5-honest

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Der Fuchs war schon seit fünf Minuten gegangen, da sah ich Cassiel wie er die Lichtung betrat.

"Hast du den Fuchs noch gesehen?", fragte ich.

"Jepp."

"Hattest du keine Angst?"

"Hattest du?"

Ich schwieg. Cassiel setzte sich zu mir und legte eine Hand voll verschiedener Nüsse auf den Boden.

"So wenig?" Ein wenig frustriert sah ich auf die mickrige "Ausbeute."

"Mehr habe ich nicht gefunden, und ich war mindestens 3 Stunden weg."

"Woher weißt du das? Eine Uhr haben wir beide ja wohl nicht.

"Man muss auf die Sonne und auf die Schatten achten", sage er sanft und lächelte ein wenig selbstgefällig.

"Und woher weißt du das jetzt?"

"Wenn man zwei Jahre im Wald lebt, muss man sich doch auskennen, oder?"

"Ja das stimmt.. Du bist also schon seit zwei Jahren hier?"

"Ungefähr, ja."

"Das du noch nicht gestorben bist, ist ziemlich erstaunlich", sagte ich, es nicht wirklich ernst meinend.

"Ja, es ist ein Wunder!" Wir beide lachten und ich griff nach einer Nuss und einem Stein um sie zu knacken, der Inhalt war enttäuschend.

Nachdem wir beide alle Nüsse aufgegessen hatten, die nicht verschimmelt waren oder keinen Inhalt hatten, bestand Cassiel darauf, dass wir Feuerholz sammelten. Ich stimmte zu und wir machten uns auf den Weg. Nachdem wir für eine halbe Ewigkeit durch den vereisten Schnee gelaufen waren, fanden wir endlich eine Stelle mit ziemlich viel Holz.

Ich bückte mich, um die runtergefallenen Äste aufzuheben, als plötzlich ein großer Ast vor meinen Füßen landete. Ich schrie, sprang zurück und keine halbe Sekunde später stand das gesammelte Holz, das ich vor Schreck fallen gelassen hatte, inklusive dem Ast in violetten Flammen.

"Was zur Hölle, Melian! Wir wollten das Feuer doch erst am Lager anzünden."

"Was? Kein 'Wie hast du das gemacht?' oder 'Geht es dir gut?' Ich wäre gerade fast gestorben und habe dabei einen Haufen Holz angezündet, bloß indem ich ihn angesehen habe!"

"Tut mir leid." Er grinste schief. "Könntest du vielleicht dafür sorgen, dass das Feuer erlischt? Ich bin nicht unbedingt darauf aus, im Wald zu verbrennen."

"Ich denke nicht, dass das nötig ist.."

"Wieso denn? Das ist violettes Feuer!"

"Schau, der Schnee schmilzt nicht."

Fasziniert blickte Cassiel in das Feuer und machte ein paar Schritte auf es zu. Er wollte es berühren, aber in dem Moment, in dem seine Finger durch die Flammen gleiten wollten, erlosch das Feuer.

Wir waren noch bis zur Abenddämmerung im Wald rumgelaufen und hatten nach Holz gesucht, es letztendlich aber sein gelassen, weil wir nichts mehr gefunden hatten.

"Wieso warst du eigentlich nicht überrascht, als du gesehen hast, dass ich diese Äste irgendwie, auf mir unerklärliche Art und Weise, angezündet habe?"

"Melian, ich lebe seit zwei Jahren nicht mehr in dieser Stadt, in der es verboten ist, über die Magie zu reden. Ich lebe seit zwei Jahren in diesem Wald, der keineswegs normal ist. Ich habe gesehen, wie sich Bäume unter dem Blick von einem Raben entwurzelten, wie eine Hütte durch die simple Berührung eines Mannes in Brand gesetzt wurde. Nun überrascht es mich nicht, wenn du einen kleinen Asthaufen in Brand setzt, wenn du dich erschrickst. Natürlich habe ich nicht erwartet, dass du eine Hexe-"

"Warte, was? Eine Hexe? Komm schon, das ist unmöglich."

"Du hast es doch selbst gesehen, du hast es doch selbst getan."

Darauf konnte ich nichts antworten. Schlichtweg weil er Recht hatte.

"Aber, warte. Es ist in Averis verboten, über Magie zu reden? Meine Eltern würden so etwas doch niemals verbieten!"

"Deine Eltern?"

"Ehm.." Oh. Mein. Gott.

"Deine Eltern?" Der weiche Ausdruck aus seinem Gesicht war einem emotionslosen, harten gewichen.

"Melian?"

Ich brachte kein Wort heraus, anstatt ihm zu sagen, wer ich war, füllten sich meine Augen mit Tränen. Ich vermisste sie, ich vermisste meine Mutter, meinen Vater, meine Bücher und mein Zuhause und das Schlimmste war, dass ich weder meine Familie, noch irgendetwas was eine Verbindung mit meinem Zuhause, dem Schloss hatte.

Ich erwartete ein wütendes Schnauben, dass Cassiel sauer sein würde, doch stattdessen legte er seine Hände auf meine Oberarme. Diese Berührung fühlte sich gut an und ich genoss seine kräftigen Hände auf meinen Armen zu spüren.

"Wenn du nicht darüber reden willst, ist das-"

"Ich war Kronprinzessin von Averis."

"Was?"

"Ich war Kronprinzessin von Averis. Bis ich verstoßen wurde."

Er öffnete und schloss den Mund mehrmals, doch sagen tat er nichts. 

RunnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt