Wirst du Consulting Detective oder Criminal sein?

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Sherlock erwachte mit einem kalten Wind in seinem Gesicht, der ihm Tränen in die Augen trieb. Als er aufzustehen versuchte, merkte er, dass er an einen Stuhl gefesselt - und auf dem meterhohen Dach des St. Barts Hospital saß. Er blickte sich augenblicklich nach Olivia um. Wo war sie? Hatte Moriarty sie wieder mitgenommen? Da kam durch ein kleines Häuschen auf dem Dach Jim Moriarty und lief ruhig auf ihn zu.

Sherlock spürte Wut in sich aufsteigen, als er sah, was er mitbrachte.

Jim hatte sich Olivia über die Schulter geworfen und sie hing reglos da und ihre schönen langen Haare wippten im Takt seiner Schritte. Er grinste als er vor dem sich windenden Sherlock stehen blieb und sagte:

"Wir zwei haben hier wohl einen kleinen Überraschungsgast. Wie wäre es, wenn ich sie einfach vom Dach schmeiße. Genau jetzt. Dann wären es wieder nur wir beide, erbitterte Feinde und ohne irgendeine Olivia in unserem Spiel. Was sagen Sie Sherlock?"

Der Angesprochene starrte wütend zu ihm hoch und sagte: "Es war nie UNSER Spiel, es gab immer nur eine widerwertige Spielfigur darin, und das sind SIE!!! Und ich schwöre Ihnen, wenn Sie ihr auch nur ein Haar ausreißen, werde ich mich gebührend rächen!"

Jim lachte amüsiert: "Nun, ich glaube nicht, dass Sie in der Lage sind, sich an mir zu rächen.... Wie kindisch."  Er hielt inne und strich kurz über Olivias Haar, bevor er sie sanft auf dem Boden vor Sherlock ablegte. Dann sagte er leise: "Ich gebe zu, ich selbst wäre mehr als schockiert, wenn sie einfach aus unserem Spiel verschwinden würde. Aber ihre Haare werden vielleicht nicht verschont bleiben, genau wie viele andere Körperteile...." Er lachte kurz und fuhr dann fort: "Keine Sorge, Sherlock, Olivia wird es bei mir hervorragend gehen, abgesehen von ein par blauen Flecken vielleicht." 

Sherlock starrte verständnislos erst zu Olivia, die noch immer regungslos auf dem Boden lag und dann zu seinem Erzfeind. Seine Stimme war noch ein wenig tiefer als sonst, als er hervorstieß:  "Was haben Sie mit ihr vor? Wieso legen Sie so viel Wert auf eine ganz gewöhnliche Person? Warum wollen Sie sie in Ihrer Nähe haben?!"

Jim zögerte, aber Sherlock würde sowieso noch heute sterben, wenn sein Plan aufging. Also was solls. Er flüsterte:

"Weil sie nicht gewöhnlich ist."

Da fiel es Sherlock wie Schuppen von den Augen. Auch Moriarty hatte so etwas entwickelt, dass ansatzweise mit Liebe zu vergleichen war. Moment! Wieso AUCH!?

Moriarty sprach geistesabwesend weiter: "Und ich weiß, dass Olivia Sie ebenfalls interessiert, Sherlock, aber ich werde nicht zulassen, dass Sie sie mir wegnehmen. Sie haben bereits einen Mitbewohner, da ist es nur fair, wenn ich auch jemanden habe, der mir treu hinterherläuft wie ein Hündchen."


Sherlock zerrte wütend an seinen Fesseln und schrie: "Olivia ist kein Hündchen! Sie ist in der Tat nicht gewöhnlich, sie ist die außergewöhnlichste Frau, die mir je begegnet ist und auch wenn ich nie dachte, dass ich zu so schwachsinnigen Gefühlen fähig bin, ICH. LIEBE. SIE."

Beide Männer starrten sich einen Moment nur wortlos an und es war klar, dass sie genau gleich für Olivia empfanden, denn sie waren beide schnell gelangweilt und diese Frau hatte unglaubliche Abwechslung geboten. Jim schätzte ihre Gerissenheit und die statistisch unmögliche Tatsache, dass sie ihm bereits zwei Mal entkommen war, der Kuss hatte ihn endgültig überzeugt. Auch wenn er sie nie als etwas unnützes wie seine Freundin sehen würde, vielleicht als seine Lieblingsspielfigur, seine Angestellte, Mittäterin, böse linke Hand.

Sherlock hingegen schätzte einfach ihre Intelligenz, ihren Charakter, der geheimnisvoll und gleichzeitig angenehm war. Außerdem hatte er jetzt noch kein einziges Mal in seinem Leben eine richtige Partnerin gehabt. Es interessierte ihn plötzlich, wie eine derartige Beziehung verlaufen könnte .... mit Olivia.


Schließlich erhob Jim wieder das Wort: "Gut. Wecken wir sie doch auf und hören uns ihre Sicht der Dinge an."  Mit diesen Worten holte er kräftig aus und gab ihr eine Ohrfeige, deren Knall man auf dem gesamten Dach hören konnte. Sherlock funkelte ihn wütend an, doch sein Blick wurde besorgt, als sich Olivia regte.

Sie versuchte langsam aufzustehen, aber Jim gab ihr erneut eine Ohrfeige und sie fiel mit einem leisen Schrei zurück zu Boden. Er lachte und hob schuldbewusst die Hände: "Tut mir leid, aber ich liebe es, dieses zarte Gesicht zu schlagen. Es ist so verwundbar und gleichzeitig so kalt, wie kann das sein?" Ein weiteres Knallen ertönte und  Olivia hob zitternd den schmerzenden Kopf, dann sagte sie mit leiser, bebender Stimme:

"Ich weiß, du bist wütend weil ich geflohen bin, aber ich glaube uns beiden ist klar, warum ich das tat."  Wieder ein schmerzhaftes Knallen auf ihrer Wange. "Hör auf.... Jim....Bitte, ich spüre mein Gesicht nicht mehr."

Er grinste höhnisch auf sie herab. Er wünschte sich so sehr, dieses Gesicht jeden Morgen neben sich zu sehen, dann zu schlagen und dann zu küssen und sie in seinen Arm zu ziehen. Er wollte es unbedingt, und er bekam immer, was er wollte!

Endlich schaffte Olivia es, aufzustehen, aber ihre Beine konnten sie kaum tragen, ihr schmerzender Kopf sank kraftlos auf ihre linke Schulter. Schmerz. Überall. Doch sie musste sich zusammen reißen und Sherlock finden! "Wo ist Sherlock?" Brachte sie stöhnend hervor.

Jims Miene wurde ernst und er deutete hinter sie. Olivia fuhr herum und dort saß an einen Stuhl gefesselt Sherlock und blickte sie mit Mitleid und Hilflosigkeit an. Er wünschte, er könnte ihr jetzt helfen, und ihr blutig geschlagenes, müdes Gesicht mit Küssen bedecken, er verfluchte sich dafür, sie nicht geküsst zu haben, als er in der Bakerstreet die Möglichkeit hatte und dafür, dass er sie nicht vor Moriarty beschützt hatte. Verdammt.


Sie stolperte erschöpft auf ihn zu und gab ihm einen beruhigenden Kuss auf die Stirn. Jim zog sie jedoch wütend zurück und schrie: "Das würde ich lieber lassen, wenn du dich zu sehr an ihn gewöhnst, wirst du ihn zu sehr vermissen, wenn du bei mir bist."

Olivia starrte ihn erschrocken an. Großer Gott, die beiden hatten sich tatsächlich in sie verliebt. Und sie dachte, es wäre klar, wen sie liebte, aber plötzlich wusste sie es nicht mehr und ihr Kopf konnte vor Schmerz nicht klar denken. Das einzige, was sie fragen konnte, war: "Wie meinst du das, Jim, was hast du vor?"


Plötzlich begann er zu lachen, immer lauter und irgendwie böser.

Und Sherlock und Olivia wechselten einen verzweifelten, schmerzerfüllten Blick.

Ihnen war klar, sie hatten es deduziert, sie wussten, was Moriarty plante.

Er sprach es laut aus und auf dem Dach war augenblicklich still.


"Einer von uns dreien wird gleich sterben.  Und noch viele mehr."

The Girl with the MindpalaceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt