Schritt 1 im Krieg: Gewinne bevor dein Gegner weiß, dass der Kampf begonnen hat

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Mittlerweile waren Wochen seit meiner Rückkehr aus der Psychiatrie vergangen. Heute waren die letzten drei Stunden vor den Herbstferien und ich schaffte es kaum die Augen offen zu halten. Ich dachte ich hätte es geschafft. Dachte die Träume hätten mich verlassen und mit ihnen die Erinnerungen daran was mit Anabel geschehen war. Doch sie fing wieder an mich zu verfolgen.

Bald wurde es wieder Zeit für eine nächste Stunde mit Herr Waldheim. Wir hatten noch keinen Termin, aber ich war mir sicher, dass er mich heute nach einem fragen würde. Genauso wie ich wusste, dass ich ihm einen nennen musste. Absagen war keine Option. Natürlich könnte ich mir schnell eine plausible Ausrede einfallen lassen, aber ich war mir nicht sicher, ob sie nach rund vier Tagen ohne Schlaf glaubwürdig klingen würde.

Einer der größten Nachteile bei Schlafmangel: du verlierst an Konzentration und damit auch an Überzeugungskraft.

Heute morgen als mein Wecker klingelte lag ich minutenlang wach, starrte an die Decke und überlegte, ob ich in die Schule gehen oder doch meine Tabletten nehmen sollte, um endlich wieder schlafen zu können. Ich entschied mich dazu in die Schule zu gehen. Als ich dann hier ankam fiel mir ein, dass heute Freitag war und ich mich mir somit hätte Zeit lassen sollen, da ich ohnehin die ersten beiden Stunden frei hatte.

Stattdessen saß ich nun hier an einem Tisch in einem der zum Flur offenen Aufenthaltsräume und wartete darauf wieder in mein Bett zu gehen. Nicht, dass es mir viel bringen würde, schlafen konnte ich ja nicht. Für meine Gliederschmerzen, die immer kamen wenn mein Körper mal wieder keine Ruhe fand, wäre es trotzdem von Vorteil.

Nun war ich aber hier und musste somit auch noch bis zum Ende der dritten Stunde bleiben. Warum konnte unser Geschichtslehrer auch nicht krank sein?

Emilia?

Ich hörte auf meine Finger zu betrachten und sah auf. Direkt in das leicht besorgte Gesicht von Herr Waldheim. Er stand vor meinem Tisch, über der einen Schulter seine Tasche geschwungen und mit dem Arm einen Haufen loser Papiere haltend.

Guten Morgen Herr Waldheim Charles, korrigierte ich mich nach einem mahnenden Blick von ihm. Anscheinend galt unsere Sonderregelung für jede Situation außerhalb des Unterrichts, auch für die Freistunden.

Warum sitzt du hier so allein? Ich habe vergessen, dass ich die ersten beiden Stunden frei habe und jetzt warte ich bis ich in den Unterricht und anschließend nachhause kann.

Er legte seinen Papierstapel auf dem Tisch ab, ließ seine Tasche auf den Boden sinken und sich selbst auf den Stuhl mir gegenüber. Als hätte ich es geahnt, meldete sich nun auch mal wieder die Stimme in meinem Kopf:

Ach, da ist ja dein neuer Lieblingslehrer. Vielleicht ist jetzt die richtige Gelegenheit für dich ihm von mir zu erzählen. Der Gute würde dir bestimmt liebend gern helfen. Vor allem weil er ohnehin bald herausfindet, dass du ihn wegen dem Internat angelogen hast.

In den letzten Tagen hatte sie zu viel Zugang zu meinen Gedanken. Ich hatte nicht mehr die Kraft sie auszublenden.

Und das ist wirklich alles? Du wirkst so anders. Wirst du vielleicht krank?, erinnerte mich Herr Waldheim wieder an seine Anwesenheit.

Hoffen wir es mal nicht, wich ich aus, in der Hoffnung, dass er nicht weiter fragen würde. Nur wäre er nicht er selbst, würde er es dabei belassen. Das sah ich in seinem Blick, die Besorgnis und Neugier. Es war eines der Dinge, die ich an ihm mochte.

Sein gutes Herz.

Kurz zuckten seine Hände, eine kaum wahrnehmbare Bewegung, die nur den Wenigsten auffallen würde. Doch ich wusste gleich was er hatte tun wollen. Er wollte nach meinen Händen greifen. Aber ihm war wohl eingefallen wo wir uns befanden. Würde jemand mitbekommen wie wir hier saßen, Hände haltend, würde derjenige sofort seine Schlüsse ziehen. Die falschen Schlüsse.

Ich habe in den letzten Tagen nur nicht gut geschlafen, das ist alles. Du musst dir keine Sorgen um mich machen. Bist du dir sicher, dass es nur das ist? Oder liegt es an etwas bestimmten, vielleicht Sophia?

Ich schnitt unseren Blickkontakt ab und starrte auf meine Hände. Unbewusst hatte er mir die perfekte Vorlage gegeben. Ich musste die Chance nur nutzen. Nervös spielte ich mit meinen Fingern und wie von selbst bildeten sich Tränen in meinen Augen. Leicht nickte ich und sah wieder auf.

Vielleicht gibt es da noch etwas, ja. Ich Sie tut es schon wieder. Dieses Mal habe ich die Kontrolle habe ich mir gesagt. Dieses Mal wird sie nicht gewinnen. Aber, meine Stimme brach und ein Schluchzen entwich meiner Kehle.

Mit nichts als Sorge und Schock in seinen Augen stand Herr Waldheim auf und kam um den Tisch gelaufen, um mich tröstend in den Arm zu nehmen.

Bitte, du musst mir helfen Charles. Wie? Was soll ich tun? Ich kuschelte mich an ihn und genoss es wie er über meinen Rücken strich.

Sie ist eine Psychopathin. Seit sie mich kennt, will sie mir alles wegnehmen, kein Mittel ist ihr dafür zu schade. Ich ertrage es nicht mehr. Es wird Zeit, dass sie Hilfe braucht. Professionelle Hilfe. Vielleicht Vielleicht könntest du ja mal mit ihren Eltern sprechen?

Ja, das wird wohl das beste sein.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 13, 2017 ⏰

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