Kapitel 12

147 9 0
                                    

Ich genoss die ganze Autofahrt bis nach Hause. Ich musste mich nicht mehr ständig mit anderen extrem schlanken Mädels vergleichen, um einen indirekten Wettkampf zu gewinnen, wer die dünnste war. Keine Ahnung, ob es nur Einbildung war oder nicht, aber ich fühlte mich daheim eindeutig wohler als in dieser Ernährungsklinik. Leonie lächelte mir im Auto öfter mal zu. Scheinbar war sie auch froh darum, dass ich wieder nach Hause kam.

Als wir ankamen packte ich nicht sofort meine Sachen aus, sondern machte es mir zuerst mit meiner Familie vor dem Fernseher bequem. Der Tag war für uns alle ziemlich anstrengend. Eigentlich wollten wir in der Familie noch ein bisschen über die Situation reden. Aber dazu kam es nicht mehr, nachdem wir erst um halb acht zu Hause ankamen, eine Kleinigkeit wegen mir noch aßen und dann alle vor dem Fernseher einschliefen.

Geweckt wurde ich am nächsten Morgen nicht von irgendwelchen Ärzten oder sonst was. Sondern von meiner Mutter, die mich angrinste und sagte, dass ich nicht ewig auf der Couch liegen könnte, da sie jetzt aufräumen müsste. Tatsächlich war es gar nicht mehr morgens. Es war bereits ungefähr 12:00 Uhr. So gut schlief ich jedoch schon länger nicht mehr. Ich roch sogar den Duft von Nudelauflauf als ich aufstand. Den bereitete meine Mutter extra für mich zum Abendessen vor.

Was soll ich sagen? - die ersten Wochen zu Hause verliefen viel zu schnell. Mir ging es in dieser Zeit echt gut. Meine Familie motivierte mich richtig zum essen. Meine Mutter wollte oft zusammen mit mir Mittagessen kochen und nahm extra Urlaub. So konnte sie mich die Wochen unterstützen und sich mit mir beschäftigen bzw. mich ablenken.

Ich unternahm auch öfter etwas mit meiner Schwester. Wir gingen shoppen, zum Eisessen, fuhren in einen Freizeitpark und spazierten durch einen Zoo, wie früher als wir klein waren. Mein Vater war zwar meist am Wochenende der Fahrer, aber er redete nicht viel mit uns. Ich hatte das Gefühl, er wusste nicht genau über was er mit mir jetzt reden sollte. Außerdem hatte er zu dem Zeitpunkt leider viel in der Arbeit zu tun.

Trotzdem fand ich es zu schön wie sich meine Familie bemühte, mich wieder aufzubauen. Ich hatte in diesen Wochen auch schon 3 Kilo zugenommen und mit dem ritzen aufgehört. Leider waren meine Wunden nicht so ganz unauffällig. Doch wenigstens habe ich nur einmal geweint in dieser Zeit. Und das nicht mal aus Trauer, sondern aus Freude. Weil ich es einfach nicht fassen konnte, dass sie mich alle in kurzer Zeit so glücklich, wie schon lange nicht mehr, machen konnten.

Sogar mein Zimmer wurde renoviert. Wir haben alle zusammengeholfen. Auch mein Vater hat dazu sein freies Wochenende genutzt. Ich bekam eine neue Wandfarbe in strahlend grün, eine neue Lampe mit einer Farbwechselfernbedinung und ein neues Bett. Ich dekorierte am Ende noch mit ganz viel Deko, weil es mir so Spaß machte. Mein Zimmer wirkte danach viel fröhlicher und heller. Und dadurch das wir auch etwas aussortiert hatten, war es nicht mehr so vollgestellt. Ich liebte mein neues Zimmer und war meiner Familie so dankbar für alles...

Aber leider konnte es nicht ewig wie in einer Traumwelt bleiben. Langsam musste ich mich darum kümmern, mich mit meinen Freunden auszusprechen. Darauf hatte ich gar keine Lust. Was sollte ich großartig sagen? Wenn ich versucht hätte alles zu erklären, hätten sie mir den Großteil sowieso nicht geglaubt oder hätten sich vielleicht darüber lustig gemacht. Ich fürchtete mich davor, dass sie mich einfach nicht verstehen konnten und mich wieder ignorierten als ob wir nie Freunde gewesen wären. Ich musste mir also was einfallen lassen.

Noch dazu war der Urlaub meiner Mutter jetzt vorbei. Da mein Vater auch arbeitete war ich allein mit meiner Schwester zu Hause. Sie hatte jedoch ihre Freunde in den ersten Wochen wegen mir extrem vernachlässigt, weswegen sie jetzt oft bei ihnen zu Besuch war. Allerdings merkte Leonie schnell, dass es nicht gut ist, wenn ich allein zu Hause sein musste. Deshalb hat sie ihre Freunde zu uns eingeladen, was für mich nicht wirklich besser war. Denn ihre Freunde behandelten mich als wäre ich aus der Psychiatrie ausgebrochen. Aber ich wollte meiner Schwester nicht verbieten, sich mit ihren Freunden zu treffen. Das konnte ich nicht bringen.

Stop eating - You must be beautiful!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt