9-again afraid

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Ich saß seit Stunden auf dem Waldboden und schlang fröstelnd meine Arme um mich. Ich hatte eine Zeit lang, mit dem Stock den ich geschnitzt hatte, wieder ein paar Symbole in den Waldboden geritzt, nach ungefähr zehn wurde es langweilig. Ich brauchte jemanden zu reden, aber Cassiel war ein ziemlich übernatürliches Wesen und ansonsten kannte ich hier niemanden.
Als ich nach weiterem Frieren ein Knacken hörte, richtete ich mich auf, den Stock wieder in der Hand haltend. Der Fuchs kam durch die Büsche gesprungen. Ich lächelte, als ich ihn sah.

"Als könntest du Gedanken lesen, hm?"

Ich wollte die Hand ausstrecken um ihm durch das rötliche Fell zu streicheln doch er stoppte vor den Zeichen die ich in den Boden gezeichnet hatte. Sie leuchteten in einem hellen blau. Waren das.. magische Zeichen?

"Komm doch her." Der Fuchs wollte einen Schritt nach vorne tun, doch er kam nicht weiter, als sei da eine Barriere. Ich fuhr mit einer Hand über die Erde und verwischte so das Gezeichnete. Er sah mich an und setzte vorsichtig eine Pfote vor die andere. Das rechte Bein etwas nachziehend bewegte er sich zu mir und legte sich hin. Ich wusste nicht wieso, doch ich meinte Reue in seinem Blick ausmachen zu können. Ich wollte gerade anfangen, so idiotisch das auch war, ihm, einem Fuchs, von meinen Problemen mit Cassiel zu erzählen, als sich alles wie ein Puzzle in meinem Kopf zusammen fügte. Das Hinken, Cassiels Verletzung am Bein, der weiße Streifen auf dem Rücken des Fuchses, die lange Narbe auf Cassiels Rücken die ich flüchtig gesehen hatte, als er sein Hemd in einem winzigen Teich auswaschen wollte, den er mir gestern gezeigt hatte.

"Cassiel?"  Ich rutschte nach hinten und hielt den Stock vor mich. Der Fuchs neigte den Kopf nur, als wollte er mir zu nicken.

"Du bist.. Cassiel? Du warst immer Cassiel?"

Nun glühten seine Augen wieder auf und er machte einen Schritt auf mich zu.

"Nein, bleib weg von mir!" Er sah mich bittend an. "Cassiel, verschwinde."

Er ging nicht. Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich auf die Zeichen, auf das Feuer und streckte meinen Arm aus. Ich hörte ein Fauchen und als ich meine Augen wieder öffnete, brannte um Cassiel ein Feuer. Blaue und dunkelrote Flammen züngelten um ihn und als ich das Feuer beobachte, ergab es auch endlich Sinn, dass das Feuer seine Farben änderte, es waren meine Emotionen. Als ich im Wald aufgewacht war, war hellviolett, die Farbe unter der ich mir als kleines Kind immer Angst vorgestellt hatte. Jetzt war ich wütend und traurig, enttäuscht zugleich und das Feuer spiegelte die Farben wieder, die in mir immer den Platz für Trauer und Wut gehabt hatten.

Ich war immer noch ängstlich und sauer.

"Hau ab, Cassiel." Er nickte wieder, falls man das nicken nennen konnte und ich konzentrierte mich darauf, das Feuer zu löschen und kaum war nur noch ein verkohlter Halbkreis um Cassiel herum, ging er. 

 "Cassiel?", rief ich. Ich irrte schon seit Stunden durch den Wald, Hände und Knie blutig. Wenn ich mich umdrehte, sah ich nur meine Fußabdrücke, in denen ein violettes Feuer brannte, das die komplette Schwärze hinter mir erleuchtete. Ich sah, wie die Bäume brannten, wenn ich ihn nicht finden würde, denn eine Stimme flüsterte in meinem Kopf immer die gleichen Worte:
Der Fuchs und die Hexe müssen einmütig sein, müssen vereint über das Land herrschen! Meine Schritte wurden schneller. Ich musste Cassiel finden, ansonsten würde Averis brennen, untergehen, zerfallen. Als ich an unserer Lichtung ankam, sah ich wie Cassiel neben dem Feuer schlief. Ein wohliges Gefühl verfing sich in meinem Bauch und wollte dort nicht mehr weg, zwang ein Lächeln auf meine Lippen. Als er jedoch seine Augen öffnete, starrten diese mich leblos an. Das Grün verblasst, jeglicher Ausdruck wie weggewischt. Und in meinen sammelten sich Tränen. 

"Cassiel?!" Ich schreckte hoch, meine Stirn war mit Schweißperlen benetzt. Ich zitterte vor Angst oder vor Kälte, nicht unterscheidbar, denn die Angst fraß sich langsam in mir hoch. Wie ein Virus, der sich ausbreitete. Diese eiskalte Angst in mir kroch immer weiter, bis an mein Herz. Meine Finger schon längst taub, konzentrierte ich mich darauf, ein Feuer anzuzünden. Es klappte leider zu gut, denn zwei Baumkronen fingen ebenfalls Feuer. Anstatt sie zu löschen, zündete ich noch mehrere Bäume an, bis schließlich alles Grün um mich herum brannte. Schmerzlich stellte ich fest, dass ich die Kontrolle über meine Magie verloren hatte. Ich sank zu Boden und auf meinen Händen bildeten sich, trotz der fast unerträglichen Hitze, winzige Eiskristalle.

Ich holte schnappend Luft.

"Es war nur ein Traum, Melian. Nichts weiter, nur ein Alptraum." Doch als ich meine Hände ansah, zog sich wirklich eine hauchdünne Eisschicht über meine Haut und der Schmerz fraß sich wirklich, gebündelt mit Angst, tiefer in mein Fleisch.

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