Teil 8

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In der Nacht war ich wach. Im Schlaf quälten mich Bilder von Daniel, als er bestraft wurde. Und ich war an all dem schuld. Wäre ich doch niemals mit Sammael gegangen. Von unten drängen gedämpfte Geräusche des Personals nach oben. Das Fest war vorbei gewesen, als Sammael wieder in die Burg kam. Wo Daniel war wusste ich nicht, wahrscheinlich im Verließ. Er hatte in Sammaels Augen ein Verbrechen begangen. Und ich ebenso. Wo blieb meine Strafe? Ich starrte auf das Dach über meinem Himmelbett. Es bestand aus feinster Seide. Sammael lebte im Überfluss und die Bewohner des Dorfes und der Burg hatten nicht genug zu essen. Was für ein grauenvoller Mensch Sammael sein musste. Was er sich wohl bei all dem dachte?

Ich musste eingeschlafen sein, denn ich erwachte, als meine Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde, dann hörte ich den Schlüssel im Schloss. Wurde ich jetzt schon weggesperrt? Doch dann hörte ich Schritte, die in Richtung des Bettes kamen, dann sank auf meiner rechten Seite die Matratze nach unten. Wer das wohl war? Wollte mich Sammael bestrafen, indem er mich verkaufte? „Jetzt bekommst du deine Strafe, aber sie wird länger und schlimmer sein als die deines Geliebten", ich hörte Sammaels dunkles Lachen direkt neben meinem Ohr. Oh nein, ich wollte das nicht! In was hatte ich mich da nur hineinbegeben.
„Du entkommst mir nicht", er lachte mir ins Ohr und legte sich dann auf mich. Er küsste mich und ich schaltete mein Gehirn aus. Ich wollte das nicht mitbekommen. Wenn ich nicht daran dachte, wäre es auch schneller vorbei. Ich lag nur da und ließ Sammael gewähren. Sollte er doch haben was er wollte.

Am nächsten Morgen wachte ich mit Schmerzen auf. Sammael hatte mich misshandelt und hatte dabei auf alles zurückgegriffen, was es gab. Er wollte mich leiden lassen. Aber viel schlimmer als die Schmerzen, war die Ungewissheit, was er mit Daniel gemacht hatte. Daniel. Hätte ich mich doch schon vorher für ihn entschieden, dann wäre uns das alles erspart geblieben.
Aber würde er mich lieben, wenn ich nicht zu Sammael gegangen wäre? Sammale hatte ihn dazu gebracht mich zu lieben und erst dann hatte er es bemerkt. Ob seine Liebe jetzt echt war oder ob Sammael wieder seine Finger im Spiel hatte? Vielleicht hatte er bemerkt, dass Daniel nicht zu kontrollieren war und auch seine eigenen Wege gehen konnte?
Ich überlegte, was ich wusste. Sammael war ein Magier, so viel stand fest. Aber war er auch ein Mensch? Was war, wenn ich mit übersinnlichen Dingen in Kontakt geraten war? Wenn ich bald als Hexe würde verurteilt werden? Die anderen Mägde aus meinem alten Haus, könnten schon längst die Inquisition benachrichtigt haben und diese würde mich dann bald finden. Weiter wusste ich, dass ich nur Daniel liebte und er mich anscheinend auch, wenn diese Liebe echt war. Und: ich saß in diesem Zimmer fest und Sammael konnte kommen und nehmen wann und was immer er wollte. Ich war ihm völlig ausgeliefert.

Ich stand auf und ging zu meinem Schrank. Ich würde mich erst einmal anziehen und waschen und dann konnte ich immer noch weitersehen. Ich nahm mir ein unauffälliges Kleid heraus und ging dann zum Waschzuber.
Ich blickte in den Spiegel, von wo aus mir ein riesiger Bluterguss zuwinkte, der über meine gesamte Wange verlief. Sollte ich etwa so am Essen teilnehmen, an dem auch Gäste teilnahmen? Vorsichtig wusch ich mein Gesicht und ging dann zum Fenster. Vielleicht konnte ich hinausrufen? Doch meine Hoffnung schwand schnell wieder, mein Fenster war verschlossen. Sammael hatte an alles gedacht. Ich war von ihm abhängig. Bis zur Hochzeit und auch danach, denn dann hatte ich meine Aufgaben als Ehefrau und Herrin der Burg zu erfüllen.

Ich ging zur Tür, auch sie war verschlossen. „Ich will hier raus!", ich wollte eigentlich nicht rufen und doch fing an zu schreien und schlug gegen die Tür. Irgendwann musste doch jemand kommen und mich hören. Ich schlug solange gegen die Holztür, bis meine Fäuste wund waren und bluteten. Niemand hatte mich gehört und würde mich hören.
Mir war klar geworden, dass Sammael die Tür verhext haben musste, damit man mich nicht hörte. Ich konnte nicht mehr leugnen, dass er ein Magier war. Und würde als Hexe sterben, wenn jemand das herausfand, weil ich ihn heiraten würde. Mein Ende war somit besiegelt.
„Sammael, bitte lass mich heraus!", ich flüsterte die Worte nur und hoffte, dass sie ihn irgendwie erreichen würden. Ich würde noch verrückt werden in diesem Zimmer. Aus Angst um Daniel und aus Angst vor einem weiteren Übergriff Sammaels. Hinter mir hörte ich Schritte auf dem Flur und spürte, wie die Tür geöffnet wurde. Ich saß direkt davor. Über mir hört ich leise Flüche und plötzlich wurde ich an die gegenüberliegende Wand geschleudert und sank dort auf dem Boden zusammen.
„Du wolltest doch heraus. Wenn du weiter so herumliegst, schließe ich die Tür sofort wieder!", Sammaels Stimme nahm einen gereizteren Ton an. So schnell wie ich konnte stand ich auf ging in Richtung Tür.
Sammaels Arm hielt mich auf. „Ist das etwa die Begrüßung für deinen Verlobten?", Sammael sprach leise, was seinem herausfordernden Ton keinen Abbruch tat. Ich drehte mich zu ihm und sah ihm in die Augen. „War das gestern etwa die Behandlung für deine Verlobte?", meine Stimme troff vor Sarkasmus. „Ich will die Verlobung auflösen. Ich verabscheue dich, Sammael!", herausfordernd starrte ich ihn an. Erst lachte er leise, dann wurde er immer lauter. „DU glaubst, du könntest die Verlobung auflösen? Glaubst du, ich bin nur gekommen, weil du mich gerufen hast? Ich musste dich abholen, um dich für die Zeremonie vorbereiten zu lassen. Wir heiraten in wenigen Stunden!", er lächelte mich an. Doch wenn Blicke töten könnten, würde ich jetzt am Boden liegen und meinen letzten Atemzug tun.
Entsetzt sah ich ihn an. „Aber... Ich dachte..", Sammael blickte mich an, als würde er mit einem kleinen Kind sprechen, dass nicht verstand, wieso es arbeiten musste. „Das ist es. Du hast gedacht. Ich bestimme hier und du bist nur da, um hübsch auszusehen und meine Dienste zu erfüllen. Das ist deine Aufgabe, dabei denkst du nicht und bestimmt auch nicht. Überlasse das mal mir!", er lachte und zog mich an meinem Arm aus dem Zimmer. Er führte mich durch die dunkelsten Gänge der Burg, immer weiter nach unten. Es wurde immer kälter und nur noch selten beleuchtete eine Fackel uns den Weg. Wollte er mich etwa in ein Verließ stecken und hatte das gerade eben nur erfunden?
Vor mir hörte ich ein Schnauben. „Hör auf meine Gedanken auszuspionieren!", wütend stampfte ich mit dem Fuß auf. Meine Gedanken waren das letzte was mir geblieben war. Sonst gehörten ihm ja schon alles, außer mein Herz. Plötzlich blieb Sammael stehen und ich lief gegen seinen Rücken. Wieder schnaubte er, dann hörte ich ein Quietschen und wurde in ein Verließ geschoben.
„Du hast eine halbe Stunde. Dann wirst du alles tun, was ich dir sage. Verstanden?", ich antwortete ihm nicht. Meine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit und eine kleine Fackel erleuchtete das kleine Verließ, in dem ich gelandet war. In einer Ecke saß eine Gestalt kraftlos zusammengesunken. Ich ging langsam auf sie zu und erkannte, dass es Daniel war.
„Daniel! Daniel!", ich rannte das letzte Stück zu ihm und warf mich in seine ausgebreiteten Arme. Er umarmte mich fest und lange. Ich sah ihm ins Gesicht und sah, dass er weinte. Auch mir liefen die Tränen über die Wangen. Ich war hierher gebracht worden, damit wir beide unser Leben lang leiden konnten. „Dorothee. Ich liebe dich. Vergiss das nie. Egal was da oben passieren wird. Ich warte auf dich!", Daniel küsste mich. Ich versank in diesem Kuss und wünschte er würde ewig dauern und ich müsste nicht in ein paar Stunden dort oben jemand anderen heiraten. Jemanden den ich nie würde lieben können, weil er meinem Herzen wehgetan hatte.
„Ich werde dich nicht vergessen ... Aber was passiert jetzt mit dir? Was hat Sammael mit dir vor?", ich bemerkte nicht, dass ich den falschen Namen in Daniels Gegenwart benutze. Es war mir auch reichlich egal. „Ich weiß es nicht, mein Herz. Ich weiß es nicht ... Aber wer ist Sammael? Redest du etwa von Maximilian?", er sprach langsam und sah verwirrt aus. Ich begriff nicht, was dieser Name für mich bedeutete. Was er anrichten würde.
„Dorothee, weißt du denn nicht, was Sammael heißt? Weißt du nicht, was das anrichten kann?", Daniel fing an mich zu schütteln und seine Hände umfassten meine Oberarme immer fester. Ich konnte nur den Kopf schütteln, meine stille Verneinung. Ich brachte kein Wort heraus, während mir bewusst wurde, in was ich da hineingeraten war.
„Dorothee. Sammael ist ein Name für den Teufel! Du musst versuchen hier wegzukommen, sonst wirst du noch als Teufelsbuhlerin angeklagt. Das bedeutet für dich den sicheren Tod!", Daniels Blick ging hektisch hin und her. Er hatte recht, ich musste versuchen zu fliehen, sonst war mir der Tod sicher. Aber vielleicht hatte Daniel nur Wahnvorstellungen, was durchaus möglich war in dieser Zelle. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich mich auf den Teufel eingelassen hatte. Konnte der Teufel eine menschliche Gestalt annehmen und dabei so charmant sein, dass er jeden täuschte? Daniel hatte diese Erkenntnis erst nachdem ich ihm den wahren Namen Maximilians von Stein verraten hatte. Er wäre nie selbst darauf gekommen.
Ich war keine Teufelsbuhlerin! Ich würde nicht sterben, zumindest nicht durch die Hand der Inquisition. Nicht während der Folter oder auf dem Scheiterhaufen. Ich würde weiterleben.
„Daniel. Ich denke du verfällst dem Wahnsinn in dieser Zelle. Wenn du wieder nach oben, in die Sonne darfst, dann denkst du bestimmt anders!", ich versuchte ihn zu beruhigen. Seinen irren Blick zu vertreiben. Ich strich ihm über seinen Bart, der in dieser kurzen Zeit schnell gewachsen war. „Vielleicht hast du recht. Ich werde noch wahnsinnig", er lächelte mich an. Sein irrer Blick verschwand und an seine Stelle trat ein Blick voller Liebe. Vor der Zelle hörte ich Schritte. Sammael. Schnell gab ich Daniel noch einmal einen letzten Kuss, dann zerrte mich Sammael aus der Zelle. „Ich liebe dich! Vergiss das nie!", die letzten Worte die ich von Daniel hörte, brannten sich mir ins Herz. Nie würde ich sie vergessen. „Für immer", ich murmelte meine Antwort nur, doch ich wusste, dass Daniel sie gehört hatte. Er würde mich nicht vergessen. Niemals.


Geschichte einer HexeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt