The Way Of Love

Bei Nacht

Caren wusste von meinen Problemen, denn ich hatte mich die letzten drei Tage ständig bei ihr ausgeheult. "Sollen wir seinen Penis mit einem Glätteisen bearbeiten?", hatte sie mich gefragt. Daraufhin musste ich mit verquollenem Gesicht trotzdem schmunzeln. "Heute gehen wir raus und genießen den Abend auf der Modersohnbrücke. Wir können mit dem Fahrrad auch in den Treptower Park und dort den Sommer genießen!", schlug Caren vor. "Du weißt auch echt immer genau, was ich brauche.", lächelte ich matt.
Um 20 Uhr stand die Sonne schon tief und wir radelten los. Auf den Straßen fuhren unheimlich viele Autos und es war deutlich schwieriger, hier Fahrrad zu fahren, als auf dem Dorf. An der Spree war die Hölle los. Alle waren auf einmal auf die Idee gekommen, den Tag am Flussufer ausklingen zu lassen, inklusive Caren und mir. Die Sonne ging allmählich in ein blutiges Rot über und verlieh dem Ufer eine total entspannte Atmosphäre. Caren kramte in ihrem Beutel und holte ein pinkes Täschchen heraus. Darin befanden sich ihre Zigaretten, Feuerzeuge, Papes, Filter und was man nicht alles zum Rauchen gebrauchen konnte. Sie öffnete eine kleine Dose und offenbarte mir eine Tüte. "Feinstes Haze.", flüsterte Caren, da die Polizei hier an jeder Ecke lauern konnte. Ganz unschuldig war ich nicht, denn ich hatte schon des Öfteren gekifft, aber irgendetwas schien ich falsch zu machen, denn ich war noch nie breit gewesen. "Du weißt doch, dass das bei mir nicht wirkt.", erinnerte ich sie enttäuscht. "Ich wäre doch nicht deine Schwester, wenn ich nicht an dich gedacht hätte!", erwiderte Caren und zog einen Gegenstand aus dem Täschchen, der in Küchenrolle eingewickelt war. Sie drückte ihn mir in die Hand und ich brachte einen Keks zum Vorschein. Vorsichtig roch ich daran und der süßliche Geruch übermannte mich sofort. "Du bist echt geil.", lobte ich Caren und biss dennoch etwas unentschlossen vom Keks ab. "Wenn du was merkst, dreh ich mir 'nen Johny.", erklärte Caren. "Geht klar.", nuschelte ich, während ich den Keks weiter aß. Dann holte ich eine Box aus meinem Rucksack und machte Musik an. "Ich brauch jetzt 'n bisschen Summer Vibes.", rechtfertigte ich dies. Es liefen Songs, die ich das letzte Mal gehört hatte, als wir das erste Mal zu meinem Onkel nach Spanien geflogen sind. Damals war ich in der zweiten Klasse gewesen und schon überkam mich ein sehnsüchtiger Gedanke an die Unbeschwertheit meiner Kindheit. Einer dieser Songs war Gewinner  von Clueso. Die Melodie war eigentlich einfach nur entspannend, aber ich fing an auf den Text zu achten und augenblicklich kam mir wieder Joschka in den Sinn. "Ich bin dabei, du bist dabei, wir sind dabei uns zu verlieren..." Ehe ich mir weiter den Kopf darüber zerbrechen konnte, fühlte ich mich schon, als hätte ich zu viel getrunken. "Caren? Hab ich rote Augen?", fragte ich. "Joo. Ich dreh mir dann mal meinen Spliff. ", entgegnete sie ganz locker. In meinen Augen spürte ich einen leichten Druck, der sich langsam in Schwere umwandelte. Mich überkam ein so gewaltiger Druck, dass ich das Gefühl hatte, selbst der Boden würde unter mir nachgeben. Nachdem dieser Druck für ein paar Minuten unerträglich wurde, spürte ich, wie alles ganz leicht wurde. Auf meine Umgebung achtete ich nicht mehr, denn jeder Reiz von außerhalb war anstrengend. Einen Körper schien ich nicht mehr zu besitzen, viel mehr war ich ein Ozean, der so weit wie das Universum reichte. Sobald Caren mich antippte, merkte ich ihre Hand schon, wenn sie noch einen Meter von meinem Arm entfernt war. Die Berührung hinterließ im Ozean dann Wellen, wie wenn man einen Kieselstein in den See warf. Es fühlte sich an, als würde ich die ganze Zeit zwischen der Realität und einer Parallelwelt wechseln. Alles, was ich in der Realität fühlte, wurde automatisch in visuelle Bilder umgewandelt. So kam es, dass die Luft draußen kühler wurde und ich die Kälte in Form einer Lunge, in die im Takt meines Atems weißer Rauch ein- und austrat, wahrnahm.
Nach drei Stunden war ich zumindest wieder in der Lage, halbwegs gerade zu laufen und so traten wir den Heimweg an.