1

6.6K 439 96
                                    

Monday

Die Finger des braunhaarigen Teenagers glitten durch seine Haare, während er irgendwie versuchte sie zu bändigen. Sie waren zu dick und wuschlig und seine Hände zu zittrig. Er mochte Gel nicht. Es war was für die Coolen. Und Louis war nicht cool.

Ein leises Seufzen entwich ihm bevor er beschloss es sein zu lassen und dem Spiegel den Rücken zukehrte, geradewegs zurück in sein Zimmer lief nur um auf dem Weg zweimal über seine eigenen Füße zu stolpern. Sein Blick suchte die Uhr und ließ ihn jäh panisch sich umschauen. Die Zeit rann ihm davon und er konnte nicht schon wieder zu spät kommen.

Seit er mehr oder weniger Kontakt zu Harry hatte, der nicht aus sinnlosen Schimpfwörtern bestand, war Louis vollkommen neben der Spur. Seine Hände zitterten noch mehr, seine Unpünktlichkeit verstärkte sich und seine Noten waren von einer 1 auf die 2 gefallen. Seine Gedanken kreisten mehrmals am Tag um Harry – die meisten davon waren Zweifel. Meinte Harry es ernst oder plante er nur den nächsten Schachzug in seinem miesen Spiel mit Louis, das er seit Jahren spielte? Wieso sollte Harry Louis mögen? Er war doch nur ein ungeschickter, zu intelligenter Junge.

Dabei waren Harry und Louis gar nicht so gute Freunde. Louis wusste Dinge von Harry, die kein anderer wusste, Harry genauso von Louis, aber trotzdem war da nichts, was man großes Vertrauen nennen konnte. Denn das frustrierte Louis. Er schwärmte bei seinem besten Freund immer noch von Harry und wie perfekt er trotz seiner kalten Art war.

Kurz schüttelte Louis den Kopf, bis er sich seinen Rucksack schnappte, diesen schulterte und die Treppe hinunterlief. Seine Schwester saß am Küchentisch, ihr Handy betrachtend und Louis keines Blickes würdigend. "Morgen Louis", war das einzige, was der Junge von ihr zu hören bekam. Ihre Klasse hatte heute die ersten beiden Stunden frei, worum Louis sie echt beneidete. Er musste stets alle Stunden durchhalten.

Louis beneidete sie generell. Zwar war sie für ihn da, wenn er sie brauchte, aber Lottie gehörte eigentlich zu den Mädchen, die Leute wie Louis mobbten. Das kränkte Louis sehr, aber auch das verkraftete er...irgendwie.

"Morgen", grüßte er die Blonde zurück, ehe er zur Haustür ging. Seine Mutter schlief bestimmt noch. Und seine kleineren Geschwister erst recht.

Als Louis das Haus verließ, fühlte er sich etwas allein. Er sah ein paar aus seiner Schule, die lachend als Gruppe zur Bushaltestelle liefen. Und er, ein dürrer, allein gelassener Junge, ging, mit der Kapuze tief ins Gesicht gezogen, alleine daher. Etwas nervös tippelte er vom einen auf den anderen Fuß hin und her.

So ging es immer. Harry machte ihn nervös, auch ohne seine Anwesenheit. Der Lockenkopf war sich sicher nicht bewusst, was er mit Louis anstellte. Wie er Louis' Wangen erröten ließ – alleine durch die Anwesenheit oder auch nur ein Gedanke.
Er wusste nicht, wie er das Blut in Louis' Ader zum gefrieren brachte und in anderen Momenten zum unglaublichen Pulsieren.

Das bekannte laute Geräusch des anfahrenden Buses veranlagte Louis dazu, seinen Kopf zu heben. Er stieg immer als letzter ein, da die anderen, viel breiteren Typen, ihn eh wegschubsten. Aber er fand das nicht schlimm. Schließlich gewöhnte man sich dran und irgendwann hört es sicherlich auf, dachte Louis stets. Er zeigte dann seine Karte vor und setzte sich ans Fenster. Immer noch zitternd kramte er in seiner Jackentasche die verknoteten Kopfhörer hervor. Diese steckte er in sein Handy und machte sich Musik an.

Während die laute Musik in Louis' Ohren dröhnte, sah er sich die Stadt an. Oder eher 'das Kuhdorf, indem er wohnte, so wie es Lottie immer nannte. Doncaster war nicht groß. Louis' Traum ist es irgendwann in London leben zu können. Am Besten mit Harry. Als Familie mit vielen Kindern und einem tollen Miteinander. Bei diesem Gedanken machte sich ein Lächeln auf Louis' Gesicht breit und er spürte die Blicke der kleinen Grundschüler auf sich, die den selben Bus, wie die Großen nutzten. Er schaute ein Kind an und lächelte. Er mochte Kinder. Er mochte auch seine kleinen Schwestern, die ihn jedoch manchmal wirklich nervten. Sei es, weil sie mit seiner Konsole spielen wollen oder nur weil sie ihn ja beim Puppen spielen dabei haben wollen. Sie verstanden nicht, dass Louis zu alt dafür ist. Den 16-Jährigen sprachen ganz andere Sachen an. Jedoch auch keine nackten Playboy Models, wie manche in seiner Klasse.

Er war schwul. Wie Harry, was er durch seine Zeit auf der Schultoilette mit Harry rausfinden konnte. Diese suchte er nicht mehr auf. Er versuchte sich durchzukämpfen. Was in seinem Fall hieß, dass er sich zusammenschlagen ließ. Egal was er sagte, niemand hörte auf ihn. Die vielen blauen Flecken und Narben, die seinen Körper zieren, gehörten schon längst für Louis dazu. Sie waren nicht nur auf seiner Haut, sondern drangen bis in sein Innerstes vor. Vielleicht sah man es ihm nicht an, aber mit jedem Wort, mit jeder Tat, starb Louis innerlich mehr. Bis er wohl irgendwann zerbrechen würde, würde ihm bald niemand helfen.

Der Junge wurde nach vorne geschleudert, als der Bus eine Vollbremsung hinlegte. Sein Kopf knallte schmerzhaft an den Sitz vor ihm, ließ ihn schmerzhaft aufstöhnen. Verdammt.

Louis rieb sich die Stirn und ließ sein Handy fallen, was auf dem Boden aufkam und dessen Display zersprang. Der junge Mann zischte und hob es auf. Funktionieren tat es noch, aber gut aussehen? Das tat es nicht mehr.

Seine Gefühle konzentrierten sich prompt auf das Hämmern in seiner Brust, ließen Harry etwas in den Hintergrundrücken.

Als Louis an seiner Schule ausstieg, sah er sofort auf den Boden. Die vielen Menschen bedrängten ihn zwar nicht, aber sie sahen ihn an. Wahrscheinlich lag es an seinen Armen, die schmerzhaft um den Bauch geschlungen waren oder an der roten Stelle am Kopf, die durch den Aufprall gegen den Vordersitz im Bus entstanden war.

Louis' Bauch schmerzte bei dem Gedanken das Gebäude betreten zu müssen. Er freute sich schon lange nicht mehr auf die Schule und eigentlich tat er das noch nie. Seine Noten waren sehr gut, doch seine Stimmung war irgendwo am Mittelpunkt der Erde.

Wo hätte sie sonst sein sollen?

So betrat Louis sein persönliches Horrorgebäude. Geradewegs lief er auf seinen Spind zu und hatte anscheinend einen guten Tag erwischt, ohne, dass er sofort abgefangen wurde.

Immer noch zittrig, sperrte Louis das rote Ding auf und nahm seine Bücher heraus.

"Hey Louis"

Trouble after Toilets | Larry ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt