Dorffest Teil 1

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"Heute um 17 Uhr am Rathaus? Die Leute, die letztens am Pavillon waren, fahren alle zum Heimatfest. Du könntest anschließend bei mir übernachten, aber wir fahren vorher auch nochmal zu mir.", schrieb Joschka. "Gern.", antwortete ich.
Ich hatte jetzt noch zwei Stunden, um mir die Haare zu waschen, mir das perfekte Outfit zu überlegen und ins Dorf zu fahren. "Ob ich heute lange zum Duschen brauch?", fragte ich mich. Das war immer so eine Sache. Die Zeit, die ich beim Duschen benötigte, hing ganz davon ab, wieviele Gedanken in meinem Kopf herumschlichen. Ich machte mir etwas Musik zur Orientierung an. Eine Playlist mit 6 Songs, die etwa 25 Minuten liefen. Bis dahin musste ich also, inklusive Abtrocknen, wieder aus der Wanne sein. Ich teilte Caren und unserem Vater noch mit, was ich heute vor hatte, da die beiden erst in drei Stunden wieder zuhause gewesen wären.
"...and she's buying a stairway to heaven." Pünktlich zum Ende des letzten Liedes stellte ich mich in Unterwäsche vor den Badezimmerspiegel und föhnte ihn kurz an, damit der Wasserdampf verschwand. Das scheußliche Licht der neuesten "normgerechten Öko-Sparlampen" betonte jede Unebenheit und jeden noch so kleinen Pickel in meinem Gesicht. Meine Lider zuckten ein wenig, als ich mir ein paar überstehende Augenbrauenhaare zupfte. So reinlich war ich nie. Manchmal wusch ich mir in den Ferien nur ein Mal die Woche meine Haare und an Augenbrauen zupfen hatte ich vorher nicht im Schlaf gedacht. Dies zutun, um Joschka noch mehr zu gefallen, war es irgendwie wert und auf einmal fühlte sich selbst lästiges Rasieren wie eine Wohltat an.
In meinem Zimmer lag sein Pullover. Ich griff im Schrank nach einer schwarzen Hose und einem Paar Socken. Da mir das aufdringliche Pink jedoch missfiel, suchte ich ein weiteres Paar. Mein Bauch war nicht wirklich dick, aber wenn ich zu viel gegessen und mich zu wenig bewegt hatte, bekam ich im Laufe des Tages den Bauch einer Schwangeren im neunten Monat. Ich zog die Hose über, zupfte noch ein bisschen am Bund und stellte mich vor den Spiegel. "So musst du bleiben, dann sieht es nicht zu dünn und nicht zu dick aus...", murmelte ich zu mir selbst. Solange es heute noch warm war, zog ich mir nur ein schlichtes Shirt an und packte Joschkas Pullover wieder in meinen Rucksack. Die ranzigsten Sneaker mussten reichen, denn vermutlich tanzten wir heute Abend viel.
16.35 Uhr zeigte die Uhr im Wohnzimmer. "Perfekt.", dachte ich. Im Treppenhaus stürzte ich halb, so eifrig setzte ich meine Füße. Vom Fahrrad aus grüßte ich noch einen Nachbarn und raste los. Die Pedalen ließen sich heute noch leichter treten und ich schien zeitlich her wirklich zu fliegen. Nach nicht einmal 20 Minuten stand ich am Rathausvorplatz. Der Platz war mit präzise in Form gebrachtem Rasen überwachsen, durch den ein breiter Steinweg direkt zum Eingang des Rathauses führte. Schon von Weitem sah ich Joschka auf seinem Fahrrad. Ich stieg ab und lief ihm entgegen. Joschka kam zum Stehen und umarmte mich fest. "Na dann, wir haben jetzt eine Stunde Zeit, bis wir zum Parkplatz am Hort müssen, da treffen sich alle.", erläuterte er. Zustimmend nickte ich, bevor wir uns wieder auf die Räder setzen. Der Weg zu seinem Haus war sehr kurz und wir stellten unsere Räder in den Schuppen. Seine Eltern begrüßten mich und fragten noch, ob wir etwas essen wollten. Wir entschieden uns dafür, noch ein paar Brote für später zu schmieren und gingen dann hoch in sein Zimmer. Ich legte meinen Rucksack hin und setzte mich neben ihn aufs Bett. Er zog mich sofort aus dem Sitzen ins Liegen und genoss, dass ich ihm wieder durch die Haare strich. Die Zeit verging im Flug und schon war eine Stunde zärtlicher Zweisamkeit vorüber.

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