To the moon and back

05

Ayla
Es fällt mir schwer Eloise schnell genug hinterher zu kommen, da ich ringsherum von betrunkenen Teenagern eingeengt werde. Mit ihren schwarzen Lederschuhen, die nicht einmal zugeschnürt sind, tritt sie einfach durch die Menge und jeder scheint ihr respektvoll Platz zu machen. Ich hingegen kann mich gerade so durch die Leute zwängen und hoffen, nicht zerquetscht zu werden. "Eloise, warte!" Aber sie wartet nicht, sondern geht einfach weiter, während ich gerade versuche an einem Paar knutschender vorbeizukommen. "Jetzt warte doch!" Ich sehe, dass ihr Schritttempo abnimmt und ein erleichtertes Seufzen entflieht meinen Lippen, denn jetzt kann ich sie endlich einholen. Dachte ich zumindest. Im nächsten Moment rempelt mich ein ziemlich großer Junge an und ich falle auf den Boden. " 'Tschuligung!" Sein Alkoholmundgeruch sticht in meiner Nase und als ich gerade sagen will, dass es kein Problem sei, schubst Eloise ihn von mir weg. Ihre blauen Augen haben sich angriffslustig verengt. "Verzieh dich!" faucht sie ihn böse an. Der Junge überlegt nicht einmal zu antworten und stolpert hastig davon. Ich schaue ihm noch kurz hinterher, dann wieder zu Eloise nach oben. Ihr Blick hat sich wieder entspannt und ich kann sogar eine leichte Besorgnis in ihren Augen sehen, als sie mir ihre Hand reicht, um mich hochzuziehen. "Danke, aber das musste doch nicht sein. Es hat ihm sicher mehr wehgetan als mir ..." bringe ich leise hervor. "Kann dir doch egal sein." sagt sie kühl und verschwindet im Zimmer, in dem wir auch vorhin waren. Erst hilft sie mir und jetzt ist sie wieder so? Was ist nur los mit ihr? Mit verwirrten Gedanken folge ich ihr ins Zimmer und sehe den Kreis von Leuten dort immer noch sitzen. Jason deutet neben sich. "Komm Ayla, wir spielen Flaschen drehen." meint er. Das auch noch? "Ich hab noch nie Flaschen drehen gespielt ..." gebe ich zu, als ich mich neben ihm niederlasse und Eloise dabei beobachte, wie sie mich wieder misstrauisch beäugt. Und ich dachte, sie würde mich endlich mögen ... "Die Regeln sind einfach. Jemand dreht die Flasche und auf wen die Flasche zeigt, wird von der Person, die sie gedreht hat, geküsst. Alles klar?" Jason redet so lässig darüber, als hätte er schon hunderte von Mädchen beim Flaschen Drehen geküsst. Ehrlich gesagt, habe ich auch noch nie jemanden geküsst. Ich habe noch nicht einmal darüber nachgedacht es irgendwann mal zu tun. Wenn ich an das knutschende Paar von vorhin denke, sah es für mich eher so aus, als würden sie sich gegenseitig auffressen wollen. Ob es wohl wehtut? "Ich bin dran!" quiekt Mieze vergnügt und gibt der Flasche einen Kick. Gespannt schauen alle Augenpaare auf die Glasflasche mit dem Wodkaetikett darauf, bis sie mit dem Flaschenhals auf mich zeigt. Die ganze Versammlung schaut mich mit grinsenden Gesichtern an und ich merke, wie ich rot anlaufe. Nur Eloise natürlich nicht, keine Ahnung, ob sie überhaupt lächeln kann. "A-Aber Mieze ist doch ein Mädchen!" stottere ich und schaue auf meine Hände, um die Blicke der anderen zu ignorieren. "Macht dir das etwas aus?" Mieze's großen braunen Augen blicken trübselig zu mir, ich sehe es aus dem Augenwinkel. "Ich habe gehört, dass Mädchen durchschnittlich sowieso viel besser küssen können als Jungs." erwähnt ein Mädchen mit pink gefärbten Haaren. "Abgesehen von mir natürlich." wirft Jason mit ein und zeigt sein charmantes Lächeln. Alle lachen, auch ich. Er schafft es immer wieder, mich aufzulockern. "Also Ayla, darf ich?" Ich schaffe es nicht in Mieze's große Augen zu schauen, doch ich nicke verlegen. "Sei vorsichtig, Mieze. Das ist ihr erstes Mal." erwähnt Jason und ich spüre, dass ich noch röter werde. Mieze lacht. "Alles gut, tut auch nicht weh." Damit hat sich die Frage theoretisch geklärt. Aber praktisch?... Ich presse die Augen zusammen und warte ab, bis sich Mieze's weichen und breiten Lippen auf meine legen und sich sanft gegen sie bewegen. Etwas ungeschickt versuche ich es ihr nachzumachen und anscheinend gefällt es ihr, denn sie küsst mich immer weiter. Sie schiebt mir ihre Zunge zwischen die Zähne, worauf ich den süßlichen Alkohol schmecken kann, der auf ihrer Zunge klebt. Die anderen jubeln und feuern Mieze an weiter zu machen. Sie löst sich jedoch wieder von mir und leckt sich mit stolzem Gesichtsausdruck über die Lippen. "Nicht schlecht fürs erste Mal." meint sie, wobei sich ihre Stimme seltsam fremd anhört. Peinlich berührt verstecke ich das Gesicht in den Händen. Ich schaue durch meine Finger hindurch und sehe die anderen weiterspielen. Mein Blick wandert zu Eloise. Ihre meerblauen Augen haben sich wieder verengt und sie liegen starr auf Mieze. Diese scheint ihre bedrohlichen Blicke, mit denen sie sie schon fast erstechen könnte, zu bemerken und streckt ihr provokant die Zunge raus. "Ich hau' ab." Eloise steht auf und greift nach einem schwarzen Rucksack. "Jetzt schon?" erwidert Jason mit trauriger Stimme und geht aus dem Kreis zu ihr. "Jup, hab' keine Lust auf  Verräter." Ihre Augen wandern für nur eine Sekunde zu Mieze, die lachend mit den anderen spielt. Jason hat es trotzdem bemerkt. "Gut, warte. Ayla und ich kommen mit. Oder willst du noch bleiben?" fragt er nun an mich gewandt. "Nein!" sprudelt es sofort aus mir heraus.
"Hat Spaß gemacht mit euch und besonders mit dir Ayla." verabschiedet sich Mieze von uns und starrt mich dabei durch dringlich an. "Ja, tschüss ..." murmele ich und stolpere Eloise hinterher aus der Tür, um ihrem penetranten Blick zu entfliehen.

Zu dritt laufen wir über die leere Straße, die am Feld liegt. Es ist mittlerweile schon spät geworden und die Sonne lässt sich langsam über den Himmel wieder nach unten gleiten. Es fühlt sich seltsam an, zwischen Eloise und Jason zu gehen. Auf der einen Seite habe ich einen übernetten Jungen und auf der anderen Seite ein streitsüchtiges Mädchen. Eloise hat sich schon so viel negativ gezeigt, warum will ich also immer noch, dass sie mich mag? Ich werde es wohl sowieso nie hinkriegen ... Ein kurzer Blick zu ihr verrät mir, dass sie einen Stein vor sich her kickt und mies gelaunt auf einem Kaugummi kaut. "Ich hasse sie ..." nuschelt sie vor sich hin. "Wen?" fragen Jason und ich gleichzeitig, obwohl wir uns die Antwort eigentlich schon denken können. "Mieze natürlich! Sie glaubt sich alles erlauben zu können, diese verdammte-" Wütend schießt sie den Stein weg, der weiter hinten in einem Gebüsch neben der Straße landet. Ihre Arme verschränken sich. So sieht sie aus, wie ein kleines trotziges Kind. "Du musst sie ja nicht mögen." meine ich mit vorsichtiger Stimme. Ich möchte sie nicht noch mehr aufregen. "Stimmt auch wieder." seufzt sie und lässt ihre Arme wieder nach unten baumeln, wobei ihre Hand an meine kommt. Als würden wir davon Stromschläge bekommen, ziehen wir sie beide gleichzeitig weg. Jason fängt an zu lachen. "Süß ihr beide."