- Diellza

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Diellza

Es war unser vierter Abend in Pogradic, und weil wir uns sicher waren, morgen weiterzuziehen, hatten wir zwei Flaschen Wodka erstanden, um die Gastfreundschaft unserer Familie zu feiern. Schließlich hatten ihre Vorräte gelitten, vor allem an unserem ersten Abend.

Gemeinsam hatten wir zu Abend gegessen, Brot und Salami, und nun kam Diellza aus der Küche wieder. Sie hatte alleine abgeräumt, während die Männer und ich die erste Runde auf ihr Wohl getrunken hatten. Taulant schenkte nach, Diellza nahm auf der Couch neben mir Platz, wo Carlo und ich saßen. Kreshnik hatte sich den höchsten Sessel gesichert, obwohl er mit seiner Größe sowieso alle anderen überragte.

Ein „Gezuar“ aus allen Kehlen, und die Gläser klirrten über der Mitte des Tisches aneinander und runter damit. Der Wodka brannte in meinem Hals, es war nicht mein Lieblingsgetränk, aber wir wollten eben den ersten Abend wieder gut machen und ihnen eine Freude. Sollte heute etwas übrigbleiben, könnten sie die Flasche zum Ouzo ins Regal stellen. Ich ging davon aus, dass bei der Besetzung eine Flasche kein Hindernis darstellte.

„Abreisen, abreisen. Wo wollt ihr denn hin? Albanien ist groß“, sagte Kreshnik.

„Berat“, sagte ich und zuckte unter dem strafenden Seitenblick Carlos zusammen. Das hätte ich nicht sagen brauchen.

„Was wollt ihr denn da?“, fragte Kreshnik. Er war der Grund, warum wir einen Tag eher abreisen wollten. Zu viele zwielichtige Gestalten, angebliche Freunde von Kreshnik, wussten über uns Bescheid, sprachen uns auf der Straße und manchmal sogar direkt vor dem Haus an, als hätten sie dort auf uns gewartet. Die Luft der Anonymität wurde uns zu dünn, und es waren wirklich nicht die Leute, die wir kennen wollten.

Seit wir vorgestern erwähnt hatten, dass wir eventuell nach Berat reisen wollten, bombardierte uns Kreshnik mit schlechten Nachrichten über die angeblich bekanntermaßen hässliche Stadt voller unfreundlicher Verbrecher. Wir verstanden, dass er versuchte, uns zum Bleiben zu überreden, aber es gab nichts weiter in Pogradic zu tun. Die kleine Stadt und das Umland hatten wir erwandert, außerdem fühlten wir uns aufgrund seines Klatschmauls zu sichtbar. Weil wir uns einigermaßen in Albanien eingelebt und weitere gängige albanische Floskeln gelernt hatten, verstanden wir jetzt mehr. Einen großen Sprung im Verständnis und Ausdruck schafften wir dadurch, dass wir bei den geläufigsten Verben in die einfache Vergangenheit und in die Zukunft vordringen konnten. Es waren wirkliche kleine Unterhaltungen auf Albanisch möglich geworden, natürlich mit vielen Gesten, aber das fiel uns beiden leicht.

Carlo wiederholte ihm freundlich unsere Gründe, bestimmt zum fünften Mal, „Die Altstadt soll schön sein, es liegt an einem Fluss ...“

„Das stimmt auch“, sagte er, „Und wisst ihr was?!“

„Nein“, wussten wir nicht.

„Ihr habt euch den besten Moment ausgesucht, Berat einen Besuch abzustatten.“

Wir guckten uns an, staunten über seinen plötzlichen Sinneswandel.

Er fuhr fort, „Berat ist genau genommen nicht die allerschlimmste Stadt, vor allem, wenn man jemanden dort kennt, und wie es der Zufall will ... Gezuar! Wie es der Zufall will, wartet dort auf euch schon mein guter Kumpel Agron.“

Kreshnik wartete auf unseren Begeisterungssturm, der aber ausblieb. Also sagte er, „Agron kann euch die Stadt zeigen, und das Umland, ein Supertyp, ich wünschte, ich könnte mitkommen, dann könnten wir gemeinsam richtig einen draufmachen.“

Das klang für ihn sicherlich anders als für uns. Wir fragten nicht nach, und Carlo schenkte die nächste Runde ein. Nachdem Diellza ihre Hand über das Glas hielt, zeigte auch ich an, dass ich diese Runde aussetzen würde.

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