Teil 7

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„Ich gebe hiermit meine Verlobung mit der bezaubernden Dorothee Elisabeth Tretschlaff bekannt! Wir werden nächsten Monat heiraten!", lächelnd schaute er auf mich herab und küsste meinen Scheitel. Ich lief pupurrot an. Jeder anwesende Gast schaute auf uns und beglückwünschte uns.
Was sie wohl von mir dachten? Ob manche der anwesenden Frauen Mordgedanken gegen mich hegten? Immerhin hatte ich ihnen den begehrtesten Junggesellen weggeschnappt.
Ich lächelte vor mich hin. Ich war die glücklichste Frau im ganzen Saal. Was wohl mein Vater zu all dem sagen würde? Wäre er stolz auf mich, wäre er glücklich? Was sollte ich nur ohne ihn tun? Er war mein Fels gewesen, mein Beschützer. Der Einzige der mich verstanden hatte. Und jetzt war ich allein. Ob Sammael wohl jemals so jemand werden würde? Mein Beschützer, mein ewiger Fels in der Brandung? Immerhin war ich erst fünfzehn. Ich war noch ein Kind. Nichts Besonderes.
„Alles gut, Dorothee?", besorgt schaute Sammael auf mich herab. Wie lange hatte ich wohl träumend dagestanden? „Ja Sa.., Maximilian. Mir geht es gut", ich lächelte zurück und gab ihm schelmisch einen Kuss auf die Wange. Ich konnte förmlich die hasserfüllten Blicke aller anwesenden Damen spüren. Aus Prinzip gab ich ihm noch einen Kuss, aber diesmal auf den Mund.
Ich hörte leises Gemurmel hinter und über mir das leise Lachen Sammaels. „Du Biest. Die armen Damen im Saal sind kurz vor einer Ohnmacht! Wie konntest du nur?", Sammael beugte sich zu mir herunter und küsste mich noch einmal. Ich lachte und drückte mich gegen ihn. Jetzt konnte das rauschende Fest endlich beginnen. Alle geladenen Gäste tanzten, aßen und freuten sich mit uns. Sammael und ich gingen herum und nahmen von überall Glückwünsche entgegen.

„Dorothee Elisabeth Tretschlaff. So sehen wir uns wieder", ich drehte mich zu der mir nur allzu bekannten Stimme um. Daniel.
„Daniel. Du bist ja auch hier. Dankeschön, dass du gekommen bist!", ich wollte ihn gerade umarmen, als er einen Schritt zurücktrat. Verwirrt blickte ich erst ihn und Sammael an, die sich unverwandt anschauten. Was war denn auf einmal in Daniel gefahren? Vor ein paar Tagen war er noch so liebevoll gewesen und jetzt war er so. Natürlich war ich jetzt verlobt und das nicht mit ihm, aber wir wollten doch Freunde bleiben, oder? Hatte ich mir das alles nur eingebildet?
„Ich wünsche euch alles Gute, aber falls du es dir vor der Hochzeit noch anders überlegen solltest; ich bin da. Auch danach!", Daniel blickte mir in die Augen, ich sah darin Liebe und Schmerz. Was hatte ich nur getan? Ich hatte dem einzigen Menschen, der mich außer Sammael mochte, wehgetan. Ließ ihn leiden. Und das für immer.
„Daniel...", ich wollte etwas sagen. Etwas sagen, dass sein Leid verschwinden ließ. Aber es gab nichts. Er lächelte mich an, die Tränen glitzerten in seinen Augen. Ich hatte ihn verloren; den einzigen Menschen, der mein Freund hätte sein können. Und das nur durch eine Verlobung. Konnte ich mein restliches Leben mit dieser Schuld verbringen? Sammael nahm mein Gesicht in seine Hände und schaute mich an.
„Gehen wir weiter. Die anderen Gäste warten!", er wollte mich gerade mit sich ziehen, als ich meine Hand bestimmt aus seiner nahm. So ging das nicht. „Ich muss zu ihm. Er ist einer der wenigen Menschen mit dem ich eine Freundschaft haben könnte. Mein Tor zur Welt. Du musst das verstehen", ich blickte ihn bittend an und sah in seinem Gesicht die verschiedenen Gefühle aufblitzen: Liebe, Verständnis, Hass, Angst, Trauer, Stolz und Abscheu. Er ließ mich los und gab mir einen Kuss auf den Scheitel. Ich hörte ihn noch leise Worte murmeln als ich mich umdrehte, dann eilte ich aus dem Saal. Ich musste Daniel finden. Ihm alles erklären. Meine Gründe. Dass ich diese Hochzeit wollte und doch eine andere. Meine Gefühle für Sammael. Meine Gefühle für ihn. Er musste es verstehen. Ich konnte ihn nicht verlieren. Mein Herz würde entzwei brechen und noch nicht einmal Sammael könnte es wieder flicken. Niemals wäre ich eins.

Ich eilte durch die riesigen Gänge der Burg und schließlich kam ich auf dem Hof an. Wo war Daniel bloß? Ich ging die verschiedenen Häuser ab: Küche, Brauerei, Dienstbotenscheune und Pferdestall. Vielleicht wollte er zu den Pferden und weggehen? Wollte er mich allein lassen? Nach all dem, was ich getan hatte, war es ihm nicht zu verdenken.
„Daniel?", leise und bittend rief ich seinen Namen immer wieder, während ich im Pferdestall verschwand. „Daniel!", meine Rufe wurden immer lauter und verzweifelter. Wenn ich ihn nicht fand, könnte ich Sammael dann heiraten? Ich war mir nicht sicher, als plötzlich aus einer der Boxen ein Arm kam und mich hineinzog. Ehe ich mich versah, stand ich dicht gedrängt an Daniel.
„Daniel. Ich..", ich fand keine Worte um mich zu erklären. Nichts würde seinen Schmerz aufheben. „Du musst nichts sagen. Ich verstehe es. Er hat dich verzaubert und du kannst sein wahres Gesicht nicht sehen. Ich werde immer für dich da sein, egal was passiert. Alles wird gut!", er sah mir unverwandt in die Augen und streichelte mein Gesicht. Diese Berührung hatte etwas Liebevolles, was ich bei Sammael nie gespürt hatte. Daniel liebte mich aus vollem Herzen. Und Sammael? War ich für ihn wirklich die Geliebte oder nur eine Schachfigur?
Ich sah Daniel an und strich über seine leichten Bartstoppeln. Etwas zog mich zu ihm. Ich spürte, dass nicht Sammael meine verwandte Seele war, sondern Daniel. Vielleicht liebte er mich wirklich und nicht nur weil Sammael ihn verhext hatte. Ich drängte mich näher an ihn, ich wollte nicht, dass dieser Moment vorbeiging. Langsam beugte er sich zu mir herab, um meine Zustimmung abzuwarten. Ich sah ihn an und stellte mich auf meine Zehenspitzen, um meine Lippen auf seine zu legen.
Es war mehr als ich erwartet hatte. Ein Feuerwerk, ähnlich wie bei Sammael und doch unendlich vertrauter und zärtlicher. Daniel drängte mich zu nichts und ich genoss es in seinen Armen zu sein. Draußen hörten wir schwere Schritte, die zielstrebig auf den Stall zukamen. Ein letztes Mal drückte ich meine Lippen auf Daniels und blickte in seine Augen. Ich wusste nicht, wann ich ihn das nächste Mal so treffen würde. Vielleicht würde ich dann eine verheiratete Frau sein. Für immer.
„Ich liebe dich", Daniel blickte mir in die Augen und küsste meinen Handrücken. Es war mir nicht peinlich wie bei den geladenen Gästen auf dem Fest; es war, als wäre es etwas Alltägliches. „Ich liebe dich auch. Für immer", ein letztes Mal blickte ich ihn an und verschwand dann. Ich ging an den Pferden vorbei. Die Tränen rannen mir über das Gesicht. Nie wieder würde ich ganz sein. Nie wieder wäre ich glücklich.

Draußen, vor dem Pferdestall, kam mir Sammael entgegen. Sein Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. Ich konnte darin nur unbändige Wut lesen, die er gleich an mir auslassen würde.
„Dummes Miststück!", er schlug mich mit der flachen Hand ins Gesicht. So stark, dass ich auf den Boden fiel. Ich blieb liegen, um ihn nicht mehr zu verärgern und weinte still in mich hinein. Doch auch diese kleine Tat schien ihn noch mehr zu verärgern.
„Steh auf!", er riss mich am Kleid in die Höhe und funkelte mich wild an. „Das wirst du büßen und dein geliebter Daniel auch!", Daniels Namen spie er förmlich aus. Ich wusste, dass er ihn verabscheute, ohne dass ich ihm in die Augen blickte. „Geh in dein Zimmer. Ich will dich aus den Augen haben!", Sammael warf mich auf den Boden und als ich einfach liegen blieb, versetzte er mir noch einen Tritt.
Langsam rappelte ich mich auf und ging in die Burg zurück. Ich hatte keinen Ton von mir gegeben, als er mich schlug oder trat, aber als ich den gequälten Schrei Daniels hörte, schrie ich auf und rannte in Richtung Burghof zurück. Ich konnte Daniel nicht allein lassen. Auf der Treppe blieb ich unschlüssig stehen, ich sah wie Sammael Daniel auspeitschte und dieser gequält schrie, aber ich wusste, wenn ich jetzt zu ihm ging, wir beide nur härter bestraft würden. Bei einem besonders harten Schlag der Peitsche schrie ich auf und sah, dass Daniel mich erblickt hatte.
Er schrie nicht mehr, weinte nur. Still gab ich ihm ein Versprechen, nur ihn zu lieben. Mir selbst versprach ich, die Hochzeit mit Sammael zu verhindern. Irgendwann könnte ich mit Daniel zusammen sein. Irgendwann. Wie ein Wasserfall bahnten die Tränen sich einen Weg über mein Gesicht. Ich sah nichts mehr außer Daniel und seinen eigenen Tränen. Nie würde ich dieses Bild vergessen, ich schwor mir, Daniel zu rächen und Sammael für das hier büßen zu lassen. Leise formte ich die Worte: „Ich liebe dich!", und verschwand dann in der Burg. Niemand könnte mich je wieder zusammenflicken. Ich war für immer in Teile zersprungen. Mit jedem Schlag der Peitsche auf Daniels Rücken.

Geschichte einer HexeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt