Ich hoffe du magst Whiskey

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„Ach komm schon, Sophia. Wir brauchen keine Regeln welche Aufgaben oder Fragen wir nicht stellen, wir werden dich schon nicht nackt durch die Straßen laufen lassen", erwiderte ich mit einem leicht genervten Unterton. Mittlerweile waren wir in Ceces Haus angekommen und saßen im Wohnzimmer. Da Aria es im Café schon vorgeschlagen hatte, saßen wir nun alle in einem Kreis um den Couchtisch herum, auf dem eine leere Flasche lag. Auf dem Weg hierher hatte Sophia alles andere als begeistert ausgesehen und auch jetzt sah sie mich an als befürchte sie, dass ich ihr wirklich so eine Pflichtaufgabe stellen würde.

„So unwahrscheinlich ist das nun auch wieder nicht. Tun würdest du es schon gern." Doch wie immer in letzter Zeit versuchte ich die kleine nervige Stimme in meinem Kopf zu ignorieren und lächelte Sophia beruhigend zu. Sie schien endlich auch davon überzeugt zu sein, dass nichts Schlimmes passieren würde, denn sie griff mit ihrer rechten Hand nach der Flasche.

„Dann lasst uns anfangen", sagte sie mit einem noch immer leicht verunsicherten Tonfall und drehte die Flasche. Gespannt starrten wir alle auf die Flasche und warteten, bis sie anhielt.

Dieses Spiel war dazu gedacht, dass wir einander besser kennenlernten, aber mir war jetzt schon klar, dass ich mit großer Wahrscheinlichkeit keine der Fragen wirklich ehrlich beantworten würde. Im Gegensatz dazu würde ich sofort bei einer der anderen erkennen, ob sie die Wahrheit sagten oder nicht. Dabei fiel mir wieder ein, dass ich heute noch mit Herr Waldheim sprechen musste. Wegen unserer nächsten Nachhilfestunde und wegen dem, was er für seine Hilfe wollte. Was Letzteres anging, war es mir eigentlich egal was er verlangen würde. Um Sophia loszuwerden würde ich alles tun.

Ich tauchte wieder aus meinen Gedanken auf und sah, dass die Flasche zum Stillstand gekommen war. Sie deutete auf Stella. Ich spürte wie eine leichte Anspannung von mir abfiel. Eine Aufgabe von Sophia zu bekommen war nicht gerade mein Ziel dieses Spiels. Auch wenn sie in den letzten Tagen scheinbar bemüht war sich mit mir anzufreunden, wusste ich wie sie wirklich war. Ich wusste, dass sie es nach wie vor auf mich abgesehen hatte. So gesehen konnten wir beide dieses Spiel zu unseren Vorteilen ausnutzen.

„Sieht so aus als würde es seit neuestem auch bei Wahrheit oder Pflicht ums Gewinnen gehen. Na dann mal los."

„Wahrheit", entschied sich Stella. Wir sahen alle zu Sophia und warteten auf die Frage, die sie ihr stellen würde.

„In wen bist du verliebt?" Und zum wiederholten Male am heutigen Tag musste ich ein Stöhnen unterdrücken. Das konnte doch nicht ihr ernst sein. Langweiliger als sie war wirklich niemand. Ich hörte auf aufmerksam zu sein und bekam so auch die Antwort von Stella nicht mit.

Dieser Tag verlief anders als ich es vorgehabt hatte. Er war nicht mal ganz vorbei und wir kamen gerade erst zu dem Teil, der mich interessierte, aber trotzdem wollte ich jetzt nur noch nachhause und in mein Bett. Selbst Cece und die anderen schienen mich plötzlich zu nerven.

„Vielleicht spielen sie auch nicht so wie du. Vielleicht mögen sie Sophia wirklich. Und du weißt was das für dich – für uns – heißt: Sie werden uns fallenlassen."

„Emilia!" Ich zuckte leicht zusammen und wandte mich zu Becca.

„Hm?" „Du bist dran. Wahrheit oder Pflicht?" Ich sah vor mich und sie hatte Recht. Der Flaschenkopf deutete auf mich. Wie lange war ich weggetreten gewesen?

„Pflicht", entschied ich mich und hörte auf mich über mich selbst zu wundern. Das hatte mir noch nie gut getan.

Nun stand Becca vom Boden auf und lief zu der Vitrine an der Wand. Nach kurzem Überlegen nahm sie eine Flasche heraus und setzte sich zurück auf ihren Platz. Schon bevor sie mir die noch etwa halb volle Flasche hinhielt, wusste ich, was meine Aufgabe sein würde.

„Ich hoffe du magst Whiskey, Em."


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