Chancen

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"Was hat er gesagt?", schrie Caren verzweifelt. "Du hast schon richtig gehört.", schluchzte ich. "Mein Gott, hör auf zu weinen, Luna!", tröstete sie mich und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. "Das ist vielleicht ein Depp! Erst angraben und dann die kalte Schulter zeigen...", regte Caren sich auf.
"Tut mir leid, Luna...", schrieb Joschka plötzlich. "Du weißt doch nicht einmal, wofür du dich entschuldigst!", reagierte ich wütend. Mir kullerte wieder eine Träne über die Wange. Wie konnte man sich nur so stark in eine Person verlieben, die man nicht ansatzweise kannte?
"Komm bitte zu mir, ich will mit dir reden.", bat er mich. "Ich vertraue dir nicht.", schrieb ich kühl. Ein entgangener Anruf von Joschka leuchtete auf meinem Display.
Am Nachmittag quälte mich die Sehnsucht und ich radelte doch zu Joschka. Er öffnete überrascht die Tür, ging auf mich zu und umarmte mich lang. Ich wünschte mir insgeheim, dieses Gefühl von Wärme, Geborgenheit und diesen Schmetterlingen im Bauch einfach ausblenden zu können, um mal objektiv an die Sache heranzugehen, aber das war leichter gesagt als getan. Joschka griff wieder nach meiner Hand und nahm mich mit hinein. Wir gingen nach oben und setzten uns. Er fing an: "Luna... Es ist nicht so, dass du mir egal bist. Im Gegenteil, ich glaube, ich habe mich ganz schön in dich verliebt, aber es tut einfach weh, zu wissen, dass du in der Schulzeit wieder weg musst. Entschuldigung, dass ich dich einfach weggeschickt hab, aber ich war zu dem Zeitpunkt einfach nicht bei klaren Gedanken. Verzeihst du mir?" Ich schaute ihn wortlos an. "Du hast übrigens etwas vergessen...", sagte er vorsichtig und hielt mir seinen Pullover hin. "Du bist vielleicht doof!", grinste ich. Joschka konnte ich einfach nicht widerstehen. Dann machte er an seinem PC wieder Musik an. Er zog mich wieder in die Mitte des Raumes und wir tanzten zu Narcotic. Man wusste, dass man richtig tanzen konnte, wenn man an nichts mehr dachte und die Schritte trotzdem richtig setzte. All meine Sorgen waren verschwunden. Einfach wie weggeblasen. Der Song neigte sich dem Ende zu und Joschka hielt inne. Wieder legte er seine Hände auf mein Kreuz, strich mir diesmal jedoch sanft mit einer Hand über den Rücken. Er schaute mich an, als wäre ich das letzte Einhorn gewesen. Der Blick, den er mir bei unserem ersten Treffen zugeworfen hatte, schoss mir in den Kopf. Dieses böse Funkeln, als führte er etwas im Schilde. Doch jetzt schaute er so niedlich und gutmütig, ich musste fast über den Gedanken, er hätte etwas Böses in sich gehabt, lachen. Mit meiner Hand fuhr ich ihm durch seine Haare. Oh Gott, waren die flauschig! Er lächelte vergnügt, es schien ihm zu gefallen. Dann packte er mich und ich verlor den Kontakt zum Boden. Joschka trug mich in sein Bett und legte sich dazu. Mit seiner Hand strich er mir die Haare aus dem Gesicht, zögerte kurz und küsste mich darauf. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust, spürte seinen Herzschlag und kraulte ihm den Kopf. Wogen des Glücks durchfuhren meinen Körper, vergleichbar mit Wellen, die durch das Meer schwappten. Keiner sagte ein Wort und doch herrschte keine Stille. Ich schloss die Augen und döste ein wenig. Als Joschka das merkte, gab er mir einen Kuss auf die Stirn. Er drehte sich geschickt unter mir hervor und legte sich über mich. Aus dieser Lage küsste er mich dann. Überwältigend.
Nach einer ganzen Weile konnte ich schon nicht mehr mitzählen, wie oft er mich nun schon geküsst hatte.
"Verdammt!", fluchte ich, als ich einen Blick aus dem Fenster warf, "Ich hab meinem Vater versprochen, vor der Dunkelheit zuhause zu sein..." "Was machst du jetzt? Kann ich dir helfen?", sorgte sich Joschka. "Ich frage meine Oma, ob ich bei ihr schlafen darf, dann hab ich es nicht so weit." "Wo wohnt die denn?", wollte er wissen. "In der Priorstraße, quasi am anderen Ende des Dorfes.", erklärte ich ihm. "Dann bringe ich dich nachhause, ja?", bot er mir an. "Das ist lieb von dir.", bedankte ich mich.
Mein Vater und meine Großmutter hatten beide zugestimmt. Caren beschloss deshalb bei Wilson zu schlafen, damit wir am nächsten Tag gleich zusammen an den Badesee fahren konnten. Der Weg nachhause war viel zu kurz, doch wir hatten uns viel über einander erzählt. Am Tor gab Joschka mir einen Abschiedskuss. "Schreib mir, wenn du zuhause bist.", sagte ich. "Wieso?", stichelte er schmunzelnd. Er kannte die Antwort ganz genau. "Damit ich mir keine Sorgen machen muss und jetzt beeil dich, es wird erst um 6 Uhr wieder hell!", lachte ich. Ich schaute ihm noch hinterher, ehe er nach rechts in die nächste Straße bog.

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