Ich hätte nicht so ausrasten dürfen", wispere ich mit brüchiger Stimme. Ich versuche krampfhaft, die Tränen in meiner Kehle herunter zu schlucken. Ash drückt meinen Kopf sanft an seine Schulter und ich atme zittrig seinen Duft ein. Erst nach einer ganzen Weile lässt er mich wieder los. "Jungs, es tut mir wirklich leid. Ich hätte nicht so überreagieren dürfen, ich...weiß gar nicht, wie ich das wieder gut machen kann", hauche ich und vergrabe mein Gesicht in den Händen, als mir doch ein paar Tränen über die Wangen laufen. "Du könntest es wieder gut machen, indem du uns endlich erzählst, warum du dich so merkwürdig verhältst", sagt Jesaja leise. Ich tauche wieder auf und sehe ihn an. "Wie soll ich etwas erklären, was ich selbst nicht verstehe?" Ash legt mir den Arm um die Schultern und erwidert: "Darum kümmern wir uns gleich. Sobald wir ungestört sind". Ich will einwenden, dass wir doch ungestört sind, aber schnell wird mir klar, was er eigentlich damit sagen will. Ich nicke. Wir sehen uns um, dann gehen wir zu unserem "Versteck".
"Also, Frey, fang mal an". Ash lässt sich in der Hocke vor mir nieder, Jesaja bleibt stehen, weil es sonst zu eng ist. "Ich weiß nicht, aber irgendwas steht uns bevor. Ich kann nicht sagen, was. Bei den Aufträgen bin ich neuerdings total hippelig, unkonzentriert und in ängstlicher Erwartung und kriege Herzklopfen, wenn ich an die nächsten Aufträge denke, obwohl es doch eigentlich gar nichts ist. Wir machen das jetzt schon lange, dass uns ein neuer Auftrag gar nicht mehr schockierten sollte. Oder zumindest mich nicht. Ich weiß wirklich nicht, was in letzter Zeit mit mir los ist. Ich..." Ash nimmt meine Hand und mustert sie. "Du zitterst, Fee". Ich starre meine Hand an und mein Kumpel hat Recht - sie zittert. Ich zittere. Ash zieht mich ein wenig zu sich, als Jes ebenfalls in der Hocke zu Boden sinkt. Jetzt bin ich zwar zwischen zwei Jungs eingeklemmt, aber das ist eigentlich angenehmer, als es jetzt klingen mag. Ich lehne mich mit dem Rücken an die Wand und ziehe die Beine eng an meine Brust, um den Jungs mehr Platz zu geben. "Frey, kann es sein, das du krank wirst?" Jesaja legt mir behutsam die Hand an die Stirn, um meine Temperatur zu prüfen. "Ash, sie glüht", erklärt er nach wenigen Sekunden. "Überprüf ihre Hände". Ash legt seine riesige Tatze auf meine zierliche Hand, die so noch kleiner wirkt. "Eiskalt". Jesaja legt mir kurz die Hand an die kalten Zehen. "Auch eiskalt. Ich denke, ich weiß was mit dir los ist. Du wirst krank. Das ist der Grund, warum du so aufgeregt bist. Dein Körper versucht dir verzweifelt mitzuteilen, dass du dich schonen sollst", stellt Jesaja fest. "Aber ich kann heute nicht weg. Ihr wisst, was sie mit mir machen, wenn ich nicht mitgehe! Ich schlafe mich darnach aus, okay?" Ich sehe sie nach einander an. Keiner meiner Freunde wirkt sehr erfreut darüber, dass ich heute Abend mitgehen würde. Aber mir bleibt gar nichts anderes übrig. Ich muss mit, sonst bin ich so gut wie tot. "In Ordnung. Aber dann schlaf jetzt ein bisschen". Ash steht auf und zieht zuerst mich und dann Jes auf die Füße. So sehr ich finde, keiner sollte sich um mich sorgen, so sehr brauche ich genau das im Moment.
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Catching Freya
ParanormalFreya lebt, seit sie klein ist, in der Gemeinschaft gefährlicher Savants und ist es gewohnt, bei Raubüberfällen oder Drogendelikten dabei zu sein. Dann geht ein eigentlich harmloser Auftrag unerwartet schief und Freya stolpert in die offenen Arme vo...