7. Kapitel - Zeitreise

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Die Musik in ihren Ohren war im ganzen Raum zu hören. Doch das war nicht schlimm, denn niemand außer ihr war anwesend. Während sie zur Musik mit summte, zeichnete sie auf ihrem Block. Es beruhigte sie. Sie tauchte damit in eine andere, friedvollere Welt ein. Ein Lächeln bildete sich auf ihrem Gesicht, als sie die Sonnenbrille zu dem Kopf zeichnete. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, doch das bekam sie gar nicht mit. Erst als ihr die Kopfhörer vom Kopf gerissen wurden und ihr jemand ins Ohr brüllte "Anna, räum' endlich deine Sachen aus dem Wohnzimmer, ich darf sonst nicht fernsehen, wenn es dort nicht aufgeräumt ist.", schreckte sie aus ihrer Welt. Sie schaute die kleine Person vor sich erschrocken an und dann wieder auf ihr Blatt. Wütend deutete sie auf dieses.
"Schau nur was du angerichtet hast, wegen dir ist die ganze Zeichnung ruiniert!" Sie funkelte den Jungen böse an.
"Zeig mal her." Der kleine Junge nahm ihr die Zeichnung aus der Hand und betrachtete den dicken Strich der nun über das ganze Blatt ging.
"Hey!", sagte Anna empört und nahm ihm das Bild wieder aus der Hand.
"Wer soll denn das sein?", fragte das Kind desinteressiert.
"Das ist einer der größten Sänger, den es je gegeben hat. Es ist traurig, dass du ihn nicht kennst.", erwiderte das Mädchen entrüstet.
"Also wieder einer deiner toten Stars ja? Woher soll ich die denn kennen, die können ja gar nicht so berühmt sein.", erwiderte der Junge bloß. Er trottete aus dem Zimmer und hinterließ eine entsetzte Anna. Sie ließ sich wieder auf den Boden plumpsen und schaute auf die entstellte Zeichnung von Michael Jackson. Die Worte ihres Bruders hatten sie getroffen und sie war schlagartig traurig geworden. Wie konnte er so etwas sagen? Michael Jackson war einer der bedeutendsten Künstler seiner Zeit und seine Lieder hatten heute noch Bedeutung. Sie sah sich in ihrem Zimmer um. Es hingen nicht nur Plakate von den Jackson Five und Michael Jackson an den Wänden, sondern auch von Nirvana, den Rolling Stones, Queen und den Beatles. Sie liebte Musik aus dem vergangenen Jahrhundert. Sie fand, dass diese Songs noch Bedeutung hatten, dass sie noch etwas aussagten. Doch leider teilten wenige in ihrem Alter diese Meinung. Fans dieser Musiker waren in älteren Jahrgängen angesiedelt.
Sie strich vorsichtig über ihre Zeichnung. "Ich wünschte, du würdest noch leben und allen zeigen, was richtige Musik ist.", flüsterte sie leise. Sie starrte die Zeichnung weiter an und war in Gedanken verloren, als sie auf einmal aufschreckte. Hatte sich gerade eine Hand von Michael Jackson bewegt? Nein das konnte nicht sein, sie musste sich das eingebildet haben. Trotzdem starrte sie das Bild weiter an. Und da wieder! Seine Hand wanderte langsam nach oben, bis sie schließlich auf Höhe seines Kopfes anfing zu winken. Sie rieb sich über ihre Augen und blinzelte schnell. Als das nicht half, zwickte sie sich. Dennoch, die Hand winkte weiter und ein Lächeln bildete sich nun auf Michaels Lippen. Als er den Mund öffnete, erschien eine Sprechblase auf dem Papier und Wörter schrieben sich von selbst.
"Hey Anna. Wie ich sehe, ist die Überraschung gelungen.", stand dort geschrieben. Verblüfft wurden ihre Augen noch größer. Michaels Lächeln wurde indes zu einem Grinsen.
"Dein Wunsch ist es doch, dass ich noch lebe richtig? Ich lebe in einer Welt, in der das Wirklichkeit ist.", schrieb er weiter.
Anna zog die Stirn kraus. Wie sollte das funktionieren? Er lebte in einer anderen Realität, wollte er das damit sagen? So was existierte?
"Du meinst so was wie ein Paralleluniversum? Das gibt es? Seid ihr dort alle Bleistiftzeichnungen oder wie? Und ist dort vieles anders?", fragte Anna zunächst zögernd, doch dann sprudelten ihre Fragen nur so aus ihr heraus. Dementsprechend länger dauerte die Antwort.
"Ich denke, die Bezeichnung Paralleluniversum trifft es gut. Natürlich sind wir hier keine Zeichnungen", seine Lippen verzogen sich zu einem Lachen, "wir sehen genauso aus, wie in deiner Welt. Die Antwort auf deine letzte Frage könnte ich dir auch zeigen, wenn du das möchtest?", er streckte ihr seine Hand entgegen.
Anna überlegte. Wie konnte das möglich sein? Was passierte hier? Und sollte sie es riskieren? Wer wusste, ob ihr gefallen würde, was sie sehen würde? Doch dann fasste sie einen Entschluss. Kurz sah sie noch zu ihrer angelehnten Zimmertür, doch dann sagte sie:"Also gut, ich nehme dein Angebot an. Ich würde gerne wissen, wie es bei dir so ist und was alles anders ist. Aber du musst mir versprechen, dass ich nicht verloren gehe."
"Natürlich meine Liebe. Ich passe auf dich auf.", er lächelte ihr aufmunternd zu. "Du musst nur meine Hand nehmen und im nu bist du hier."
Einen kurzen Augenblick zögerte sie noch, doch dann tippte sie auf die ihr gebotene Hand. Es war, als würde sie in einen Strudel gezogen werden, denn alles um sie herum drehte sich und sie bewegte sich in eine Richtung. Wohin genau konnte sie nicht einordnen. Jedoch saß sie ganz plötzlich. Sie hielt sich die Hand an ihren Kopf und unterdrückte gleichzeitig den Brechreiz. Beruhigend legte sich eine Hand auf ihren Rücken. Sie zuckte zusammen und sah zu der zugehörigen Person. Neben ihr stand niemand anderes als Mister Jackson persönlich und lächelte ihr zu. Das erste was sie feststellte, war, dass er gesund aussah. Er trug vor allem keine Brille, seine Nase sah gesund aus und Schminke trug er auch nicht. Er wirkte...normal.
„Hey, wie geht es dir? Ich hoffe, dir ist nicht zu stark übel? Oder soll ich einen Eimer holen?", sprach er die ersten Worte zu ihr auf Englisch.
Sie reagierte zunächst nicht und starrte ihn einfach nur an. Wie konnte das echt sein? Sie war immer noch total verwirrt, freute sich jedoch auch riesig ihn so zu sehen.
Er lächelte verlegen. "Okay, wie es scheint, habe ich dich erst einmal sprachlos gemacht", er lachte etwas verunsichert auf, "ich denke das ist gut oder?"
Schließlich brachte sie doch ein Nicken zustande. Als ihr auffiel, wie komisch sie sich benahm, räusperte sie sich schnell und sagte ebenfalls auf Englisch:"Mir geht es gut...denke ich."
"Das ist schön." Kurz herrschte Ruhe, in der beide nicht wussten, was sie sagen sollten. Dann sprach Michael wieder. "Ach ja, du möchtest sicher deine Frage von vorhin beantwortet haben oder?" Sie bejahte dies. "Okay na dann mal los." Er setzte sich auf eine Couch, die ihrem Sessel gegenüber stand und seufzte kurz. "Also, was ist hier alles anders...", er überlegte kurz, "Also was mich betrifft, ich bin kerngesund, spiele immer noch neue Musik und gehe auch auf Tour. Ich habe nie irgendeine Krankheit gehabt, wie in deiner Realität." Er sah kurz zu Boden. Dann viel ihm etwas anderes ein, was ihm zum Lächeln brachte. "Ich bin übrigens nicht der Einzige, der in dieser Realität noch lebt. Viele der Bands, deren Musik du hörst, sind auch noch aktiv. Undich denke, ein wesentlicher Unterschied ist, dass wir alle noch so alt sind,wie in deinen Zeichnungen. In deiner Realität müssten wir schon älter sein."
Er ließ eine kurze Pause, damit sie die Informationen verarbeiten konnte. In ihrem Kopf ratterte es. Dann riss sie ihre Augen auf. "Das bedeutet Queen, Nirvana, die Beatles... Sie sind alle noch... da? Das ist unglaublich!" Sie sprang auf und hüpfte aufgeregt durch das Zimmer. "Anna beruhige dich bitte etwas. Es ist so...Freddie Mercury...den du doch auch so toll findest...er ist hier zum Beispiel auch leider tot...Und die Band existiert deshalb auch nicht mehr." "Oh..." flüsterte Anna nun weniger begeistert als zuvor. "Aber wieso...?" Sie setzte sich wieder auf den Sessel und winkelte ihre Beine an, während sie ihren Kopf auf diese ablegte.
Michael seufzte. "Nun es ist wie in deiner Wirklichkeit. Hier erlag er auch seiner Krankheit. Zwar ein paar Jahre später, aber trotzdem." Anna war betrübt, doch dann fiel ihr etwas auf.
"Sag mal", sie runzelte die Stirn und sah ihn nachdenklich an", woher weißt du eigentlich so viel über meine Realität, wenn du doch aus einer anderen kommst?" Er lachte kurz auf.
"Eine gute Frage Anna. Es sind unter anderem deine Zeichnungen." Er sah sie lächelnd an, während sie nur noch verwirrter war. Also fuhr er fort. "Deine Zeichnungen, sie sind so gut, dass sie Brücken zu anderen Realitäten aufbauen können. Weil jeder Zeichner natürlich einen eigenen Stil hat, wie er zeichnet, haben deine Zeichnungen diese Brücken nur zu einer einzigen anderen Wirklichkeit aufgebaut. Dadurch konnten die Personen auf den Bildern, wie ich oder Kurt Cobain, wenn wir wollten in deine Welt schauen. Daher haben wir die ganzen Informationen. Und bevor du fragst, wir unterliegen alle einer Schweigepflicht. Das heißt, wir dürfen niemanden von den anderen Realitäten erzählen. Und ja, wir haben uns über dich unterhalten." Er zwinkerte ihr zu und lachte als sie rot wurde. Sie schaute auf den Boden und nuschelte mehr zu sich selbst:"Na super, in der einen Welt nimmt mich kaum einer wahr und in der anderen unterhalten sich Superstars über mich. Was ist nun besser?" Sie verdeckte ihr Gesicht mit ihren Händen. "Aww sei nicht beschämt. Wir haben nur positiv über dich gesprochen, schließlich hörst du ja für dein Leben gern unsere Musik.", er zwinkerte ihr zu. "Ach was ich dich fragen wollte, interessiert es dich gar nicht, was ich dir zeigen wollte?" Sie sah ihn wieder interessiert und aufgeregt an. "Doch natürlich will ich das wissen!", erwiderte sie schnell und wechselte ihre Position in einen Schneidersitz.
Michael Jackson lehnte sich vor. "Heute ist eine Benefiz Konzert für UNICEF und es werden viele bekannte Bands auftreten. Also wir haben uns gedacht...", er machte eine Pause und sah sie einfach nur an. Dann lehnte er sich wieder zurück und fragte gelassen:"Möchtest du was trinken? Ich habe Saft, Wasser, Cola-" "Nein danke, ich möchte im Moment nichts trinken. Sag mir einfach, was ihr vor habt!", unterbrach Anna ihn aufgeregt und hopste, soweit es möglich war, auf dem Sessel auf und ab. Michael lachte. "Man möchte nicht glauben, wie sich 17 jährige Mädchen verhalten können, wenn es um eine Überraschung geht. Nun gut", er nahm wieder dieselbe verschwörerische Position ein wie davor, "wir haben uns gedacht, dass du mit auf das Konzert könntest. Nicht nur ich werde da sein, sondern auch Nirvana, Led Zeppelin, Red Hot Chili Peppers und One Direction. Die letzte Band gibt es doch auch bei dir oder? Ich bin mir nicht ganz sicher. Also es kommen auf jeden Fall ein ganz paar bekannte Bands. Beziehungsweise sind schon da.", fügte er den letzten Satz noch leise hinzu. Kurz herrschte noch Stille in dem Raum, dann setzte die Schnappatmung bei Anna ein. "Oh mein Gott, oh mein Gott..." Sie versuchte tief Luft zu holen und sich zu beruhigen, doch es wollte nicht funktionieren. Michael sah sie leicht ängstlich an. "Geht es dir gut? Was ist denn los? Ich kenne diese Reaktion, aber kann ich dir irgendwie helfen?" Sie schüttelte nur den Kopf, während Michael sie ratlos ansah. "Aber du freust dich oder? Wir waren uns nicht sicher, ob das wirklich eine gute Idee -" "Natürlich freue ich mich! Und das ist eine ganz tolle Idee! Ich wollte dich schon immer live sehen und Nirvana auch. Das ist unglaublich, ich hätte nie damit gerechnet, dass es wirklich passieren würde. Oh man das ist wirklich cool.", sprudelte es aus Anna heraus. Sie war sehr aufgeregt und hüpfte nun um den Sessel herum. „Wann geht es denn los? Also wann ist Einlass? Wo werde ich stehen oder hab ich sogar einen Sitzplatz?" Sie konnte sich kaum beruhigen und überfiel Michael mit ihren Fragen.
„Hey ich sagte doch bereits, beruhig dich erst mal.", er lachte und hob beruhigend die Arme. „Also, es geht in etwa", er sah kurz auf die Uhr, die an der Wand hing, "15 Minuten los. Ich kann dir gleich einen Ablaufplan geben, damit du weißt, wer wann dran ist. Und um ehrlich zu sein, du hast keinen richtigen Sitzplatz oder Stehplatz, sondern du darfst dich nur im Backstagebereich aufhalten." Er sah verlegen zu Boden. Anna riss ihre Augen auf und war ganz still geworden. Dann plumpste sie auf den Sessel zurück und starrte Michael an. „Also wenn das für dich in Ordnung ist", erwiderte dieser schnell, „wenn du lieber stehen möchtest, weil du denkst, dass du da eine bessere Sicht haben könntest, da ließe sich bestimmt was machen." Anna sah zu Boden und sagte:"Es ist alles in Ordnung. Es ist nur... Mein größter Wunsch, von dem ich nie gedacht hätte, dass er in Erfüllung gehen könnte, wird gerade wahr und das trifft mich alles sehr plötzlich. Dann kommst du noch live und in Farbe dazu... Ich muss das erst einmal verarbeiten." Sie lächelte unsicher. Entschuldigend sah Michael sie an. „Tut mir leid, aber dafür wird dir keine Zeit bleiben. Wie gesagt in 15 Minuten spielt die erste Band und davor wollte ich dir noch Curt Cobain vorstellen..." „Oh...", war nur die Antwort. Anna wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie befand sich in einem Gefühlschaos. Einerseits wollte sie schreien und durch den Raum springen, andererseits war sie total aufgeregt und wusste nicht, wie sie mit dem ganzen umgehen sollte. Es fühlte sich an, als würde sie platzen vor Emotionen.
„Komm, ich denke es ist besser, wenn du nicht zu viel darüber nachdenkst." Michael Jackson stand auf und deutete ihr, sich auch zu erheben und ihm zu folgen. Auf dem Weg zur Tür nahm er noch einen Zettel von der Pinnwand, die neben der Tür hing und gab ihn Anna. „Das ist der Ablaufplan." Anna inspizierte ihn und schaute, welche Bands sie alles kannte. Nicht auf den Weg achtend und aus dem Augenwinkel Michael folgend, stellte sie fest, dass sie erstaunlich viele Bands davon kannte. Es waren Bands aus der Vergangenheit wie auch Gegenwart. Wie gerne würde sie hier leben wollen. Es gäbe regelmäßig Konzerte und neue Alben ihrer Lieblingsmusiker und andere in ihrem Alter würden auch diese Musik hören. Bevor sie außerdem richtig feststellen konnte, dass sie ihre erste Begegnung mit Michael Jackson gut gemeistert hatte für ein Fangirl, erklang Michaels Stimme.
„Darf ich dir vorstellen, das ist Anna. Anna das ist Curt Cobain."

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