- Per Anhalter zu Ali Pashas Festung

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Per Anhalter zu Ali Pashas Festung

Am nächsten Tag mussten wir den Fehler vor uns und jedem einzelnen Bewohner des Dorfes zugeben, nachdem sich der Busfahrer lauthals darüber aufgeregt hatte, weil er eine Stunde zu lange Aufenthalt gehabt hatte, da er sich auf die Uhr im Laden verlassen hatte, bevor er den Fehler gemerkt hatte. Jetzt müsste er sich beeilen, schrie er, und schneller fahren.

Ich fragte mich, wie er die Berge noch schneller als sonst bewältigen wollte, ohne bei der Abfahrt aus einer Kurve zu fliegen. Etwas in mir wollte ihn ein letztes Mal umarmen, etwas anderes riet mir davon ab. Er stürmte aus dem Laden zu seinem Bus, in dem die beiden Kinder mit ihren Kräutern warteten.

Eigentlich war die Zeit auch gar nicht so wichtig in einem so abgelegenen Dorf wie Himare. Für uns schon gar nicht.

Die Stimmung war aufgrund der Sommerzeit heute gründlich verhagelt. Daher entschlossen wir uns zu einem Tagesausflug zum Nachbardorf Vrina.

Wir marschierten die Landstraße entlang. Einen Bus dorthin gab es nicht, ein Taxi zu zweit fanden wir zu teuer. Also gingen wir einfach los, immer der Straße entlang und hielten den Daumen raus. Etliche Autos fuhren hupend an uns vorbei, bis ein Mercedes hielt.

Das Beifahrerfenster wurde heruntergedreht, das Gesicht eines 50-jährigen Mannes in beigefarbenem Anzug erschien. Dazu spiegelten sich unsere Köpfe in der zu großen Sonnenbrille des Mannes, und ich dachte, Mafia, Organmafia, ganz alte Familie.

Zunächst fragte er uns etwas Unverständliches auf Albanisch, dann das übliche Hin und Her, und plötzlich begann er Englisch zu reden,„Was sollte das mit den Daumen?“

„Per Anhalter, damit man uns mitnimmt“, sagte Carlo.

„Ihr wollt mitgenommen werden!?“

„Ja“, sagten wir.

„Dann haltet doch einfach die Hand raus, um ein Auto anzuhalten. Wozu der Daumen? Ach, steigt doch endlich ein!“

Für einen Moment zögerte ich, wir fuhren tatsächlich per Anhalter durch Albanien. Wessen Idee war das eigentlich gewesen?

„Kommst du?“, fragte Carlo, der bereits auf der Rückbank durchrutschte.

Ich kroch in die Limousine, die zweifellos besser in Schuss war als die von Hans Moser in Tirana.

„Mögt ihr Walnüsse?“, der Mann zeigte auf einen großen Korb voll Nüsse, der in der Mitte zwischen ihm und dem Mann am Lenkrad stand. Der Fahrer starrte konzentriert nach vorne.

„Bedient euch“, sagte der Beifahrer.

„Danke“, Carlo reichte mir eine Handvoll.

Allgemeines Brechen der Nüsse.

„Ich heiße Zamir, und das ist mein Fahrer Paul.“

Auch wir stellten uns vor.

„Und wo wollt ihr hin?“

„Nach Vrina“, Carlo hatte gerade den Mund leer.

„Das ist mein Geburtsort. Den will ich gerade besuchen. Was für ein Zufall.“

„Wo lebst du?“, fragte ich.

„Tirana.“

„Das ist ein weiter Weg!“

„Wir sind früh losgefahren.“

Wir wunderten uns über diesen Mann im Anzug, Schlips und Fliegersonnenbrille. Er sah sehr gut situiert aus und sprach gepflegtes Englisch. Über einen Umweg wollte ich wissen, was er arbeitet, „Woher sprichst du so gut Englisch?“

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