Doch war es wahr, was er mir gerade zeigte? Konnte ich ihm vertrauen? Was wenn er mir das alles vorspielte? Ich würde dastehen wie eine dumme Gans. Genauso wie es sich die anderen Mägde doch gerade wünschten.
Wir fuhren die gesamte Nacht hindurch, doch Sammael und ich wechselten kein Wort mehr. Ich konnte mir nicht sicher sein, ob er wirklich so war, wie ich es glaubte. Wenn er ein Magier war und mich genauso verzaubert hatte wie Daniel. Ich wusste nicht, was ich in diesem Fall machen würde. Ich hätte dann nichts mehr. Dann wäre ich wieder auf der Straße.
Wie es Daniel gerade wohl ging? Ob er mit mir gehen würde, wenn Sammael doch nur log? Ob er mich dann immer noch lieben würde? Was wenn Sammael mir einfach nur alles nehmen wollte? Vielleicht war er doch nur der Teufel und brachte Unglück über mich.
„Denke nicht, dass ich so bin. So war ich nie und bin es nicht", nach langer Zeit sagte er wieder ein Wort. Anscheinend hatte auch er seinen Gedanken nachgehangen. Aber wie schaffte er es meine Gedanken zu hören? Ob er mir irgendwann meine Fragen beantworten würde?
„Wenn du wüsstest Dorothee. Ich wollte das alles ja nicht", seine Stimme wurde immer leiser. Was war wohl mit ihm geschehen? Seine traurigen Augen hielten mich gefangen. Zwangen mich ihn anzusehen. Ich wollte ihn verstehen. Aber konnte ich? Würde er mir alles erzählen?
„Dorothee", seine Stimme brach. Er hob langsam seine Hand und wollte mir über die Wange streichen. Ich wich zurück. Wollte ich das wirklich? Ich wusste nicht mehr was ich fühlen sollte. War ich ihm verfallen oder hasste ich ihn? Schmerz blitzte in seinen Augen auf. Ich hatte ihn offenbar mit meiner Reaktion verletzt. Er drehte sich zum Fenster und starrte auf den schwarzen, schweren Vorhang. Genauso wie er es nach dem Kuss getan hatte. Nie hatte er auch nur kurz aufgeschaut. Er tat mir so unglaublich leid. Ich wollte nicht, dass er litt wegen mir.
„Es tut mir leid. Ich weiß einfach nur nicht, was ich tun soll", ich rutschte ein Stück zu ihm. Was er wohl tun würde? Langsam hob ich die Hand und drehte sein Gesicht zu mir. Ich wollte ihm in die Augen sehen. In seine wunderschönen, dunklen Augen.
„Es tut mir wirklich leid. Ich wollte dich nicht verletzen. Ich bin einfach nur verwirrt. Du bist so einfühlsam und trotzdem möchtest du mir keine Antworten auf meine Fragen liefern. Ich wusste einfach nicht, ob ich lieber dich oder Antworten möchte. Bitte verzeih!", ich blickte ihn bittend in die Augen. Eine erste Träne stahl sich aus meinen Augen. Ich wusste, ich war ihm verfallen, egal ob ich Antworten bekam oder nicht.
Überrascht sah Sammael mir in die Augen. Weitere Tränen stahlen sich aus meinen Augen. Von was war ich verletzt? Von mir selbst oder davon, dass er keine Reaktion zeigte? Sammael sah auf meine Tränen und küsste die nächste weg. Dort wo seine Lippen meine Haut berührten, brannte sie. Augenblicklich begann ein Chaos in meinem Magen. Es fühlte sich so wunderschön an, fast als würde ich fliegen. Als Sammael langsam seine Lippen auf meine senkte, war es vollends um mich geschehen. Mein Magen rebellierte, meine Lippen brannte und ich konnte nicht mehr klar denken. Wieder katapultierte er mich in eine andere Welt. Ob sich so die Liebe anfühlte?
Sammael lächelte, noch immer die Lippen auf den meinen. Langsam löste er sich von mir, sah mir danach liebevoll in die Augen. „So fühlt sich Liebe an", er lächelte mich an und küsste mich noch einmal, so dass ich alles um mich herum vergaß. Die holprige Fahrt in der Kutsche, die aufgehende Sonne hinter den schwarzen Vorhängen, Daniel, ja sogar meine Fragen. Das erste Mal seit langem war ich wieder glücklich.Sammael beugte sich über mich hinweg und schob den schwarzen Vorhang zur Seite. „Dort werden wir ab jetzt wohnen!", mit Stolz in den Augen sah er mich an. Auf einem kleinen Berg stand eine riesige Burg. Das Haus meiner alten Herrschaften war nichts gegen dieses Gemäuer. Wer wohl dort alles wohnte?
Ich hatte so viele Fragen an Sammael, aber eine ließ mich seit dem Essen mit den Herrschaften nicht los. Welche Stellung sollte ich wohl bei Sammael einnehmen?
„Keine Angst. Es ist nichts Schlimmes. Du wirst es schon sehr bald sehen. Aber um eines muss ich dich bitten: Du musst mich gegenüber den anderen Maximilian nennen. Sie kennen meinen wahren Namen nicht", flehend sah er mich an. Seine dunklen Augen leuchteten vor Liebe, doch ein Schatten von Angst und Schmerz lag darüber. Ich konnte nur betäubt nicken. Was es wohl mit den zwei Namen auf sich hatte?Sammael öffnete mir die Tür und half mir aus der Kutsche. Ich war schon allein von dem riesigen Burghof überwältigt. Wie konnte sich Sammael das alles nur leisten?
„Willkommen in deinem neuen Heim!", stolz blickte Sammael mich an und legte einen Arm um meine Taille. Gerade als ich Sammael küssen wollte, kam Daniel zu uns. Schnell senkte ich den Blick und lief rot an. Mein Kopf musste aussehen wie eine riesige Tomate.
„Hattest du eine schöne Fahrt?", ich bemerkte sofort, dass Daniel absichtlich nur mich ansprach. Ihm gefiel es nicht, dass ich mit Sammael schon so vertraut war. Er wollte mich für sich. Ich nickte und hielt den Blick dabei gesenkt, Daniel sah erst mich und dann Sammael misstrauisch an. Dann hörte ich, wie er davonging. Kannte er die Burg oder war er gerade dabei sich zu verlaufen? Überrascht sah ich auf.
„Er verläuft sich schon nicht. Keine Angst, dafür sorge ich. Aber jetzt werde ich dir erst die Burg zeigen. Sonst verläufst du dich am Ende noch!", er lachte und gab mir einen Kuss. Sofort begann wieder das Chaos in meiner Magengegend. Glücklich ließ ich mich von Sammael in die Burg ziehen. Was mich wohl erwarten würde?
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Geschichte einer Hexe
Historical FictionDorothee ist eine gewöhnliche Magd, doch sieht sie Dinge, die andere nicht sehen. Eines Abends besucht sie ein mysteriöser Unbekannter und sie hat keine Ahnung, dass er sie in ihr Unglück treiben wird. Dies ist eine Geschichte über eine der bekan...