Teil 3

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An diesem Tag mussten wir unsere Arbeit erst spät antreten, nach dem Frühstück. Die Herrschaften hatten nur gesagt, dass heute ein besonderer Tag war und wir deshalb nicht so viel Arbeit hatten. Die Zeit vor dem Frühstück verbrachten alle Mägde zusammen im Schlafzimmer.
Natürlich wurde ich nicht beachtet. Ich war ja verrückt. Sie wollten ja nicht mit einer Verrückten in Verbindung gebracht werden. Sonst waren ihre Chancen auf eine Heirat vorbei.
„Marie, weißt du schon, dass Dorothee fremde Männer sieht? Ich glaube die ist wirklich verrückt!", Marie und die anderen Mägde lachten und immer, wenn sie zu mir sahen, lachten sie noch lauter. Das laute Gelächter musste wohl unsere Herren aufmerksam gemacht haben, denn sie kamen in unser Schlafzimmer.
Augenblicklich verstummte das Gelächter und alle senkten die Köpfe. Nur ich starrte auf den Sohn des Herren. Als er meinen Blick bemerkte schaute er mir in die Augen und lächelte. Er lächelte? Sonst hatte er für uns doch immer nur verächtliche Blicke für uns übrig.
„Was habt ihr denn zu lachen? Sollten wir euch vielleicht mehr Arbeit geben, damit ihr Ruhe gebt?", die Herrin sah uns alle einzeln und verächtlich an. Sie hasste uns. Alle zusammen. „Ich denke das wird mir als Antwort genügen. Geht an die Arbeit! Bis zum Abend muss das Haus vorzeigbar aussehen! Wir erwarten Besuch", bei den letzten Worten der Herrin sahen mich die Herrschaften an. „Dorothee, du bleibst bitte noch hier", die anderen Mägde waren gegangen, aber nicht ohne noch einen verwunderten Blick auf mich zu werfen.
Ich stellte mich vor die Herrschaften und blieb mit gesenktem Kopf stehen. Was sie wohl von mir wollten? „Am Abend erwarten wir Besuch und dieser möchte dich gerne sehen. Der Herr ist von hohem Rang und denkt darüber nach, dich zu kaufen. Du wirst am Abend wohl unser Haus verlassen. Ich hoffe du machst uns keine Schande!", die Herrschaften lächelten mich aufmunternd an und verließen dann das Zimmer. Und ließen mich mit so vielen Fragen zurück. Wer wohl gerade mich kaufen wollte? Sie sagten der Herr sei von hohem Rang. Wie dieser Mann wohl war?
„Ich will nicht, dass du gehst, aber es muss wohl so sein. Du warst mir immer die liebste von allen. Aber wir werden uns vielleicht wiedersehen. Mein Vater fragte den Herrn, der uns am Abend Gesellschaft leisten wird, ob ich bei ihm die Ausbildung zu einem feinen Herrn machen darf. Ist das nicht wunderbar?", er strahlte mich an und umarmte mich plötzlich stürmisch. Ich war total verwirrt. Was hatte Sammael mit ihm gemacht?
In der Zeit, in der ich hier gedient hatte, hatte er immer nur verächtliche Blicke für mich übrig gehabt und holte mich immer als letztes und nur ganz kurz zu sich. Sammael musste ihn wirklich verzaubert haben. Anders war das alles nicht zu erklären. „Sabine wird dir helfen, das Kleid dort anzuziehen, damit du gut genug für den Herrn aussiehst. Ich weiß, dass du wunderbar aussehen wirst!", kurz verbeugte er sich unauffällig und ging dann. Was war mit ihm los?

Kurze Zeit später trat Sabine in das Zimmer. Noch immer stand ich an derselben Stelle. Wer war dieser Sammael wirklich?
„Warum du, Dorothee? Warum? Du hast immer am wenigsten gearbeitet und der Sohn des Herrn hat dich auch immer nur selten und ganz kurz zu sich geholt. Wieso?", sie hatte immer schneller gesprochen und man konnte deutlich die Wut in ihrem Gesicht ablesen. Ich wusste es ja selbst nicht. Sabine verließ kurz den Raum und kam mit einem Waschzuber zurück. Sie stellte ihn direkt vor mir ab.
Verwundert sah ich sie an. Sie seufzte und begann mein Kleid zu öffnen, von dem nicht mehr viel übrig war. Ich trug dieses Kleid nun schon seit einem Jahr und durch die harte Arbeit war es zerrissen. „Setz dich da rein! Ich will ja nicht ewig brauchen!", noch einmal seufzte sie frustriert auf, ehe sie mich in die Richtung des Badezubers drängte.
Vorsichtig stieg ich den Zuber und entspannte mich sofort bei dem Gefühl des warmen Wassers auf meiner rauen Haut. Wie lange hatte ich schon nicht mehr gebadet. Das Wasser war angenehm warm, doch lange konnte ich diesen stillen Moment nicht genießen, denn schon fing Sabine an, meinen Rücken und den Rest meines Körpers zu waschen.
„Wieso du? Wieso nicht ich? Ich hätte es verdient. Ich bin seit vierzehn Lenzen hier. Und du? Mickrige vier! Was habe ich falsch gemacht?", Sabine kam aus dem Schimpfen gar nicht mehr heraus. Glaubte sie wirklich ich tat das hier freiwillig? Ich wollte doch gar nicht von hier weg! Und woher sollte ich wissen, was der Sohn des Herren auf einmal veranlasste mich zu mögen? Ich konnte doch nichts dafür!
„Sabine, was soll ich denn dazu sagen? Ich will hier doch gar nicht weg!" Sabine ließ ein sehr unschönes Schnauben verlauten und bedeutete mir dann aus dem Zuber zu gehen, damit sie meinen Körper trocknen konnte. Später steckte sie mich in ein sehr feines Kleid. Es war aus roter Seide und der Mode entsprechend angefertigt. Wieso gaben die Herrschaften so viel Geld für mich aus? Der Besuch musste wirklich von hohem Rang sein, denn sonst müsste nicht das ganze Haus glänzen. Sabine begann meine Haare zu richten. Sie kämmte sie, was ich sehr genoss. Schon als Kind mochte ich es sehr, wenn mein Vater mir mit dem Kamm durch die Haare fuhr. Es war, als würden tausend kleine Arme über meinen Kopf streichen. Am Ende steckte mir Sabine die Haare nach oben, so wie es die Herrin immer trug. Jetzt sah, bis auf die Ringe unter meinen Augen, aus wie eine Adlige. Was der Besuch wohl mit einer Magd wollte?

Ich zuckte kurz zusammen, als es an der Tür klopfte und der Sohn des Herren eintrat. „Endlich bist du fertig. Der Besuch ist schon eingetroffen. Wir wollen bald zu Abend essen. Darf ich bitten?", einladend und mit einem breiten Lächeln im Gesicht, hielt er mir den Arm hin. Zögerlich ergriff ich ihn und ließ mich von ihm nach unten führen.
Kurz bevor wir den Speisesaal betraten, stoppte er und sah mir in die Augen. „Dorothee. Ich hoffe du vergisst mich nicht und wir sehen uns bald wieder!", langsam beugte er sich zu mir herunter. Was sollte ich tun? Ich wollte nicht von ihm geküsst werden. Er hatte den anderen so viel angetan und jetzt tat er so, als liebte er mich? Plötzlich spürte ich seine Lippen auf meinen. Sie waren weich, doch nicht so weich wie Sammaels. Sammaels Lippen waren zärtlicher gewesen. Er war nicht so aufdringlich gewesen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit drehte ich meinen Kopf leicht auf die Seite. So sollte mein Leben hier nicht enden. „Was hast du denn, Dorothee? Hast du etwa unsere letzte Nacht vergessen?", ich hörte leichte Panik und Tränen in seiner Stimme. Was hatte Sammael getan? Der Sohn des Herren liebte mich!
„Ich weiß noch nicht einmal Ihren Namen! Und was war letzte Nacht? Ich kann mich nicht mehr erinnern", ich wollte ihn nicht kränken, aber ich wusste nicht, was ich sonst hätte sagen können, um ihn von mir abzubringen. Gekränkt schaute er mich an. „Gestern habe ich dir meinen Namen verraten. Ich heiße Daniel. Daniel, hörst du? Willst du etwa unsere Liebe leugnen?", Tränen standen in seinen Augen. Was sollte ich ihm sagen? Dass ich ihn nicht liebte? Dass ich ihn verachtete? Die Entscheidung wurde mir abgenommen, indem die Herrin hinter Daniel trat.
„Wollt ihr nicht in den Speisesaal gehen? Wir wollen doch unseren Gast nicht warten lassen!", sie lächelte uns an, schüttelte dann den Kopf und ging uns voraus in den Speisesaal. Nicht ohne noch einen letzten Blick auf mich zu werfen, ging Daniel zu seiner Mutter und ich folgte ihm schüchtern.

Niemand hatte mir gesagt, was mich erwarten würde. Ich hob den Blick nicht, bis ich bei meinem Platz angekommen war. Leider saß ich gegenüber unseres Gastes und somit ließ es sich nicht vermeiden, dass ich ihn ansehen musste. Doch als ich den Kopf hob, traf mich der Schlag.
Dort saß doch tatsächlich Sammael! Als hätte er meine Freude gespürt, sah auch er auf. Verschmitzt lächelte er mich an. „Das hast du wohl nicht erwartet, oder meine Dorothee?", hatte ich das gerade in meinem Kopf gehört? Verwirrt blickte ich in Richtung meiner Stirn. Gegenüber von mir konnte ich ein leises, dunkles Lachen hören. Böse blickte ich Sammael an. Fand er das etwa lustig? Als hätte er meine Gedanken gehört, musste er jetzt lauter lachen. Verwundert blickte Daniel ihn an und legte dann gebieterisch seine Hand auf die meine. Er wollte Sammael beweisen, dass ich ihm gehörte. Was bildete dieser Kerl sich eigentlich ein? Ich liebte ihn nicht, verdammt noch mal!

Geschichte einer HexeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt