Home, sweet home, don't explode

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Die nächste Woche verlief besser als gedacht und half Olivia, sich nach der einmonatigen Gefangenschaft Moriartys ein wenig zu erholen und auf andere Gedanken zu kommen.

Sherlock verhielt sich natürlich noch immer wie ein hochfunktionaler Soziopath, jedoch war er kaum mehr abweisend zu ihr und behandelte sie tatsächlich wie ein echter Gentleman. John würde wohl erst in zwei Wochen wieder da sein, er und seine neue Freundin fuhren zu einem Kennenlernen der Eltern in die Schweiz.

Wenn Miss. Hudson ihnen Tee und Kekse nach oben brachte, bot er ihr seinen Anteil an. Wenn Sherlock in der Küche mit chemischen Experimenten beschäftigt war, setzte sich Olivia einfach auf einen Stuhl und schaute zu, obwohl er oft so konzentriert bei der Sache war, dass er sie gar nicht bemerkte. Am Abend, bevor sie sich in Sherlocks Bett und er sich aufs Sofa legte (Tatsächlicher Gentleman), fragte Olivia ihn dann oft nach einer Formel, oder einem Stoff, der bei seinen Forschungen herausgekommen war, und den sie nicht verstand. Dann lächelte er kurz und erklärte ihr alles und sie hörte geduldig und interessiert zu, obwohl er es in einem ziemlich angeberischen Tonfall tat. Ihre Bauchverletzung war ebenfalls viel besser geworden.

Aber natürlich war es auch nicht immer so leicht, mit ihm zusammen zu wohnen. Sherlock war nur John als Mitbewohner gewöhnt und kannte den Rhythmus und die Tageszeiten, zu denen er das Badezimmer besuchte. Am Mittwoch hatte er ganz vergessen, dass Olivia auch noch in der Wohnung war und ist einfach ohne zu klopfen ins Bad gestürmt, um sich die Hände von einer gefährlichen Chemikalie abzuwaschen. Unpraktischer Weise stand gerade Olivia unter der Dusche und streckte verwirrt den Kopf hinter dem sichtfesten Duschvorhang hervor, woraufhin sie einen hochroten und Entschuldigungen murmelnden Sherlock vorfand, der rücklings das Zimmer verließ. Nach diesem peinlichen Moment stieg Olivia aus der Dusche, konnte im Bad jedoch kein Handtuch finden, das groß genug für ihren nassen Körper war. Panisch sah sie sich um und fand gottseidank einen großen Bademantel, den sie rasch überstreifte. Als sie aus dem Bad ins Schlafzimmer ging, fand sie dort Sherlock vor, der gerade eine neue Sockenordnung erstellte und entgeistert in ihre Richtung schaute. Olivia wollte gerade in ihrem weiten Bademantel peinlich berührt das Zimmer verlassen, als Sherlock leise sagte: "Den Bademantel habe ich heute morgen angehabt." Beide wandten schnell den Blick ab und trafen sich erst zum Tee wieder.


Eine weitere Woche später war die Anspannung zum Glück verflogen, obwohl beide in der Gegenwart des Anderen nervös und verwirrt wurden, was ihnen ziemlich zusetzte. Sie wussten beide, dass Gefühle ein Hindernis waren, doch es war schwer zu umgehen.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen, das Olivia selbst zubereitet hatte, musste einer von ihnen die Wasserflasche holen, sie standen beide zuvorkommend auf, sie sagte: "Ich mach das schon." Und er: "Bleib ruhig sitzen, ich stehe sowieso."  Gleichzeitig schoben sie sich durch die Zimmertür und blieben stecken, sodass sie sich nun wieder ganz leicht berührten und Sherlock mit fast zärtlichem Blick zu ihr hinunter sah. Erneut dieses Gefühl im Bauch, bei beiden von ihnen. Fast wollte er sich zu ihr hinunter beugen, als plötzlich 'Staying alive' ertönte und die beiden schweigend aus der Tür traten.

Nun runzelte Sherlock die Stirn und sagte zu ihr: "Bleib einen Moment hier, ich gucke, wo dieses Geräusch herkommt." Sie nickte mit noch immer leicht geröteten Wangen und er verschwand in einen anderen Raum. Er folgte dem Lied bis er in seinem eigenen Zimmer fündig wurde: Dort lag zwischen verschiedenen Klamotten Olivias das Handy, das er bei ihrer Verarztung in ihrem BH gesehen hatte. Als er darüber nachdachte, wo das Gerät schon mal gewesen war, vergas er, von wem es ursprünglich stammte. Er vergas, dass es  Moriartys war und er ging sorglos an das Handy dran, das soeben angerufen wurde.

"Wer ist da?"

Ein leises Rauschen, dann antwortete eine vertraute Stimme: "James Moriarty. Sie ist also bei Ihnen, Sherlock?"

Sherlock stockte und schluckte leicht, dann sagte er: "Hm. Von wem sprechen sie?"

Lachen. Antwort: "So dumm können Sie nicht sein. Ich. spreche. von. OLIVIA, SIE IDIOT! SIE IST ABGEHAUEN; ABER SO GESEHEN GEHÖRT SIE NOCH IMMER MIR !!!!"

Sherlock ließ entsetzt das Smartphone sinken und er durchdachte schnell alle Möglichkeiten, sie zu retten. Der einzige Weg: Flucht. Er durfte nicht zulassen, dass Moriarty Olivia erneut in seine Gewalt brachte. Außerdem brauchte er sie. Er stutzte. Hatte er das gerade wirklich gedacht? So oder so stimmte es. Eilig rannte er auf Olivia zu, die ihm gerade entgegen kam und er sagte: "Schnell, wir müssen hier weg!"  Sie sah ihn nur fragend an und meinte ruhig: "Warum sollten wir, hast du dieses Geräusch gefunde--"

"ICH BRAUCHE SIE, OLIVIA!!! Also kommen Sie bitte mit mir!"

Olivia sah ihm einen Moment lang nur überrascht in die Augen und griff dann ohne zu zögern zu ihrem blauen Herbstmantel, Sherlock zu seinem schwarzen. Er griff sich schnell ein wenig Geld und seinen Hausschlüssel und Olivias Hand. Er zog sie hinter sich her die Treppe herunter und aus der Tür mit der Aufschrift 221B.

Gerade als sie Hand in Hand die andere Straßenseite erreicht hatten, explodierte das Haus und Holzsplitter und Schutt begrub die beiden unter sich.

Olivia stöhnte und sah nur noch verschwommen. Sie lag auf dem Boden und in ihrer lag Sherlocks schlaffe Hand. Sie konnte nichts mehr hören, doch als sie schmerzhaft ihren Kopf drehte, sah sie vor sich eine dukle Gestalt im Westwood-Anzug.

Seine Lippen formten die Wörter:

"I OWN YOU"

The Girl with the MindpalaceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt