Versunken

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Schweigend saß ich dem Nara gegenüber. Während er mich ausgiebig musterte, schaute ich nur ausweichend zu Boden. Sein durchdringender Blick war mir unangenehm. Wenn er Fragen hatte, sollte er sie ruhig stellen. Doch anscheinend wusste er, dass er keine Antwort bekommen würde. Und so saß er nun schon seit einer Stunde vor mir und hoffte, ich würde von allein damit raus rücken.

Warum interessierte es ihn überhaupt so sehr, was dieses verfluchte Genjutsu mir gezeigt hatte? Ich war noch am Leben und unversehrt. Er würde also keine Probleme mit dem Hokage oder meinen Brüdern bekommen.

Seufzend erhob er sich schließlich vom Sofa und ging in Richtung Küche. Kurz darauf kam er mit zwei Tassen Kaffee zurück und drückte mir eine davon in die Hand. Dann nahm er selbst einen Schluck.

"Ich hätte nie gedacht, dich je so lange schweigen zu sehen", sagte er irgendwann in die Stille hinein.

Irritiert hob ich eine Augenbraue und schaute fragend zu Shikamaru herüber, der sich gegen den Türrahmen gelehnt hatte. Wagte er es tatsächlich mich in so einer Situation zu provozieren?

Ich stand noch immer unter dem Schock, den das Genjutsu hinterlassen hatte. Zu viele schreckliche Bilder waren in meinem Kopf verankert. Und er brachte mich ausgerechnet unter solchen Umständen zu Weißglut.

Für einen Moment vergaß ich all die Illusionen von Toten in meinem Kopf und meine Wut übernahm die Führung.

"Ich habe dich auch noch nie so lange wach erlebt, Schlafmütze. Musst du nicht längst schon wieder in deinem Bettchen liegen und von faulen Tagen und Wolken träumen?" Während ich sprach wurde meine Stimme immer lauter.

Shikamaru nahm meinen Wutanfall locker hin, lächelte sogar. "Das ist die Temari, die ich kenne", stellte er fest.

Jetzt verstand ich. Er wollte mich nur aus der Reserve locken, denn wenn ich wütend war, würde er womöglich doch erfahren, was ich gesehen hatte.

"Vergiss es einfach Shikamaru. Ich werde dir nichts erzählen. Geh einfach und hol dir eine Runde Schlaf", sagte ich genervt.

Er sah mich mit gerunzelter Stirn an. "Um dann wieder festzustellen, dass du abgehauen bist, entführt wurdest, oder unter einem Genjutsu stehst? Nein, danke."

"Tu' doch nicht so, als müsstest du mich 24 Stunden am Tag bewachen", rief ich ihm wütend entgegen. Jetzt kam ich erst richtig in Fahrt. "Du brauchst dich um mich nicht zu sorgen. Du hast deinen Auftrag erfüllt und ich bin lebendig und unversehrt. Also warum interessiert es dich dann, was mir dieses widerliche Jutsu gezeigt hat?"
Während ich sprach war ich vom Sofa aufgesprungen und stand nun wütend vor ihm.

Nun konnte auch er nicht mehr ruhig bleiben. In seinen rehbraunen stand Verägerung geschrieben.

"Glaubst du wirklich, dass du mir so egal bist? Dass ich den Fürsorglichen spiele, um meine Mission zu erfüllen und mir Ärger mit deiner Familie zu ersparen?" Seine Stimme war angespannt.

Ich schaute daraufhin nur zur Seite und wusste nicht, was ich erwidern sollte. Machte er sich wirklich ernsthaft Sorgen um mich? Konnte es etwa sein, dass...

Nein, undenkbar. Ich war für ihn doch schon immer die nervige und viel zu laute Temari, mit der er blöderweise die Vorbereitungen für die Chuunin-Auswahlprüfungen treffen musste, oder etwa nicht?

Langsam wendete ich Shikamaru wieder mein Gesicht zu und mir wurde klar wie nah wir uns gerade waren. Ich spürte das Blut in meine Wangen steigen, und hoffte, er würde es bei dem Schwachen Licht nicht erkennen.

Unsere Nasenspitzen waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt.
Als ich einen Schritt zurück gehen wollte, hielt er mich an den Handgelenken fest.

Ich musste schlucken. Seine Nähe machte mich nervös. Ich war sonst nie nervös, wirklich nie, aber jetzt...
Wieder einmal musste ich mir eingestehen, dass ich schon lange mehr für Shikamaru empfand, als ich jemals zugeben würde.

Es war einfach seltsam. Zuerst hatten wir uns nicht ausstehen können, aber je mehr Zeit wir miteinander verbrachten, desto besser lernten wir einander kennen, bis wir letzten Endes sogar so etwas wie eine Freundschaft aufgebaut hatten.
Doch seit ich vorgestern in Konoha eingetroffen war, wusste ich, dass sich etwas verändert hatte. Spätestens jetzt, in dieser heiklen Situation, war mir klar geworden, dass ich Gefühle für die Schlafmütze entwickelt hatte.

Er schaute mir intensiv in die Augen, dann glitt sein Blick zu meinen Lippen. Wollte er etwa...

Mein Herz schlug einen Takt höher und ich ärgerte mich darüber, wie sehr seine Nähe mich aus dem Konzept brachte. Wusste er überhaupt, was er da mit mir anstellte?

Erneut versuchte ich mich aus seinem festen Griff zu lösen, doch ich hatte seine Kraft wohl unterschätzt. Anstatt mich los zulassen zog er mich noch näher an sich heran.
Hoffnungslos schaute ich zwischen seinen Augen und seinen Lippen hin und her.

"Du solltest mich eigentlich besser kennen", flüsterte er.

Das war zu viel für mich. Ohne weiter nach zu denken, überwand ich kurzerhand den restlichen Abstand zwischen uns und presste meine Lippen auf seine.


Shinobitränen || Naruto [Pausiert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt