Ich ging über die Wiese und setzte mich so dicht es ging an das Flussufer.
"MyLady, ihr solltet nicht so dicht ans Wasser, ihr macht noch euer Kleid schmutzig", kam sofort die Beschwerde meiner Zofe. Sie hatte zwar Recht, aber einfach aus Protest rückte ich noch mehr zum kühlen Nass hin.
"Ich hab nicht nur ein Kleid, Anna, das solltest du wissen. Ich brauche also dieses eine nicht wie meinen Augapfel zu hüten", ich warf ihr ein kurzes Lächeln zu und blickte dann auf die Wasseroberfläche. Auf ihr spiegelte sich der blaue Himmel und die Baumkronen. Ich befand mich auf einer Lichtung in den Wäldern meines Vaters. Es war mein Lieblingsort. Man hörte das leise Plätschern des Wassers, die Vögel in den Bäumen und diese wunderbare Stille. Wenn nicht gerade meine Zofe sprach.
"Aber MyLady, ich dachte dies wäre euer Lieblingskleid. Habt ihr es nicht extra für seine Lordschaft angezogen?"
Leider hatte sich Recht. Es war wirklich mein Lieblingskleid und ich hatte es tatsächlich für Lord Beckhal angezogen, weil ich dachte, es würde ihm gefallen. Ich war ihm versprochen und sehr zu getan. Ich weiß nicht, wie er über mich dachte, er war mir gegenüber immer der Gentleman, der er zu jeder anderen Dame auch war. Heute Abend war wieder ein Treffen organisiert worden. Mein Vater wollte, dass ich meinen Zukünftigen richtig kennen lernte, bevor ich ihn heiratete. Er liebte mich sehr, denn kaum ein anderer Vater tat das für seine Tochter. Die meisten verheirateten sie an irgendeinen Mann, den sie noch nie im Leben zuvor gesehen hatten, nur weil dieser eine gute Partie war. Noch dazu war er oft zwanzig Jahre älter. Ich jedoch hatte Glück. Mein Verlobter war in meinem Alter, sah gut aus und ich hatte ihn schon öfters gesehen.
"MyLady...", Anna unterbrach meinen Gedankengang. Als sie nicht fortfuhr, drehte ich mich verwirrt um. Ich sah sie fragend an, jedoch fiel mein Blick auf jemanden hinter ihr. Zu meiner Überraschung näherte sich uns Lord Beckhal. Ich sah Anna kurz überascht an, doch sie signalisierte mir mit einem Schulterzucken, dass sie ebenfalls nichts von seinem Erscheinen gewusst hätte. Als er nur noch wenige Metern entfernt war, verfiel Anna in einen tiefen Knicks und sah zum Boden.
"MyLord Beckhal." "Lady Mary, Anna. Anna erheb dich, du weißt, dass du dich nicht so lange verbeugen musst." Er schenkte ihr ein kleines Lächeln, was Anna leicht rot werden ließ. War ihr die Situation unangenehm oder steckte da mehr dahinter? Das zu denken war absurd, war sie doch nur eine einfache Zofe und er einfach nett zu ihr. Doch James riss mich aus meinen eifersüchtigen Gedanken.
"Lady Mary, wie wunderschön ihr heute wieder ausseht. Euch scheint dieser Ort gut zu tun." Bei seinen Worten lächelte er nun schon mehr als zuvor. Ich sah das als ein gutes Zeichen. "Ja dieser Flecken Erde ist wahrlich Balsam für meine Seele. Hier finde ich die Ruhe, die ich manchmal von allem brauche. Sagt Lord Beckhan, was führt euch zu mir? Und woher wusstet ihr das ich hier bin? Diese Lichtung ist nicht so leicht zu finden." James musste aufgrund meiner vielen Fragen, die auf einmal kamen, kurz lachen. "Ruhig meine Gute, eins nach dem anderen. Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, das ihr hier sein würdet." Er warf einen kurzen Blick auf Anna. Dies veranlasste sie, panisch zu werden. "MyLady, ich dachte...", mit einer kurzen Handbewegung schnitt ich ihr das Wort ab. Egal was sie sich dabei gedacht hatte, sie wusste wie sehr ich die Einsamkeit hier liebte und nicht wollte, dass noch mehr Leute von diesem Ort erfuhren. Auch wenn dieser Jemand mein Verlobter war. Bestimmt dachte sie sich, dass ich meine gemeinsamen Stunden sicher mit James hier verbringen wollte, doch dies sollte ein Ort nur für mich allein sein. "Nun, ich wollte euch fragen, ob ihr vielleicht heute Nachmittag Lust hättet, mit mir auszureiten." Er sah mich mit einem charmanten Lächeln an, wobei sich ein Grübchen auf der linken Wange zeigte. Ich konnte Anna voll und ganz verstehen, wie konnte man diesem gut aussehenden Mann nicht verfallen, mit seinen grünen Augen in denen die Lebenslust sich wiederspiegeln zu schien, den etwa längeren braunen Haaren und diesem guten Körperbau.
"MyLady?" Ich sah ihn kurz verwirrt an. Offensichtlich hatte er mich beim Starren erwischt. Mir stieg die Röte ins Gesicht und ich sah ihm wieder in die Augen. Von seinem Gesicht war das Lächeln verschwunden.
"Ja natürlich, es wäre mir eine Freude, euch begleiten zu dürfen", antwortete ich ihm schnell und sah dann kurz zu Boden.
"Dann sehen wir uns heute Nachmittag MyLady" Er gab mir die Andeutung eines Lächelns. "Anna." Und damit drehte er sich um und ging. Ich sah ihm verwirrt hinterher, wie er zwischen den Bäumen verschwand und fragte mich, wieso er sein Lächeln verloren hatte. Dann blickte ich jedoch zu Anna. Deren Augen wurde größer vor Panik und sie begann nervös mit ihren Händen zu spielen.
"MyLady ich dachte ihr würdet euch freuen, wenn er euch hier öfters besuchen würde. Ihr seid hier doch immer allein, also..." Sie sah zu Boden und schien ihren Fehler nun zu bemerken. "Es tut mir Leid MyLady, es steht mir nicht zu, zu entscheiden wen ihr hier bei euch haben wollt." Ich bedachte sie mit einem nachdenklichen Blick. "Er gefällt dir oder?" Fragte ich sie, ohne auf ihre Entschuldigung ein zu gehen.
"Aber MyLady, ich bin doch nur eine einfache Zofe... es ist nicht so wie ihr denkt...", fing sie erschrocken an zu stottern. Ich unterbrach sie mit einer Handbewegung. Von ihrem Gestammel wollte ich nicht zu viel hören.
"Ich habe dir eine Frage gestellt, die du mit ja oder nein beantworten sollst." Ich mochte es nicht, mich den Bediensteten gegenüber wie eine herablassende Ziege aufzuführen, jedoch musste ich in manchen Situationen zeigen, dass ich einen höheren Stand hatte als sie.
Anna blickte zu ihren Füßen, sammelte sich und schaute mir dann in die Augen. "Er gefällt mir schon MyLady, der Grund, weshalb ich ihm gesagt habe, dass ihr hier seid, ist aber ein anderer." Sie sah wieder zum Boden. Ich war nicht gerade neugierig geworden, was sie mir mitteilen wollte, weil es für sie jedoch wichtig zu sein schien, fragte ich nach. Ich sah wieder wie sie all ihren Mut zusammen nahm, um mir eine Antwort zu geben. Es schien sie wirklich Überwindung zu kosten, was mich doch neugierig machte. Nun knetete sie ihr Kleid durch und sprach mit unsicherer Stimme: "Ich habe euch doch gestern euer Frühstück gebracht... als es euch nicht gut ging..." Ich nickte ihr aufmunternd zu, weiter zu sprechen, als sie mich ängstlich ansah. "Also bin ich auch an der Küche vorbei gekommen... und da habe ich ihn an der Wand gelehnt... mit jemanden stehen sehen." Anna fing an zu schluchzen. Da bemerkte ich, wie nah ihr die Sache ging und umarmte sie, um sie zu beruhigen. Sie brauchte einen Moment, als sie sich jedoch gefangen hatte, fuhr sie fort.
"Ich konnte ihn erst nicht richtig erkennen... und hatte ihn auch nicht bemerkt, weil er so im Schatten der Mauer gestanden hatte... dann hat er... haben sie sich jedoch bewegt..." Anna stockte und ich sah sie verwirrt und erschrocken an. Ich unterbrach sie aber nicht, sondern wartete einfach bis sie fortfuhr.
"MyLady ich dachte wenn ihr mehr Zeit miteinander verbringen würdet... auch an diesem Ort... dann hätte das einen guten Einfluss auf ihn... ihr wisst doch..." Anna verwirrte mich nun vollständig mit dem was sie sagte, weshalb ich ihr doch ins Wort fiel.
"Wovon redest du denn da? Was meinst du damit, dass das einen guten Einfluss auf ihn hätte?" Ich sah sie ägstlich an, da ich nicht wusste, was sie damit meinte und was nun kommen würde.
"MyLady, ich hab gesehen wie er jemanden küsste... Es war Lord Frenkan."
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Kurzgeschichten
Historia CortaIn diesem Buch werde ich Kurzgeschichten jeglicher Art veröffentlichen. Darunter zählen traurige, mittelalterliche, fröhliche Geschichten oder einfach nur von mir ausgedachter Unsinn, der es nicht zu einem ganzen Buch schaffen würde, jedoch auch zu...