1. Ava

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1. Ava

Mein Gesicht ist gerötet. Meine Kopfhaut ist überhitzt. Ich habe das Gefühl, dass die gesamte Sonnenenergie sich in meinem Körper gespeichert hat, die ich in der letzten Woche am Strand und am Pool in mir aufgenommen habe. Vielleicht habe ich das mit dem Sonnen und Braun-werden etwas übertrieben. Umso froher bin ich nun, in das klimatisierte Flugzeug zu steigen. Die Stewardess am Eingang, deren platinblonde Haare zu einem strengen Dutt zusammengebunden sind, begrüßt mich mit einem Million-Dollar-Lächeln, das sie bereits meinen Eltern und meinem Bruder geschenkt hat. Sobald wir an ihr vorbeigehen, erlischt ihr Lächeln.

Ich verdrehe die Augen. Typisch. Ihr ist unsere Identität eindeutig bewusst. Die Eastons, denen zur Hälfte der Aktien dieser Fluggesellschaft gehört. Diese sind natürlich besonders freundlich zu behandeln.

Ich drücke irgendeiner anderen Stewardess, die anscheinend darauf brennt, mich zu bedienen, meine Tasche in die Hand und lasse mich anschließend erschöpft in den gepolsterten Ledersitz fallen. Entgegen meiner Erwartung landet mein Hintern auf etwas Hartes.

„Au ..." Ich verziehe das Gesicht vor Schmerz und greife genervt nach hinten.

„Verdammter Anschnallgurt", schimpfe ich leise vor mich hin und werfe diesen zur Seite. Ich sinke tief in den Sitz ein. In einer wohlhabenden Familie aufzuwachsen bringt schon einige Vorteile mit sich, wie zum Beispiel, dass man stets mit First Class fliegt.

Als ich im Begriff bin einzudösen, dringt Mamas Beschwerde über meine „einer Dame nicht gemäßen" Sitzhaltung in mein Ohr. Ich ignoriere sie.

„Ava", sagt sie tadelnd, „setz dich gefälligst aufrecht hin. Wir sind nicht zu Hause."

In einer wohlhabenden und gleichzeitig angesehenen Familie aufzuwachsen bringt ebenso einige Nachteile mit sich, wie zum Beispiel, dass man sich in der Öffentlichkeit stets zu benehmen hat, weil der Ruf der Familie nicht zu beschmutzen ist.

„Lass mich mal", höre ich Jeremiah brummen.

Na toll, was kommt denn jetzt?

„Ey Schwesterchen, setz dich entweder vernünftig hin oder zieh dich um. Oder willst du der ganzen Welt deine Pussy präsentieren?"

Zähneknirschend rutsche ich den Sitz hoch und schlage die Beine übereinander. Ich schwöre bei Gott: Ich werde nie wieder in der Gegenwart meines Bruders einen Rock anziehen. Ich atme mehrmals tief ein und aus, um meine aufsteigende Wut zu unterdrücken. Letztendlich kann ich mir aber ein „Arschloch" doch nicht verkneifen. Jeremiahs Mundwinkel verziehen sich zu einem spottischen Lächeln.

Jeremiah macht ständig solche hässlichen Bemerkungen, um mich zu provozieren. Obwohl ich das genau weiß, lasse ich mich fast jedes Mal unterkriegen. Wann werde ich wohl endlich mal das letzte Wort haben? Die Aussichten sind schlecht, weil er einfach. Mein. Großer. Bruder. Ist. Und. Großer. Bruder. Nun. Mal. Stärker. Ist. Als. Die. Kleine. Schwester.

Also in manchen Bereichen. Meistens.

Die drei Wochen Urlaub haben mich ziemlich fertiggemacht. Ein Hoch auf meine Familie, würde ich sagen. Wenn nichts jeder von uns so eigensinnig gewesen wäre und woanders hin gewollt hätte, wäre der dreiwöchige Urlaub gar nicht zustande gekommen. Papa wollte in die Berge, wandern, wie immer; Mama in irgendeine Megastadt, bummeln, wie immer; Jeremiah ans Meer, surfen und heiße Bräute beim Beachvolleyball begaffen, wobei ich mir auch nur denke: Was ist mit seiner Freundin Isla? Vor allem: Wie hält sie das aus? Erstaunlicherweise ist Jeremiah während ihrer zweijährigen Beziehung noch kein einziges Mal fremdgegangen, obwohl das so leicht passieren könnte. Er sieht nämlich unverschämt gut aus.

The Right One - Dir hinterherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt