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 Ich fror. Die Kristalle schmolzen nicht, trotz des Feuers, das ich angezündet hatte. Die dünne Schicht hatte sich schon bis zu meinem Ellbogen hochgezogen und ich wurde immer ängstlicher. Ich fühlte mich schwach und wollte meine Augen schließen, als ich ein Rascheln hörte.

 "Ich weiß, dass du mich nicht sehen willst", sagte Cassiel, nachdem er sich von einem Fuchs wieder zurück in seine menschliche gestalt verwandelt hatte. "Aber mir passiert das hier." Er hielt mir seine ebenfalls vereisten Arme hin. 

 "Und ich habe Träume, dass ich dich finden muss, ansonsten wird Averis zerstört werden, oder ähnliches. Also bitte, hör auf sauer zu sein und rette uns und vielleicht deinem Land das Leben!"

"Cassiel.."

 "Bitte. Melian, ich werde selbst als Fuchs immer schwächer. Ich kann kaum schlafen und von Feuer anzünden ist ganz zu schweigen."

"Ich weiß nicht." Ich sah den Schmerz in seinen Augen. "Warte mal, mir ist etwas eingefallen", sagte er.

 "Ja?" 

"Als ich versucht hast dein Feuer anzufassen, ist es erloschen. Vielleicht, wenn wir beide hinein greifen, verschwindet das Eis!"

"Cassiel, das wird nicht funktionieren, du-" 

"Ich bin mir ziemlich sicher, dass es funktionieren wird, Melian."

"Und ich bin mir sehr sehr sicher, dass es nicht funktionieren wird!"

"Was macht dich denn so sicher?! Nur weil du eine Hexe bist und ehemalige Thronfolgerin? Ich bin mir sicher du wurdest nicht ohne Grund verstoßen!" 

"Nein, doch der Grund ist lächerlich. Ich habe einem Freund geholfen, einem verurteilten. Ich habe ihm geholfen zu fliehen, weil er unschuldig war! Sie wollten meinen besten Freund töten, weil er angeblich einen Apfel gestohlen hat, Cassiel und ich wurde verstoßen, weil ich ihm geholfen habe zu entkommen! Es war kein Fehler und ich werde diese Entscheidung niemals bereuen, denn ich habe das Wohl eines anderen über meins gestellt."

"Melian-"

 "Verschwinde! Ich kann meine Hände alleine abfackeln, falls es das ist was du willst, denn so oder so werden wir eh sterben!"

"Wenn du es mich probieren lässt vielleicht an Altersschwäche und nicht solchen Kristallen von denen wir beide nicht wissen. woher sie kommen." 

"Geh weg oder ich brenne dir dein Gesicht weg."

 "Melian, bitte." Die Art wie er meinen Namen aussprach ließ mir Gänsehaut über den Körper kriechen. "Danach gehe ich, wir werden es probieren und danach gehe ich, versprochen. Egal ob es funktioniert hat, oder nicht. Ich werde gehen, ich will nur probieren, unsere Leben zu retten." Er kam ein paar Schritte näher. 

"Also gut." Wiederwillig stand ich auf und holte ein paar Äste, schmiss sie auf einen Haufen und ließ mich dann neben sie fallen. Mit einer Anstrengung die ich noch nie zuvor kannte, hielt ich meine Augen offen und fokussierte mich darauf, die Äste in Brand zu setzen. Es funktionierte, jedoch nicht sehr gut, nur eine kleine dunkelblaue Flamme tänzelte zwischen den Ästen.

 "Das wird reichen." 

Ich hielt zögernd meine Hand ins Feuer und wartete darauf, dass die Lauwarmen Flammen das Eis zum Schmelzen brachten, doch nichts geschah. Langsam hielt nun auch Cassiel seine Hand neben meine und wir warteten vergeblich. Doch als er unsicher meine Hand nahm, spürte ich nicht nur, wie mein Herz einen kleinen Satz machte, sondern auch das Eis begann zu schmelzen.

"Du hattest recht, Cassiel."

"Natürlich hatte ich recht." Er lächelte und hielt meine Hand so lange, bis das letzte Eis auch am Ellbogen geschmolzen war.

"Es hat funktioniert.." Er nickte und meine Augenlider wurden, wie der Rest meines Körpers, wieder leicht. Ich nahm meine Hand wieder zu mir und das Feuer erlosch von allein. 

"Danke für dein Vertrauen."

 "Ich habe dir nicht vertraut, ich habe auf mein Feuer vertraut und nur, weil du uns beiden das Leben gerettet hast, heißt es nicht, dass ich dir vergebe."

"Erwarte ich auch nicht von dir. Ich werde jetzt gehen, wie ich es dir gesagt habe und du wirst mich vermutlich nie wieder sehen. Es sei denn, die Kristalle kommen wieder. 

 "Auf nimmer wiedersehen, Cassiel." Es tat mir seltsamerweise weh, diese Worte auszusprechen.

"Tschüss, Melian." Er atmete ein mal tief durch. Seine Augen fixierten meine und er näherte sich mir. Seine Hand strich leicht über meine Wange.

"Was machst du da?" Ich wandte mein Gesicht ab.

"Tut mir leid ich- Ich sollte wirklich gehen. Viel Glück hier draußen, Melian." Er erhob sich und warf noch einen Blick zurück, das Leid in seinen Augen war kaum zu übersehen. Als er komplett zwischen den großen Laubbäumen verschwunden war, wischte ich schnell eine Träne weg und ließ mich nach hinten fallen. Blitzartig richtete ich mich wieder auf, als ich zum zweiten Mal in den letzten Stunden durch ein Knacken gestört wurde.

 "Wer ist da?", fragte ich.

"Melian?", hörte ich eine mir bekannte Stimme sagen.  

Das war nicht möglich.

RunnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt