Langsam schlendere ich den Waldweg entlang. Es dämmert bereits und die untergehende Sonne taucht den Himmel in strahlendes Rot und Orange. Ich lausche dem Rauschen des Windes in den Blättern, dem Ächzen der der alten Bäume und dem Gesang der letzten Vögel. Ein kühler Wind weht über die Baumkronen hinweg und lässt das erste Grün an den Ästen der Bäume erzittern. Der Frühling kommt. Die Qualen der kalten Winterzeit gehen langsam aber sicher zu Ende. Ich laufe weiter den schmalen Weg entlang. Zwei Hasen die ich heute erlegt habe baumeln über der einen Schulter, der Bogen über der anderen. In meiner Hand habe ich die selbstgemachten Pfeile und in meinem Gürtel steckt das Messer, welches mir meine Mutter einmal geschenkt hat.
Mein Name ist Damian. Ich bin 18 Jahre alt und kümmere mich seit ich 14 bin um meine Mutter und meine kleine Schwester Rosie. Mein Vater wurde vor vielen Jahren von König Avelon verschleppt. Er wurde beim Wildern im Wald erwischt und seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört. Ich kann mich nicht mal mehr richtig an ihn erinnern.
König Avelon ist ein grausamer Mann der seit Jahren unser Land tyrannisiert. Er nimmt sich was er will, ohne Rücksicht auf die Menschen zu nehmen. Ich habe mir sagen lassen, dass es nicht immer so war. Dass vor langer Zeit ein gutherziger König das Land regiert habe. Doch für mich bleibt keine Zeit, über die Vergangenheit nachzudenken. Ich muss dafür sorgen, dass meine Mutter und meine Schwester etwas zu essen bekommen und dass wir unser Haus behalten können. Tagsüber arbeite ich auf der nahegelegenen Farm von Herr Hamilton. Er ist einer der reichsten Bauern in der Gegend und verdient genügend Geld um ein paar Helfer zu bezahlen.
Doch das Geld, das ich verdiene reicht mit dem was meine Mutter verdient kaum aus, sodass ich manchmal gezwungen bin, uns auf andere Weise etwas zu essen zu beschaffen. So kommt es, dass ich verbotener Weise, in dem nahegelegenen Wald jagen gehe. Mit der Zeit ist meine Jagdtechnick immer besser geworden und ich komme fast immer, wenn ich jagen gehe, mit etwas Fleisch nachhause. Im Frühling, wenn die Tiere sich zum ersten Mal nach dem langen Winter wieder nach draußen begeben, ist die beste Zeit zum Jagen.
Müde laufe ich weiter. Der Weg führt mich noch ein Stück durch den Wald. Mittlerweile steht der Mond am Himmel und die Silhouetten der Bäume ragen in den Sternenhimmel empor. Meine Gelenke schmerzen vom heutigen Tag. Es ist wieder Zeit, die Saat auszusähen und das ständige Bücken bringt wieder tagelange Rückenschmerzen. Ich seufze, streiche mir meine dunklen Locken aus der Stirn und stapfe weiter. Da höre ich plötzlich ein lautes Knacken im Unterholz. Ich bleibe stehen und lausche in den Wald hinein. Schon wieder ertönt ein lautes Knacken. Blitzschnell ziehe ich meinen Bogen und drehe mich in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen ist. Ich sehe nichts. Stille.
Doch auf einmal tritt ein großer Hirsch aus dem Wald hervor. Er ist schneeweiß und sein Fell glänzt silbrig im Mondschein. Er stellt sich vor mich auf den Weg. Ich ziele weiterhin mit dem Bogen auf ihn. Mein Atem geht flach. Meine Muskeln sind bis aufs äußerste angespannt. Doch der Hirsch bleibt ganz ruhig stehen und sieht mich an. Ich zögere. Sollte ich auf ihn schießen? Es wäre eine gute Beute und das Fell könnte ich teuer verkaufen. Es würde sicherlich viel Geld einbringen. Doch irgendetwas hindert mich daran abzuschießen. Ich lasse meinen Bogen sinken und entspanne mich etwas. Der Hirsch wirkt nicht so, als würde er gleich auf mich losgehen. Ich schaue ihn mir genauer an. Er ist ungewöhnlich groß und strahlt etwas Majestätisches aus. Er beobachtet mich ebenfalls.
Es ist ganz still im Wald. Ab und zu ruft eine Eule in die Nacht hinein, doch ansonsten ist es ruhig. Da schnaubt der Hirsch plötzlich und kleine Wölkchen bilden sich in der kühlen Nachtluft. Ich zucke kaum merklich zusammen bei dieser plötzlichen Bewegung. Wir starren uns immer noch schweigend gegenseitig an, als hinter mir ein Rascheln ertönt. Blitzschnell fahre ich herum und sehe gerade noch eine Maus über den Weg huschen. Als ich mich wieder umdrehe, ist der Hirsch verschwunden.
Ich runzle die Stirn und schüttele den Kopf. Habe ich mir das bloß eingebildet? Nachdenklich setze ich meinen Weg nachhause fort. Unser Haus liegt ziemlich abseits vom Rest des Dorfes also ist es noch ein gutes Stück dorthin. Als ich durch die Tür unseres Hauses gehe, höre ich schon die Stimme meiner Mutter, wie sie meiner kleinen Schwester eine Gutenachtgeschichte erzählt. Ich bringe die Hasen in die Küche und lege Holz in unserem Kamin nach. Ich setze mich davor und genieße die Wärme. Ich bin echt fertig und fühle mich ausgelaugt. Ich schließe die Augen und erinnere mich daran wie meine Mutter mir früher immer Geschichten erzählt hat. Aber die besten Geschichten hat mein Vater erzählt. Er konnte mich immer in andere Welten führen.
Ich erinnere mich an seine dunkle, klare Stimme und daran, wie er mir immer über den Kopf gestrichen hat, wenn seine Geschichte ein Ende gefunden hatte. Wieder mal wird mir klar, wie sehr ich ihn doch vermisse. Ein kalter Wind fegt durch unsere Küche. Die Kälte des Winters hat eine unserer Fensterscheibengesprengt und ich bin bis jetzt noch nicht dazu gekommen es zu reparieren. Ich seufze und richte mich etwas schwerfällig wieder auf. Da kommt meine Mutter in die Küche und sieht mich an. „Du kommst spät mein Junge.", sagt sie zaghaft. Sie geht auf mich zu, nimmt mir meine Jacke ab und hängt sie auf den Haken hinter der Haustür. Einmal mehr beobachte ich ihre zierliche Gestalt. Seit mein Vater nicht mehr bei uns ist, geht es ihr nicht sonderlich gut. Sie baut zusehend ab und ihr ist der schmerz förmlich anzusehen. Sie kommt über diesen Verlust einfach nicht hinweg. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ihre Augen früher immer gestrahlt und geleuchtet haben. Doch seit mein Vater nicht mehr da ist, ist jegliches Licht in ihren Augen erloschen. Sie dreht sich wieder zu mir um und sieht mich an.
Ich lächle sie leicht an und auch sie verzieht die Lippen zu einem zaghaften Lächeln, welches allerdings nicht ganz ihre Augen erreicht. Das tut es schon lange nicht mehr. „Schläft Rosie schon?", frage ich leise. Meine Mutter nickt leicht. „Sie wollte eigentlich noch warten bis du nachhause kommst aber du bist später gekommen.", erwidert sie. Aber ohne jede Spur von Vorwurf in ihrer Stimme. Ich senke den Kopf. „Es tut mir leid.", sage ich leise, „Ich war noch jagen." Mit einem kurzen Nicken deute ich auf die Hasen. Meine Mutter seufzt. „Du weißt genau was ich davon halte, wenn du im Wald jagen gehst." „Ich weiß.", erwidere ich leise und mit gesenktem Kopf. „Aber wir brauchen doch etwas zu essen." Ich höre sie erneut seufzen. „Wenn sie dich erwischen bist du entweder tot oder sie machen sonst was mit dir.", wispert sie leise. „Ich kenne die sicheren Wege.", versuche ich sie zu besänftigen und sehe sie an. Sie hebt den Blick und sieht mich an. „Das hat er auch immer gesagt." Ihre Augen blitzen für den Bruchteil einer Sekunde leicht auf. „Ich will dich nicht auch noch verlieren." Mit zwei großen Schritten bin ich bei ihr und nehme sie in den Arm. Es macht mich rasend vor Wut, dass ich ihr nicht so helfen kann wie ich es gerne würde. Ich kann nur hier für sie da sein und sie so gut wie möglich unterstützen. Ich lege mein Kinn auf ihrem Kopf ab und halte sie fest in meinen Armen. „Das wird nie passieren.", flüstere ich sanft in ihr Haar.
„Das hat er auch immer gesagt..."
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Kampf der Elemente
Adventure13. Jahrhundert. Damian ist ein ganz normaler 18 jähriger Junge. Sein Vater ist tot, seine Mutter ist ein psychisches Wrack. Nun liegt es an ihm, seine Mutter und seine kleine Schwester Rosie über die Runden zu bekommen. Doch dieser Frühling soll...