Kapitel 6(Finnick)
„Guten Abend Finnick Odair.“ seine Stimme klingt kalt und freundlich zugleich. Ich nicke ihm zu.
„Präsident Snow.“
„Sicher fragst du dich schon warum ich dich hier her bestellt habe.“ Er lächelt.
„Ja, allerdings.“
„Nun, ich will es dir erklären. Setz dich doch.“ Er deutet auf einen weißen Sessel. Ich ließ mich vorsichtig darauf nieder.
„Nun es ist so. Du bist jetzt schon 16.“ Er machte eine kurze Pause.
„Worauf wollen sie hinaus?“
„Auf dich.“ Ich zog die Augenbrauen hoch.
„Und darauf was ich für dich tun kann, wenn du etwas für mich tust.“
„Wovon sprechen sie?“
„Von einer kleinen Abmachung. Du hast sicherlich schon bemerkt wie... anziehend dich die Damen hier finden?“
In jedem anderen Fall hätte ich jetzt einen Scherz gemacht, aber egal wie absurd diese Situation schien, sie war ernst.
„Wie schon gesagt ich wollte eine klitzekleine Abmachung mit dir treffen.“
„Kommen sie zur Sache.“ Sein Lächeln verschwand.
„Gut. Wenn du willst, dass deine Familie weiterhin in Sicherheit ist, dann schlage ich vor du tust einfach was ich dir sage.“
Und schon war es wieder da: dieser gewinnende, spöttische Gesichtsausdruck. Innerlich brach ich zusammen. Ich war jetzt
Wachs in seinen Händen und das wusste er. Und ich wusste, dass er es wusste, denn er klang wieder durch und durch freundlich.
„Was wollen sie?“ Meine Stimme klang rau und müde.
„Ich werde dir morgen eine Adresse zuschicken. Mein Fahrer wird dich hinbringen und du wirst dieser Frau eine Freude bereiten.“ Ich zuckte zusammen. Das konnte er nicht wirklich von mir verlangen.
„Was meinen sie damit?“
„Oh Finnick, ich glaube du weißt genau was ich damit meine.“
Natürlich wusste ich das.
„Dann sind wir uns einig. Wir sehen uns sicher bald wieder, Finnick. Schönen Abend noch.“
Mags erzählte ich von dieser Begegnung nichts. Ich erzählte es niemandem. Und das würde ich auch nicht. Ich kehrte in den Aufenthaltsraum zurück,in dem fast alle Mentoren waren.
„Finnick? Da bist du ja. Es fängt sicher gleich an.“
Danke Mags, danke, dass du nicht fragst wo ich war.
„Ja, sicher.“ Ich setzte mich zu ihr und sah auf den Bildschirm. Es hingen vier Stück an der Wand. Einer zeigte Stella, der zweite Caecilius, der dritte den Jungen aus 12 und der letzte eine Karte der Arena mit beschrifteten Punkten, die anzeigten wo wer war. 1 und 12 waren beide in der Nähe vom Füllhorn. Stella befand sich weiter weg und folgte dem Bachlauf in genau diese Richtung. Jetzt sah ich auf den Bildschirm auf dem nur sie zu sehen war. Sie bückte sich und schöpfte mit der Hand Wasser um es zu trinken. Sie überprüfte ihre Waffen und lief weiter. Direkt neben ihr befand sich ein Steinbruch. Es passierte zu schnell als, dass sie hätte reagieren können. Die Lawine begrub sie unter sich. Eine Kanonenschuss. Tot.
Niemand wurde kurz vor dem letzten Kampf von den Spielmachern eliminiert. Niemand. Deshalb wusste ich, es war meine Schuld. Das hier war meine Warnung. Die Absicherung, dass ich wusste, was mit meinen Liebsten passieren würde, wenn ich morgen nicht zu dieser Adresse fahren würde. Ich sah mich verstohlen im Raum um. Ein paar sahen mich an. Mitleidig? Wussten sie was da eben passiert war. Hatten sie das auch einmal erlebt. Zwang Präsident Snow auch sie dazu? Ich ließ mir nicht weiter etwas anmerken. Und schaute zu wie 1 und 12 sich jetzt bekämpften. Caecilius war schon fast tot. Er hatte eine große Wunde am Bein und konnte sich kaum bewegen. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. 12 hob sein Schwert ein letztes mal um seinen Sieg zu sichern, aber Caecilius zog einen Dolch aus seinem Stiefel und rammte ihn in seinen Oberschenkel. Haymitch's Tribut ging zu Boden. Und Brutus hatte Recht. Ich lachte nicht mehr, als ich die Kanone hörte.
Kapitel 7(Annie)
Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich mich kein bisschen betroffen fühlte als Stella starb. Ein mulmiges Gefühl, ja, aber nicht mehr.
„Mir geht’s genau so. Du darfst dir keine Vorwürfe machen. Du bist schließlich nicht daran Schuld.“ meinte Kaira. Ich lächelte sie schwach an.
„Das tröstet mich kein bisschen.“
„Ich will dich ja auch überhaupt nicht trösten. Du solltest dich gar nicht erst schlecht fühlen. Und jetzt komm.“ sie nahm mich an der Hand und zog mich mit sich. „Wir gehen uns das Siegesinterview anschauen.“ Eigentlich wollte ich es nicht sehen. Aber es war schließlich Pflichtfernsehen, also beschwerte ich mich nicht.
Die Hymne wurde gespielt. Cesar begrüßte die Zuschauer und erzählte einige kurze Anekdoten, wie er selbst die Ereignisse in der Arena wahrgenommen hatte.
Dann kündigte er nacheinander erst das Vorbereitungsteam an, welches ohne Interview davon kam. Dann den Stylisten, dessen Name ich nach der Verkündung wieder vergaß. Er meinte, dass er von Anfang an wusste, wie viel Potential Caecilius doch hatte. Dann kam der Mentor, Brutus. Finnick hatte mir von ihm erzählt. Ich mochte ihn nicht. Er lachte viel. Verriet die Strategien. Und schließlich zum Schluss wurde der Sieger gekrönt, interviewt und bei der Zusammenfassung gefilmt. Caecilius wirkte gefasst. Eitel und unglaublich von sich selbst überzeugt. Ich fragte mich ob es Schauspielerei war, ob der Moment der Einsicht noch nicht kommen war oder ob er diese Einsicht je haben würde. Ab und zu machte die Kamera einen Schwung durch die Zuschauerreihen. Da sah ich dann Fin, der mit seiner üblichen Maske dort saß und irgendwie abgelenkt zu sein schien. Ich nahm mir vor ihn bei Gelegenheit danach zu fragen.
Fin kam eine Woche darauf wieder zurück. Er schien verändert zu sein, Zuerst war er nur sehr schreckhaft, hatte Ringe unter den Augen und ich machte mir ernsthaft Sorgen. Er versicherte mir jedoch, dass ich das nicht tun müsse, aber ihm fiel nicht einmal eine Ausrede ein.
„Annie, ich will dich nicht belügen.“
„Also sagst du mir einfach gar nicht was los ist?“
„Hör mal, ich kann es dir nicht sagen, aber es wird alles wieder gut. Ich regle das schon. Und dann wird alles wie sonst auch, okay?“
„Ja in Ordnung. Ich bin froh, dass du mich nicht anlügst.“ Er lächelte, aber dem Kuss wich er aus. Ich zeigte nicht, wie sehr er mich damit verletzte, sondern überging es einfach und ging nach H ause. Ich konnte nicht einschlafen, wälzte mich etliche Male von einer Seite zur anderen. Und als mich die Müdigkeit doch endlich übermannte, träumte ich von Fin in den Armen einer anderen. Ich träumte wie er gefoltert wurde. Ich träumte, dass er zurück in die Spiele müsste, weil es einen Formfehler gegeben habe. Ich zitterte und weinte, war froh, dass mich jetzt niemand sehen konnte.
Am nächsten Morgen auf dem Weg zur Schule fing Finnick mich ab. Und endlich Tage später, es kam mir vor wie Wochen, bekam ich meinen heiß ersehnten Begrüßungskuss. Vollkommen ungezwungen. Mit all der Liebe, die die letzten paar Tage ausgeblieben war. Er sah gut aus. Ausgeschlafen, glücklich. Er nahm mich in den Arm und sagte kein Wort. Er fing an zu pfeifen, brachte mich noch in meine Klasse und dann ging er einfach weg. Ich war so überrascht gewesen, dass ich kein Wort hervor gebracht hatte. Ich brachte den Schultag quälend langsam hinter mich und beeilte mich um Fin zur Rede stellen zu können, aber er hatte offensichtlich etwas anderes vor.
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