Wettschulden sind Ehrenschulden

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...vor acht Jahren...

Jetzt war ich endlich nicht mehr in der Grundschule. Immer wieder hatte ich mir von Amelie anhören müssen, dass ich noch ein kleines Baby war, weil ich noch in die Grundschule ging.
Doch das war jetzt vorbei. Die Gesichter meiner Klassenkameraden hatten sich nicht großartig verändert. Es war fast als wäre es meine komplette alte Klasse, nur in einem anderen Raum. Einer anderen Schule. Aber ein paar kannte ich auch nicht. Mit den meisten hatte ich allerdings ohnehin nichts zu tun.


Mir war eine kleine Gruppe Freunde lieber. Ich behielt gern den Überblick. Und davon einmal abgesehen waren die meisten in der Klasse langweilig. An ihnen gab es nichts was mich interessierte. Ich konnte sie ansehen und nach etwas brauchbarem suchen, aber es gab nichts zu finden. Sie waren und blieben einfach öde.

Es war gerade Pause und wir liefen draußen über den Hof. Ich entdecke Sophia, ein Mädchen aus der Parallelklasse. Sie hatte braune Haare, so wie meine. Nur trug sie ihres glatt gekämmt und sie reichten nicht ganz hinab zu ihren Schultern. Dazu kamen die grauen Augen und eine Stupsnase.


Vor zwei Tagen hatten wir um drei Bonbons gewettet, dass sie sich nicht trauen würde eine Runde über den Lehrerparkplatz zu rennen. Während der Schulzeit war es verboten das Gelände zu verlassen und in das Verbot war der Parkplatz eingeschlossen. Natürlich hatte sie sich nicht getraut, aber die Bonbons hatte sie mir nicht gegeben. Jetzt konnte ich Kaubonbons in ihrer Hand erkennen. Karamell wie es nach dem Papier aussah, meine Lieblingssorte. 


„Das sind meine Bonbons", sagte ich ihr. 


„Nein, das sind meine." 


„Aber du schuldest sie mir! Wir haben darum gewettet." 


Sophia zuckte nur mit den Schultern und ging weg. 


"Wie kann sie es wagen", wütete die Stimme in meinem Kopf.


Ich kannte sie nun seit zwei Jahren. Nach der Sache mit Amelies Schneekugel war sie plötzlich da. Darüber war ich froh, denn sie half mir wann immer es nötig war. So wie jetzt. 


"Du kannst sie nicht einfach so davonkommen lassen! Ihr habt gewettet, sie hat verloren, also schuldet sie dir diese Bonbons. Wenn sie die nicht freiwillig rausrückt, musst du dir eben etwas einfallen lassen."


Da entdeckte ich einen Lehrer. Ich kannte zwar nicht seinen Namen, aber es würde trotzdem funktionieren. Ich grinste in mich hinein als ich im nächsten Moment das traurigste Gesicht aufsetzte, das ich hinbekam und zu ihm ging.

„Entschuldigen Sie", versuchte ich es in einem zögerlichen und leicht verängstigten Ton. Die perfekte Mischung damit Erwachsene mitfühlend wurden. 


„Ja, was gibt's denn?", fragte er freundlich und mit einem warmen Lächeln.

„Das Mädchen da hinten hat mir meine Bonbons aus dem Ranzen geklaut und jetzt will sie sie mir nicht wiedergeben. Aber das sind meine Bonbons." 

Ich deutete auf Sophia. Er sah zu ihr und nickte. 


„Okay, ich hol sie dir wieder. Keine Sorge." Er lächelte mir nochmal kurz zu und dann gingen wir zu Sophia.

„So Kleine, ich habe gehört du hast diesem Mädchen die Bonbons geklaut. Das macht man nicht. Ich erwarte, dass du dich entschuldigst und sie ihr wieder gibst, okay?" 


Sophia sah mich an und ich lächelte nur unschuldig. Es war nicht schwer zu erraten, dass sie damit nicht gerechnet hatte. Genauso wie sie ihren Ärger darüber nicht verstecken konnte. Nicht vor mir. Am liebsten hätte ich laut losgelacht, so einen Spaß machte es mir ihr beim Denken zuzusehen.
„Es tut mir leid Emilia", sagte sie schließlich und gab mir die Bonbons. 


„Dann ist das auch geklärt. Ich hoffe du machst sowas nicht nochmal. Wenn du gefragt hättest, hätte sie dir bestimmt eins abgegeben."

„Natürlich", nickte ich und der Lehrer ging wieder.


Es klingelte und während ich die Treppe mit den übrigen Schülern nach oben lief, genoss ich den leckeren Karamellgeschmack der Bonbons, die ich kaute. Das Papier steckte ich in meine Hosentasche. Wenn ich nachhause kam, würde ich das Bonbonpapier in die Kiste unter meinem Bett tun. Zu den anderen Dingen, die ich angefangen hatte zu sammeln, jedes Mal wenn ich eine Lüge erzählte. Es waren nur Kleinigkeiten, nicht so groß wie der Gegenstand meiner ersten Lüge. Die Schneekugel. Doch sobald ich die Gegenstände wieder in der Hand hatte, wusste ich genau zu welcher Lüge sie gehörten.

Die meiste Zeit blieben sie aber in der Kiste, damit sie keiner entdeckte. Sie waren meine Schätze. Erinnerungen daran wer ich war und was ich erreichen konnte. Ich hatte etwas gefunden in dem ich gut war. Nicht nur gut, sondern überlegen. Die Dinge in dieser Kiste gaben mir Kraft.


Und im Laufe der Zeit sollten es noch mehr werden...

--> überarbeitet


LügenkindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt