Ein See. Ich bin in einem See. Wirklich jetzt? Warum? Nun, genau genommen, weiß ich gar nicht so genau, ob das hier tatsächlich ein See ist. In jeder fühlbaren Atmosphäre befindet sich Wasser. Ich tauche, ganz tief. So viel ist sicher. Doch warum spüre ich nichts? Warum fühle ich nichts? Ich will mit den Beinen schlagen, Wasser aufwirbeln, Tsunamis herauf beschwören. Ich will Regung. Das hier ist ein Traum. Ein merkwürdiger, zugegeben, aber es ist ein Traum. Weil ich nicht schwimmen kann. Ich habe es verlernt. Verlernt, wie jegliche andere Bewegung. Ich bin tot.
Verblüfft stelle ich fest, dass ich nicht mal atme. Okay, ohne Körper ohnehin ganz schlecht, aber wenn ich wirklich tot bin, warum bin ich dann im Wasser? Ich bin noch nie gerne geschwommen. Müsste das hier nicht alles weiß sein, oder zumindest ein gleißendes gelbliches Licht? Haben die im Himmel da was falsch verstanden? Wissen die denn nicht, dass ich über Wolken schweben müsste, prickelnde Zuckerwattenbäusche? Haben die denn gar nichts gecheckt?
Vielleicht ist das ja auch die Hölle. Vielleicht haben wir immer falsch gedacht, wenn wir dachten die Hölle sei ein gleioßender Feuerball. Vielleicht ist unser ganzes Denken ein Trugschluss.
Und wenn es nicht die Hölle ist? Ist es dann Werbung? Mir fällt spontan diese Werbung von dem Duftspray ein, das angeblich nach einem Bergsee riechen soll. Aber Wasser riecht doch gar nicht. Ich würde das ja gerne beweisen, aber ohne Nase kann ich das leider nicht.
Kann sein, dass ich mir das hier einbilde. Kann sein, dass ich eine Lüge bin. Kann sein, dass niemals ein Mädchen namens Romy existiert hat.
Ein Speer stößt sich ruckartig durch die Fluten, ein spitzer Schrei, ein Kinderlachen. Die Melancholie zerbricht, alles wirkt so real. Ein Mann klopft sich grunzend auf die Schenkel. Das ergibt keinen Sinn, ich versteh' s nicht. Klärt mich auf, bitte.
Alles materialisiert sich binnen nicht zählbaren Einheiten von Zeit. Sie war nie so belanglos. Ich, selbst ich werde echt, werde wahr. Da sind Zehen, ein Bauchnabel, kleine Härchen, die sich im Nacken aufstellen wenn einem kalt ist. Da bin ich. Da ist ein Mensch. Da ist Romy. Romy lebt. Ich lebe. Aus dem Lachen wird ein Weinen, noch viel mehr. Alles wird mehr. Die Wellen wirbeln unter meinen Gliedern, ich kann mich tatsächlich rühren. Eine Stimme, Kimi, sie ruft mich. Sie lacht. Ich kann kommen, ich kann endlich kommen. Kräftige Züge bis an die Oberfläche, Luft in ungeahnten Lungen. Leben.
Danke Kimi.
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Diagnose: Hoffnungslos?
RandomRomy war Hoffnung. Bis sie die Vierhundert gelaufen ist, war Romy Hoffnung. Doch was tut man, wenn einem jegliche Kontrolle abhanden kommt und man selbst gegen den Zweifel an der Lebendigkeit ankämpfen muss?