Kapitel 5

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„Alle Mann aufstehen!", hallt die Stimme der Wache durch den Raum. Müde schlage ich die Augen auf. Mittlerweile sind ungefähr zwei Wochen vergangen.

Zusammen mit Mino bin ich jetzt Mitglied einer Einheit, die aus ca. 80 Leuten besteht. Wir leben zusammen mit drei anderen Einheiten in einer Kaserne, nahe des Schlosses von König Avelon. Hier werden wir durch tägliches Schwert- und Nahkampftraining zu Soldaten ausgebildet.

Das Training ist hart und man fühlt sich wie eine Spielfigur. Was gesagt wird, muss sofort getan werden. Anfangs habe ich mich gesträubt, doch hier wird einem relativ schnell klargemacht, dass die Befehle der älteren Soldaten schnell und bedingungslos ausgeführt werden sollten. Ansonsten bekommt man auf sehr unsanfte Art und Weise beigebracht zu gehorchen.

Ich stehe von meiner Pritsche auf, die dabei ein unangenehmes Quietschen von sich gibt. Die anderen sind größten Teils auch schon auf den Beinen. Ich strecke mich und gähne. Nach ein paar Tagen gewöhnt man sich an den Muskelkater, der dank des täglichen Trainings nun ein ständiger Begleiter geworden ist.

„Na Damian", höre ich Minos Stimme, „Beeil dich lieber sonst bekommst du richtig Ärger." Ich weiß nicht was ich ohne ihn hier machen würde. Ich glaube ich würde komplett durchdrehen. Ich merke, dass auch er Angst davor hat was noch alles auf uns zukommt. Wir unterstützen uns gegenseitig beim Training. Die älteren Soldaten, die uns trainieren, sind ziemlich hart. Wenn hier jemand sich hartnäckig wehrt oder aufgeben möchte, da gerade der Schwertkampf so manchen ans Limit bringt, wird er verprügelt bis er weitermacht.

Das soll uns anderen wohl zeigen, dass das hier kein Spaß ist, doch das hätten wir auch so gemerkt. Der Narbige ist einer von ihnen. Es scheint, als hätte er Spaß daran, uns einzeln fertig zu machen oder bloß zu stellen. Immer wieder macht er sowas und immer wieder steigt dann unendlicher Hass in mir auf. Schon oft wäre ich auf ihn losgegangen, wenn Mino mich nicht mit beruhigenden Worten davon abgehalten hätte.

Ich ziehe mir die Kleidung an, die wir alle bekommen haben. Sie besteht aus einem einfachen braunen ledernen Oberteil und einer grauen Hose.

Dem Licht, das durch die kleinen, vergitterten Fenster fällt nach zu urteilen, ist es erst früher Morgen. Als wir schwere Schritte von draußen hören, stellen wir uns alle in einer Reihe auf. Das war eines der ersten Dinge, die wir hier gelernt haben. Der Narbige, gefolgt von zwei Wachen, betritt die Kaserne.

„Mitkommen!", brüllt er und wir folgen ihm alle im Gleichschritt nach draußen. Die kühle Morgenluft lässt mich erschaudern doch ich weiß, dass ich durch das kommende Training noch ganz schön ins Schwitzen kommen werde. Hinter mir läuft Mino und ich höre, wie er leise im Takt unserer Schritte mitzählt. Ich muss grinsen und gebe ihm ohne mich umzudrehen mit einen leichten Schlag zu verstehen, dass er lieber leise sein sollte, bevor er noch die Aufmerksamkeit der Wachen, oder gar des Narbigen, auf sich zieht.

Wir kommen auf unserem Trainingsplatz – einer großen, ebenen Wiese – an. Wie jeden Morgen, fangen wir mit dem Schwertkampf an. Schon nach einer halben Stunde ist überall Schnaufen und Keuchen zu hören. Das Training erstreckt sich über den Morgen bis hin zum Mittag. Dann gibt es essen.

Alle sind erschöpft und setzen sich auf eine der Holzbänke, die provisorisch aus Baumstämmen zusammengebaut wurden. Nach dem Essen geht es weiter mit dem Training. Am Abend sind alle müde und wollen schnell schlafen gehen, doch da werden auf einmal Stimmen laut.

Ich habe mich bereits auf meine Pritsche gelegt und stöhne genervt auf, als ich die Stimme von Rick höre. Rick ist 19 und ein totaler Befürworter des Königs. Er hat die Hoffnung, sich als Soldat beweisen zu können und so, von König Avelon eine höhere Stellung zu bekommen. Im Gegensatz zu den meisten hier, nimmt er dieses Training extrem ernst und geht ziemlich aggressiv in die Trainingskämpfe hinein.

Ich verabscheue ihn innerlich dafür. Menschen die anderen Menschen weh tun und sogar noch Spaß daran haben, kann ich einfach nicht verstehen.

Ich setze mich wieder auf. Rick steht vor seiner Pritsche und beschimpft einen anderen Jungen, der daraufhin den Kopf einzieht und vor Rick zurückweicht, der nicht aufhört zu zetern. Genervt stehe ich auf und gehe auf sie zu. „Rick hör auf hier so einen Radau zu machen." Ich bemühe mich um eine gleichgültige Stimme, um zu verbergen, wie wenig ich ihn ausstehen kann. „Halt du dich daraus! Das geht dich nichts an!", motzt er mich an. „Doch es geht mich etwas an, da du uns alle um unsere wohlverdiente Nachtruhe bringst.", erwidere ich daraufhin unbeirrt. Da lässt Rick von dem anderen Kerl ab und fixiert mich mit seinem kalten Blick. Ich erwarte schon, dass er irgendeine hitzige oder provozierende Bemerkung von sich gibt. Doch als er sich umsieht und bemerkt, dass viele der anderen zu uns herüberschauen, entscheidet er sich doch dagegen. Er schaut mich noch ein letztes Mal grimmig an, bevor er sich umdreht und sich seiner Pritsche zuwendet. Ich wende mich ebenfalls ab und gehe zu meiner Pritsche. Als ich an Mino vorbeikomme, grinst dieser mich bloß an und hält beide Daumen in die Höhe: Ich schüttele nur meinen Kopf und lege mich wieder hin. Morgen wird wieder ein anstrengender Tag. Wie jeden Abend wünsche ich meiner Mutter und meiner Schwester im Stillen eine gute Nacht. Wie es ihnen wohl ohne mich geht? Ob sie zurechtkommen? Kümmert sich irgendwer anderes um sie? Vermissen sie mich genau so sehr, wie ich sie? So viele Fragen und nichts das mir helfen könnte, sie zu beantworten. Ich habe eine der Wachen mal gefragt, ob wir irgendwie Kontakt zu unseren Familien aufnehmen könnten, denn wir wurden alle ohne Vorwarnung aus unseren Familien gerissen, doch er sagte nur, dass wir uns wie richtige Männer verhalten und nicht unseren Familien nachheulen sollten. Wenn ich auch nur an diese Worte denke, werde ich schon wieder sauer! Wie kann man nur so kaltherzig sein? Mit den Gedanken an meine Schwester und an meine Mutter falle ich schließlich in einen traumlosen Schlaf...

...Ich träume davon, wie ich mit meiner Schwester über die Wiese um unser Haus herumrenne. Unsere Mutter sieht uns dabei zu und lacht. Es ist ihr echtes Lachen. Da taucht auf einmal eine andere Frau neben ihr auf. Sie hat langes, schwarzes Haar und trägt ein weißes Kleid. Auch sie lächelt mich an. „Damian!", rufen sie beide wie im Chor, „Damian komm her!" Ich bleibe stehen und runzele die Stirn. Plötzlich bildet sich ein roter Fleck auf dem weißen Kleid der schwarzhaarigen Frau. Ihr Gesicht verzieht sich zu einem schmerzlichen Lächeln. Ich möchte zu ihr rennen, doch ich kann nicht. Meine Beine sind wie festgewachsen. Der Fleck breitet sich von ihrer Brust über ihren ganzen Körper aus. Sie sieht mich unentwegt an, als sie leise sagt: „Ich liebe dich." Plötzlich kippt sie nach vorne und ich kann den Pfeil entdecken, der in ihrem Rücken steckt.

Kampf der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt