Teil 12

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Vor dem Abendessen kam eine Magd herein und half mir mich anzukleiden. Kurz nachdem sie ihr Meisterwerk beendet hatte und ich wieder passabel aussah, kam Sammael herein und führte mich, wie zum Frühstück, in den großen Saal. Ich bemerkte die veränderte Stimmung: die Männer zeigten ihr Verlangen nach mir jetzt nicht mehr so offen und Sammael wirkte entspannter, als wäre er sich sicher, dass ich nicht weglaufen würde und er mich nicht bestrafen müsste. Auch ich war entspannt, doch als ich meinen Blick über die Männer schweifen ließ, verkrampften sich meine Schultern unwillkürlich. Würde er hier sein? Würde Sammael mir das antun und Daniel hierher bringen? Noch einmal würde ich das nicht ertragen. Konnte ich ein Leben mit ihm in der Nähe führen? Würde ich meine Aufgaben noch erfüllen können? „Sei unbesorgt, Liebste. Er ist nicht hier, ich wollte dir ein wenig Ruhe gönnen", Sammaels Stimme in meinem Kopf war leise, fast hätte ich sie nicht bemerkt. Und doch, die leichte Nervosität in seiner Stimme war nicht zu leugnen. Bevor er mich auf meinen Platz setzte, küsste Sammael meinen Scheitel. Kein Kommentar, kein Gemurmel. Was war bloß in die Männer geraten? Hatten sie den Teufel gesehen? Die Ironie meiner Gedanken ließ mich schmunzeln. War das denn so abwegig? „Über was erfreust du dich, Liebste?", auch Sammael schmunzelte. „Du weißt es doch. Was weißt du nicht?", resignierend ließ ich meine Arme auf meine Beine fallen. Er lachte über mich und zog mich zu sich heran. Flüchtig küsste er meine Wange und stand dann auf. Ich blickte auf seine Gestalt und sah ihn das erste Mal richtig: Eigentlich war Sammael all das, was man sich als Frau nur wünschen konnte. Zumindest äußerlich. Er war groß, stattlich und muskulös. Er sah aus wie ein Ritter, keine andere Frau hätte ihn gehen lassen. Jede Frau würde neidisch auf mich sein. War es wohl das, die Erscheinung Sammaels, die mich letztendlich in den Tod bringen würde?

„Meine Freunde! Morgen werde ich ein Fest für meine wunderschöne Ehefrau geben und ich lade euch alle ein. Eduard und ...", ab jetzt hörte ich nicht mehr genau zu. Schon wieder ein Fest? Für mich? Was gab es denn zu feiern? Wusste ich etwas nicht; feierte man die Braut mit noch einem Fest? Was hatte ich verpasst? „Keine Sorge. Du weißt fast alles, aber den Anlass für das Fest werde ich ich dir erst morgen mitteilen", Sammael lächelte mich an. Ich hatte noch nicht einmal bemerkt,wie er sich gesetzt hatte. Wieso sollte ich den Anlass als Letzte erfahren? „Wissen die Gäste, was genau sie feiern?", ich konnte den beleidigten Ton nicht ganz aus meiner Stimme verbannen und so musste Sammael abermals lachen. „Obwohl ich es ihnen nicht verraten habe, erahnen sie den Anlass schon und so sind sie alle in Feierstimmung. Und das alles nur wegen dir, meine wunderschöne Elisabeth", wieder küsste Sammael mich, aber diesmal fanden seine Lippen meine. Ich verlor mich in unserem Kuss. Hatte ich je so etwas Tiefes gefühlt? Hatten die Küsse Daniels genauso heiß gebrannt? Ich konnte mich an nichts mehr erinnern, ich wusste nur, dass ich diese Lippen nie wieder teilen oder weggeben würde. Diese Lippen waren mein, genauso wie Sammael. Als er mich wieder frei gab, bemerkte ich, wie er selbstgefällig lächelte. Natürlihc hatte er meine Gedanken gehört und wusste jetzt, dass ich vollkommen verwirrt war. Aber wieso war ich verwirrt? War ich mir vor dem Essen denn nicht im Klaren gewesen, dass ich nur Daniel liebte und ihn nicht leiden sehen wollte? War ich mir denn nicht im Klaren darüber gewesen, dass mir Sammael nur den Tod bringen würde, so wie sein Name versprach? Was war bloß in mich gefahren? Wie konnte ich mich nur von Daniel abwenden? Ich gab meine Hoffnung auf ein normales Leben auf, nur um mit dem Teufel für ein paar Monate zu leben? Ich würde brennen und das alles nur, weil dieser Sammael so gut küssen konnte! War ich verrückt geworden?

Nach dem Essen gingen Sammael und ich zusammen in den Burghof. Die gesamte Zeit kreisten meine Gedanken nur um mein Ende und darum, wie groß meine Schmerzen wären, wenn ich brennen würde. Aber tief in meinem Inneren wusste ich, dass meine Frist noch einmal aufgeschoben worden war, nur wusste ich nicht wieso. Eine meiner Hände lag auf Sammaels Arm, mit der Anderen klammerte ich mich in den Stoff meines Kleides, direkt über meinen Bauch. Ob Sammael sich wohl an mich erinnern und um mich trauern würde? Ich bemerkte nicht, dass wir auf den Stall zugingen, bis wir davor stehen blieben. „Was wollen wir hier?", ich bekam keine Antwort von Sammael, stattdessen zog er mich weiter in den Stall und blieb vor einem Pferd stehen. Dahinter konnte ich zwei lange Beine ausmachen, doch war das Pferd so groß, dass ich nicht sehen konnte, wer dahinter stand. Was wollte Sammael hier. „Mein Herr...", hinter dem Pferd kam eine mir allzu bekannte Stimme hervor. „Daniel!", mein leiser Aufschrei entging den beiden und so blieb ich unbeachtet. „Ich wollte dir nur mitteilen, dass du keinen Anspruch mehr auf Elisabeth hast. Sie gehört mehr denn je mir. Sie ist sich ihrer Gefühle zwar noch nicht im Klaren, aber wenn du in ihre Augen siehst, wirst auch du begreifen", Sammael zog mich in seinen Arm und Daniel sah mich an. Er musterte mich eindringlich von oben bis unten und schließlich blieben seine Augen an meiner Hand hängen. „Nein!", sein Schrei zerriss die Stille. „Du abartiges Monster! Wie konntest du nur? Durch dich wird sie den Tod finden! Wegen dir wird sie brennen! Ich bringe dich eigenhändig um!", Daniel versuchte Sammael anzuspringen, doch er schien an einer Wand abzuprallen. Augenblicklich war er still, als würde er schlafen. „Du hast ihn ermordet!", meine Stimme schnellte eine Oktave nach oben. Wie konnte Sammael nur? Und wieso hatte Daniel ihn angegriffen? „Keine Angst, er wird bald wieder zu sich kommen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Doch du musst jetzt mit mir kommen, es ist spät und morgen ist ein großer Tag!", Sammael zog mich sanft von Daniel weg. Ich bemerkte, dass ich meine Gefühle für Daniel bei ihm ließ. Es war, als würde ich einen Teil meiner selbst dort lassen. Es war, als würde mich etwas an Sammael binden, das ich nicht verstehen konnte. Noch nicht. Aber Daniels Ohnmacht berührte mich nicht mehr, wie sie es noch vor ein paar Tagen getan hätte. Es war, als wären all meine Gefühle mit dem heutigen Tag verschwunden. Als hätte sich meine Liebe auf Sammael und etwas Unbekanntes verlagert. Als würde ich von etwas angezogen, das es noch nicht zu geben schien. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 12, 2018 ⏰

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Geschichte einer HexeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt