Siebter Sinn

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In seinen dunklen Augen spiegelt sich die Trauer, die Sehnsucht. Einerseits ist es befremdlich gelten diese Gefühle ausgerechnet mir, wiederum erscheint es mir bekannt, sogar so vertraut, als wäre es niemals anders gewesen. In meinem Kopf erscheinen wage Szenen. Vor meinem inneren Auge erscheint ein dunkler Raum, in meine Nase dringt der modrige Erdgeruch eines Kellers. Inmitten der trüben Erinnerungen sehe ich sein Lächeln, das fröhliche Funkeln in seinen Augen. Ich will sie mir ansehen, diese Bilder festhalten um alles zu erfahren, was hinter ihnen steckt, doch sie verschwinden so schnell sie gekommen sin, rieseln wie Sand durch meine Finger.

„Du hast viel durchgemacht, oder?" Abwarten sehe ich ihn an, in der Hoffnung eine Bestätigung zu erhalten. Mir ist bewusst, wie bescheuert ich mich anstelle. Mir sollte gleichgültig sein, was Verdächtige durchmachten oder wie es ihnen nun geht. Ich sollte mich kalt zeigen, denn in meinem Kopf ist er ein Fremder, in meinem Herzen scheinbar nicht.

Winwin sieht mich monoton an, sieht durch mich hindurch. In seinen Augen breitet sich die Leere, die sich mir am vorherigen Tag offenbarte. Wie kann er noch lächeln, wenn seine Augen von all dem Grauen erzählen, den er erlebte?

Ich kann es mein Handeln nicht begründen, doch ein Gefühl betäubt mich, all meine Sinne, mitsamt meinem Denkvermögen. Ich schließe ihn in die Arme, drücke ihn fest an mich. Wie sich unsere Körper aneinanderschmiegen fühlt sich in meinem Kopf falsch an, doch mein Körper reagiert vertraut darauf. Ich entspanne mich, gebe mich diesem seltsamen Gemisch zweier komplett verschiedenen Gefühlen hin. Der Wiederspruch in mir zerreißt mich, bricht mich in zwei, allerdings werde ich neugierig. Ich will dieses Gefühl erforschen, es kennenlernen um mir endlich all die offenen Fragen erläutern zu können.

„Ich komme morgen wieder", flüstere ich in sein Ohr und löse mich wiederwillig von ihm. Ich erhebe mich, ohne den Blick von Winwin zu reißen. Ich erhoffe mir eine Erwiderung seinerseits. Ich sollte sie auch bekommen, allerdings keine solchen, die ich erwartet hätte. Er greift hektisch nach meinem Handgelenk, sieht eindringlich zu mir auf.

„Lass dich nicht erwischen", haucht er. In seinem Ausdruck liegt etwas Bittendes. Der Schmerz in seinen Augen sind meine Barriere. Dieses Leid unterbietet mir nachzuhaken. Die brennende Frage auf meiner Zunge erstirbt in einem stummen Nicken.

~

Die gesamte Nacht lang, verbringen Jaehyun und ich alle Informationen bezüglich des Falls nochmals durchzugehen sie sorgfältig auf einer weißen Tafel aufzulisten. Das einzige, was uns dabei auffällt ist, dass wir die Verbrecher meist in Lagerhäuser aufgespürt haben, nicht weit von unserem Arbeitsplatz entfernt. Wir haben sie immer nur dann gefunden, wenn sie gefunden werden wollten. Wir haben es wirklich mit äußerst geschickten und sorgfältigen Mördern zu tun. Da sie dem Anschein nach noch nicht mal ein konkretes Muster haben. Frauen lauern sie nachts entweder in Parks oder Parkhäuser auf. Die Überwachungskameras der Parkhäuser haben nicht das geringste aufgenommen, lediglich die Leiche ohne Spuren blieb in einem Lagerhaus zurück. Die Frauen wohnten alle in verschiedenen Wohngegenden, so auch die ermordeten Kinder. Sie gehen alle auf verschiedene Schulen, die allerdings im selben Stadtteil liegen.

Ein Gähnen kriecht meine Lunge herauf. Mit der Hand, die die Essstäbchen fest umklammert, wische ich mir über die Augen. Jaehyun hat mir aufgetragen Instantnudeln aufzukochen. So habe ich wie so oft den Teekocher in unserem Ruheraum zweckentfremdet und die Nudeln mit kochendem Wasser übergossen. Zuletzt lege ich die billigen Bambusstäbchen in die Suppe und balanciere die beiden Plastikschalen in das Arbeitszimmer. Der Raum ist dunkel, lediglich die Lampe auf Jaehyuns Schreibtisch schildert uns oranges Licht. Nachdem ich meine halbe Arbeitszeit verschlafen habe, war mir klar, dass ich Überstunden machen würde. Jaehyun sollte sich allerdings eine Pause gönnen.

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