Als ich langsam wieder zu mir komme, spüre ich immer noch das heftige Pochen in meinem Hinterkopf. „Er kommt wieder zu sich!" Höre ich eine vertraute Stimme sagen. Kann aber nicht zuordnen zu wen sie gehört.
Ich öffne langsam meine Augen. Da taucht das Gesicht meines Freundes Mino vor mir auf. „Hey du Wahnsinniger!", grinst er, doch sein Grinsen wirkt unnormal gezwungen. Ich versuche mich aufzusetzen, doch der Schmerz in meinem Kopf lässt mich stöhnend zurücksinken. Ich liege auf etwas das sich wie Stroh anfühlt. Soweit ich das erkennen kann, sind wir in eine Art Kellerraum. Es riecht nach Moos und die Luft ist feucht.
„Nana nicht so schnell.", mahnt mich mein Freund, „Sag mal, bist du eigentlich lebensmüde?", fragt er dann auf einmal. Ich runzele fragend die Stirn. „Wieso? Was ist denn eigentlich passiert?" Ich versuche mich erneut aufzusetzen und schaffe es diesmal sogar. Ich sehe, dass wir nicht alleine sind. Ich kann bekannte Gesichter aus unserem Dorf erkennen. Doch auch unbekannte sind unter den duzenden jungen Männern. Manche sitzen auf dem Boden und starren Löcher in die Luft. Andere laufen auf und ab. Mein Blick gleitet zu meinem Freund der mich fassungslos ansieht.
„Ach", sagt er dann, „ist ja nicht so, als hättest du zwei Soldaten des Königs verprügelt!" Seine Stimme trieft nur so vor Sarkasmus. Da kommt mir alles wieder in den Sinn. Der Befehl von König Avelon, die Soldaten, meine Mutter und... Rosie! Ich habe mich gar nicht von ihr verabschieden können. Ob ich sie je wiedersehen werde? Ich seufze frustriert. „Was machen wie eigentlich hier?", wende ich mich wieder an Mino. Er lacht gespielt auf. „Es wird gesagt, dass unser werter König eine Armee aufstellen will. Dafür braucht er wohl neue Soldaten. Aber das sind bloß Gerüchte, keine Ahnung ob da was dran ist." Er zuckt mit den Schultern. Ich nicke nur geistesabwesend und starre an die kahle Wand gegenüber von mir.
Nach einer Weile ist ein Schlüssel im Schloss zu hören. Alle im Raum halten inne und starren auf die schwere Eisentür, die sich nun öffnet. Drei Soldaten betreten den Raum. Sie alle sind relativ groß und haben Schwerter in ihren Gürteln stecken. „Alle herkommen!", brüllt einer der Soldaten mit einem Nachdruck in der Stimme, der keine Wiederrede duldet. Mino hilft mir auf die Beine. Der Schmerz in meinem Hinterkopf ist zu einem leichten Klopfen abgeklungen. Alle versammeln sich mehr oder weniger zögernd. „Jetzt alle in einer Reihe aufstellen!", donnert der Soldat wieder. Gesagt, getan. Ich werfe Mino einen fragenden Blick zu, doch dieser sieht genauso planlos aus wie ich es bin und zuckt nur mit den Schultern.
Die Soldaten geben jedem von uns einen Zettel in die Hand. Als ich meinen umdrehe, sehe ich die Zahl 38 darauf stehen. „Jeder von euch hat jetzt eine Nummer bekommen!", ertönt wieder die Stimme des Soldaten. „Sobald eure Nummer aufgerufen wird, kommt ihr mit nach draußen!" Mit diesen Worten dreht er sich um und verschwindet mit den anderen Soldaten. Die Tür wird hinter ihnen wieder abgeschlossen. Kaum haben die Soldaten den Raum verlassen, fangen alle an, wild durcheinander zu reden. Mino und ich verziehen uns in eine Ecke, in der wir relativ ungestört sind. „Was glaubst du machen sie hier mit uns?", fragt Mino. „Ich glaube das finden wir bald heraus.", erwidere ich bloß.
Plötzlich geht die Tür wieder auf und alle warten gebannt, wer hereinkommt, doch man hört nur eine Stimme von draußen rufen: „Nummer Eins! Herkommen!" Der Junge, auf dessen Zettel wohl die Zahl 1 steht, sieht sich zuerst unsicher um, bevor er zögernd auf die Tür zu geht, die hinter ihm wieder verschlossen wird. Alle warten darauf, dass er wieder zurückkommt. Doch nach etwa fünf Minuten wird die Tür wieder geöffnet und Nummer Zwei wird aufgefordert mitzukommen. So geht es immer weiter. Die Stimmung der Zurückgebliebenen ist deutlich angespannt. Mal dauert es kürzer, mal länger.
Ich lehne mich an die kühle Steinwand hinter mir und schließe die Augen. Es muss ein Traum sein. Bestimmt wache ich gleich wieder auf. Es muss einfach so sein! Erst als die Nummer 37 aufgerufen wird, und ich somit wohl oder übel als Nächstes an der Reihe bin, gestehe ich mir ein, dass dies alles wohl doch kein Traum, sondern die bittere Realität ist. Die Anspannung in mir steigt. Mino legt mir beruhigend die Hand auf die Schulter. Er hat die Nummer 39, ist also direkt nach mir dran. Als die Tür sich erneut geöffnet wird, bin ich bereits aufgestanden. Ich werfe Mino einen letzten Blick zu, bevor ich mich gerade aufrichte und durch die Tür gehe.
Ich werde direkt von zwei Wachen gepackt und lasse mich widerwillig einen langen Flur entlang schleifen. Die Fenster sind von seidenen Gardinen umrahmt und ein Teppich ist auf dem Boden ausgerollt. Wir kommen in einen Gang, an dessen Wänden Banner in den unterschiedlichsten Farben hängen. Zwischen den Bannern hängen Ölgemälde auf denen Menschen abgebildet sind, die ich als Könige und Königinnen erkennen kann.
An einem Bild bleibt mein Blick hängen. Es zeigt ein Königspaar und einen kleinen Jungen. Ich weiß selbst nicht genau warum, aber es kommt mir so vor, als würde ich sie irgendwo her kennen. Unbewusst verlangsamen sich meine Schritte, doch eine der Wachen gibt mir einen Tritt in den Rücken, sodass ich nach vorne stolpere. Ich verrenke meinen Hals, um noch einen Blick auf das Bild werfen zu können, doch die Wachen ziehen mich erbarmungslos weiter.
Sie führen mich in einen Raum. Durch die vielen Fenster scheint die Sonne. Es muss schon Nachmittag sein. Wie lange bin ich denn schon hier? Wo ist hier überhaupt?! Bevor ich mir weiter den Kopf darüber zerbrechen kann, wird die Tür hinter mir wieder geöffnet. Die zwei Wachen, die mich bis eben noch festgehalten haben, treten zurück und verbeugen sich. Da tritt ein Mann in mein Blickfeld.
Ich erkenne ihn. Es ist der Soldaten, der bei uns zuhause war und den Befehl von König Avelon vorgetragen hat. Er ist schätzungsweise 40 Jahre alt und hat tiefe Falten auf der Stirn. Bei genauerem Hinsehen kann ich eine feine Narbe entdecken, die sich von einer Seite der Nase bis zur anderen Seite des Kinns quer über die Lippen zieht. Einer der Wachen tritt vor. Er verbeugt sich noch einmal und sagt dann: „Sir, das ist Nummer 38." Dann tritt er wieder zurück. Der Narbige, wie ich ihn heimlich getauft habe, sieht mich an.
Er runzelt die Stirn. „Dich kenne ich doch irgendwoher.", sagt er und geht einen Schritt auf mich zu. Ich bleib trotzig stehen und versuche meine schnelle Atmung unter Kontrolle zu bekommen. „Genau!", ruft er dann plötzlich aus. „Du warst doch der Kleine der sich so geweigert hat mitzukommen! Du bist ziemlich schlagfertig mein Junge." Er lacht, doch ich bin mir nicht sicher, ob es ein freundliches Lachen sein soll. „Ich hoffe, ich habe dich nicht zu hart erwischt.", redet er weiter, „Der König braucht so starke Männer wie dich in seiner Armee." Ich presse meine Lippen aufeinander. Also ist an den Gerüchten doch was dran. Ich sehe dem Narbigen in die Augen. Ich versuche so viel Hass wie nur möglich in meinen Blick zu legen, doch er sieht mich nur amüsiert an und sagt dann an die Wachen gerichtet: „Bringt ihn in den Ostflügel. Er ist geeignet. Holt den Nächsten!" Die Wachen gehorchen sofort und schleifen mich aus dem Raum.
Den Nächsten?! Nummer 39?! Das ist doch Mino! Ob er auch in den Ostflügel kommt? Ich hoffe es. Wir brauchen uns jetzt! Gegenseitig.
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Kampf der Elemente
Adventure13. Jahrhundert. Damian ist ein ganz normaler 18 jähriger Junge. Sein Vater ist tot, seine Mutter ist ein psychisches Wrack. Nun liegt es an ihm, seine Mutter und seine kleine Schwester Rosie über die Runden zu bekommen. Doch dieser Frühling soll...