Als Sherlock aufwachte war das erste an das er sich erinnerte die Tatsache, dass er sich für eine Frau vor ein Auto geworfen hatte.
Das zweite war, dass er sich dabei einen schmerzhaften Rippenbruch zugezogen hatte, wie er augenblicklich diagnostizierte.
Und drittens lag die Frau, Olivia, welche er gerettet hatte jetzt neben ihm im Bett.
Zuerst erschrak Sherlock ein wenig und fragte sich was gestern Nacht noch geschehen war, aber dann stellte er - mehr oder weniger erleichtert - fest, dass sie nicht schlief, sondern ohnmächtig war. Besorgt erhob er sich, wobei sein Brustkorb schmerzte und lief dann zur anderen Seite des Bettes, um zu sehen, was ihr das Bewusstsein geraubt hatte.
Er erkannte ein verrenktes Bein, jedoch nicht besonders schlimm, sowie einen allessagenden tiefen Schnitt an ihrem Bauch. Er stand ein wenig ratlos in dem stillen Zimmer und blickte auf diejenige herab, die vor einem Monat John, Miss Hudson und ihm selbst das Leben gerettet hatte. Erst jetzt fiel ihm ein, dass er in der gestrigen Nacht noch vor Olivia das Bewusstsein verloren haben musste. 'Also hast du mich gestern hier nach oben getragen' Dachte er überrascht, es war nun schon das zweite Mal, das sie ihm das Leben gerettet hatte!
Erstaunlich, was sie für ihn auf sich nahm. Und was hatte er getan? Ihr Haus verkauft, versucht sie durch Mycroft verhaften zu lassen, und schließlich noch bei Moriarty zurückgelassen, bei dem sie jetzt einen ganzen Monat verbringen musste! Sherlock war zwar weitestgehend gefühllos, aber selbst ihm war klar, dass er Olivia Skielos etwas schuldete.
Zuerst versuchte er sie mit kaltem Wasser aufzuwecken, aber das klappte ebenso wenig wie eine Ohrfeige und andere Methoden. Mist. Ihr standen bereits seit über einer Stunde Schweißtropfen auf der Stirn und Sherlock konnte hohes Fieber bei ihr messen. Wahrscheinlich setzte ihr die Wunde an ihrem Bauch zu, und wenn er sie in ein Krankenhaus bringen würde, könnten sie draußen von Moriarty erwischt werden. Sherlock hatte deduziert, dass sie mihilfe einer Verkleidung vor Jim fliehen konnte, also war sie nur hier bei ihm sicher!
Sherlock holte tief Luft und gestand sich ein, dass er selbst Olivia verarzten musste, er war es ihr schuldig und andernfalls könnte sie schon morgen tot sein. Er holte sich aus Johns Zimmer eine Ausstattung für Ärzte, die John noch immer aufbewahrte. Alles was man zum Nähen der Wunde brauchte, war da. Gut. Jetzt der schwierige Part.
Sherlock musste ihr das rote, schwarz besprenkelte Kleid wohl oder übel ausziehen, wenn er ihre Bauchwunde nähen und verbinden wollte.... Er zögerte kurz aber entschloss sich ihr zu helfen, sie hatte es für ihn schon zweimal gemacht. Sherlock atmete ein und sah auf Olivias bewusstloses Gesicht herab, das einzigartig schön, geheimnisvoll schien und vorallem hohe Wangenknochen aufwies. Er wendete irritiert den Blick ab, Schönheit führte nur zu Liebe und die führte zu Schwäche, also konzentrier dich Sherlock!
Mit lächerlich schwitzenden Händen begann er behutsam, ihr das Trägerlose Abendkleid auszuziehen und zog es bis zu ihrer Hüfte hinunter, sodass er die Wunde gut sehen konnte. Er versuchte sich zu beherrschen, aber aus irgendeinem Grund musterte er sie doch von oben bis unten, von ihrem flachen Bauch, der in Moriartys Gefangenschaft offenkundig an Gewicht verloren hatte bis zu ihrem makellosen, aber ein wenig schmerzverzerrten Gesicht. Sie trug einen schwarzen BH und Sherlock hob eine Augenbraue, als er darin ein Handy sah. Er deduzierte überrascht, das es sich um Moriartys Smartphone handeln musste.
Schnell wandte er wieder den Blick ab. Das war kindisch, er musste sie retten und nicht anstarren wie irgendein Idiot. Also begann er damit, ihre Wunde zu nähen, bei jedem Stich zuckte Olivia im Schlaf ein wenig zusammen.
Als er fertig war, tupfte er das ganze mit einem nassen Tuch ab, säuberte die frisch genähte Wunde und zog schließlich wieder ihr Kleid hoch. Er verließ hastig den Raum und versuchte, nicht allzu viel über ihren schönen Anblick nachzudenken, er war schließlich ein Soziopath, eine kalte Denkmaschine, die sich nicht von einer Frau aus dem Konzept bringen ließ... Oder? Als er zufällig in den Spiegel im Wohnzimmer sah, lächelte ihm sein errötendes Spiegelbild entgegen.
(Zweieinhalb Stunden später)
Olivia erwachte in Sherlocks Zimmer und blickte neben sich, aber der Privatdetektiv war weg. Sie stand langsam auf, aber ihr Bauch tat noch immer weh, auch wenn es nicht mehr zu schlimm war. Plötzlich bemerkte sie, als sie über den dünnen roten Stoff über ihrem Bauch fuhr, dass die Wunde genäht worden war. Hatte Sherlock...? Olivia wurde gegen ihren Willen rot bei dem Gedanken, dass Sherlock sie fast nackt gesehen hatte, gleichzeitig kam ihr das wie Verrat an Jim vor, den sie noch gestern geküsst hatte. Was war bloß aus ihr geworden? Früher waren ihr Männer egal gewesen, heute war sie kurz davor sich zu verlieb- NEIN !!! Keine Gefühle! Daran durfte sie gar nicht erst denken, es war zu schwachsinnig.
Schweren Schrittes schleppte sie sich zur Zimmertür und machte sich auf die Suche nach Sherlock, der sie sozusagen gerettet hatte. Da kam er ihr aus der mit Reagenzgläsern versehenen Küche entgegen und streckte ihr mit zaghaften Lächeln eine Tasse Tee entgegen.
Olivia murmelte ein leises: "Danke." Aber er schüttelte zuvorkommend den Kopf. Und sagte:"Aber das ist doch selbstverständlich, Ms. Skielos, ein Tee wirkt Wunder."
"Ich spreche nicht nur von dem Tee. Wirklich, vielen Dank für ihre Hilfe. Außerdem können Sie mich Olivia nennen, wir kennen uns schon lang genug, außerdem haben sie ja auch schon... ähm..." Sie räusperte sich und Sherlock blickte ihr ein wenig verlegen in die Augen.
"Ich hoffe ich habe damit keine Grenze überschritten, ... Olivia."
"Absolut nicht, es war ja bloß zu meinem Schutz, die Wunde zu nähen, und Sie... ähm... Du konntest nichts dafür, dass ich ein Kleid trug und Du es ausziehen musstest."
Ein verlegenes Schweigen herrschte, bei dem sie sich einfach nur in die Augen sahen. Olivia wurde wieder rot und hasste sich für diese unkontrollierbaren Reaktionen ihres Körpers. Schließlich wollte sie Sherlock die Teetasse aus der ausgestreckten Hand entgegen nehmen, aber sie fiel zu Boden und Olivias Beine gaben erneut nach.
Kurz bevor sie zu Boden fiel, fing Sherlock sie geschickt in seinen Armen auf. Sie blickte ein wenig überrascht, aber auch verlangend in seine blauen Augen, welche nur noch fünf Zentimeter von ihren entfernt waren. Sie merkte, wie ihr Herz schneller schlug und verfluchte erneut ihre verdammten Körperreaktionen.
Sherlock blickte überrascht und stirnrunzelnd in ihre Augen und beobachtete, wie sich ihre Pupillen erweiterten. Klares Anzeichen für Nervosität oder.... GEFÜHLE!!!?? Sherlock erschrak, als er ihr Herz genauso laut wie sein eigenes schlagen hörte. Hatte er tatsächlich so etwas lächerliches wie Gefühle für diese Frau?! Er überlegte tatsächlich, was wäre, wenn er nur fünf Zentimeter näher an ihr Gesicht herankommen würde. Sein Puls erhöhte sich noch ein wenig mehr, als er seine Gedanken in die Tat umsetzte.
Seine Lippen streiften sanft die von Olivias, doch gerade als er noch weiter gehen wollte, trat er ein Schritt zurück und Olivia stand ebenso geschockt aber noch immer mit unregelmäßigem Herzschlag da. 'Sie will das genauso sehr wie ich.' Dachte Sherlock und der Anflug eines Lächelns zierte sein markantes Gesicht, welches Olivia so aus dem Konzept brachte.
Sherlock bereute plötzlich, sie nicht geküsst und umarmt zu haben, so wie sie es nach ihren aufopferungsvollen Lebensrettungen verdient hatte. Aber er durfte einfach nicht so fühlen. Es ging nicht.
Mit einem Räuspern drehte er sich um und ging in Richtung seines Zimmers, kurz bevor er die Tür hinter sich schloss, drehte er sich noch einmal um und sah auf Olivias verlorenem Gesicht fast so etwas wie Schmerz. Es tat ihm selbst weh und ehe er es realisierte, sagte er:
"Du hast so viel für mich getan, nun bin ich an der Reihe. Du kannst bei mir wohnen, Olivia, und ich werde dich beschützen, das verspreche ich."
Sie lächelte. Er lächelte. Und sie wünschten sich beide so sehr, sie könnten den Kuss nachholen und den anderen in den Arm nehmen und nicht mehr gehen lassen.
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The Girl with the Mindpalace
FanficEines Tages bricht eine junge Frau namens Olivia Skielos vor einer gewissen Tür mit der Aufschrift '221B' zusammen. Zuerst ist Sherlock uninteressiert, bis er auf die drei Buchstaben auf ihrem Arm aufmerksam wird: IOU Während Olivia von Zeit zu Zeit...