Kapitel 9

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Nachdem ich meine Augen öffnete, erkannte ich ein Gebäude durch das Fenster. Mein Vater parkte hier und weckte mich gerade auf. Er meinte, es sei das Beste für uns alle, wenn ich erstmal hier bleibe. Meine Eltern hatten schon vor einer Woche mit einer Mitarbeiterin von dort telefoniert. Er versuchte die ganze Zeit beruhigend auf mich einzureden bevor wir aus dem Auto stiegen. Doch ich konnte mich jetzt auf gar keinen Fall beruhigen. Innerlich rastete ich komplett aus und zitterte schon wieder. Ich glaube jedem ist klar, wo ich gelandet war. Wir standen vor einer Ernährungsklinik...

Ich konnte es nicht glauben. Soweit kam es nun schon. Obwohl das Gebäude von außen einen relativ guten Eindruck hinterließ, betrachtete ich es eher als eine Art Gefängnis. War das nun das Ende meiner Diät? Oder doch eine Rettung für mich selbst? Ich konnte nicht klar denken. Das ging mir viel zu schnell. Mein Vater hielt meinen mich am Arm fest und steuerte auf die Eingangstüren zu. Mitgezerrt hat er mich eigentlich nicht, sondern nur locker am Arm gehalten. Trotzdem fühlte ich mich jetzt schon gefangen.

Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Sollte ich traurig sein, dass ich wieder zunehmen muss und den ganzen Kampf verliere? Oder soll ich glücklich darüber sein, dass ich endlich Hilfe bekomme und ich diese Scheisse nicht weiter durchmachen muss? Mein Vater wirkte nicht fröhlich darüber zu sein, mich hier zu lassen. Er machte einen bedrückten Gesichtsausdruck. Allerdings wollte er nur das Beste für mich. Wie alle anderen aus meiner Familie, wie er mir erzählte.

In der Klinik war es überraschend gemütlich und schön eingerichtet. Die Wände waren hell und es kam viel Sonnenlicht durch die großen Fenster herein. Alle liefen mit einem Lächeln an mir vorbei. Auch die Dame an der Anmeldung machte einen netten Eindruck. Sie blickte von ihrem Monitor hoch und sprach dann mit meinem Vater. Ich stand nur dumm daneben und sah mich um.

Die Erwachsenen, welche an mir vorbei gingen, waren wahrscheinlich Therapeuten, Ernährungsexperten oder sonst was in der Art. Ich wurde wütend auf meine Eltern, dass sie mich hier zurück ließen. Andere, den es viel schlechter ging, kommen hierher, weil sie wegen ihrer Essstörung sogar schon umgekippt waren. Ich komm einfach so her, obwohl bestimmt andere Magersuchtis diesen Platz dringender bräuchten. Klar bin ich mal umgekippt, aber so schlimm war das auch wieder nicht.

Plötzlich spürte ich meine schmerzenden Beine wieder. Zuerst hatte ich es vor lauter Aufregung vergessen. Doch vom ganzen Laufen und den Sportübungen hatte ich extremen Muskelkater. Ich setzte mich auf eine Bank in der Eingangshalle.

Ich fing an dem Gespräch meines Vaters zu lauschen. "Sie müssen aber anrufen bevor Sie sie besuchen wollen", erklärte die Dame. "Ok, dann wäre ja alles geklärt. Bei weiteren Fragen geben wir einfach Bescheid", entgegnete mein Vater höflich. Er drehte sich zu mir und sagte: "Keine Sorge, du musst nicht lange hier bleiben, wenn du dich zusammenreißt. Du wirst hier gut aufgehoben sein und wir kommen dich so oft du willst besuchen. Aber umso schneller du wieder anfängst normal zu essen, umso eher können wir die Zeit Zuhause alle zusammen genießen. Tu es für uns. Wir haben dich lieb und meinen es wirklich nur gut." Er drückte mich einmal ganz fest und ließ mich anschließend bei einer Therapeutin stehen, die inzwischen zu mir gekommen ist. Ich brachte kein Wort heraus. Sprachlos sah ich meinem Vater nach wie er schweren Herzens allein zurück zum Auto ging.

Eine andere Dame begrüßte mich freundlich. Sie hatte sich neben mich gestelltes mein Vater gerade die Klinik verließ. Ihre Stimme klang aufmunternd. Sie führte mich ein bisschen in der Klinik herum und zählte mir die Regeln von dort auf. Sie laberte irgendwas von Psychotests, bei den sie mit mir darüber reden wollten, wie es zu dem kam und was mich alles bedrückte. Ich verdrehte nur die Augen, denn ich hatte kein Bock über meine Probleme zu reden.

Die Therapeutin zeigte mir außerdem noch eine große Küche, in der alle Erkrankten zusammen kochen durften unter Aufsicht. Hier sollten uns Ernährungsexperten verschiedene gesunde Rezepte zeigen, um uns wieder an eine normale ausgewogene Ernährung zu gewöhnen. Zusätzlich gab es einige Regeln für das gemeinsame Mittagessen, was in meinen Augen echt übertrieben war.

Stop eating - You must be beautiful!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt