Ein Neuanfang

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Meine Wangen waren noch immer tränenüberströmt, als ich mich auf die Couch setzte, nachdem ich mich, so gut wie es in dieser Situation eben möglich war, beruhigt hatte. Octavia saß neben mir und hatte ihre Hand auf meine gelegt. „Brauchst du irgendwas?", fragte sie besorgt.
Ich schüttelte den Kopf. Octavia meinte es zwar gut, aber sie konnte mir auch nicht helfen. „Wie...wie geht es jetzt weiter?", schluchzte ich.
Nun setzten sich auch Aurora und Marcus zu uns. „Du wirst natürlich bei uns wohnen, Clarke", erwiderte Marcus.
Plötzlich kam Bellamy ins Zimmer, wobei er sich fast verschluckte. „Was? Wieso soll Clarke bei uns wohnen? Das kann doch unmöglich euer Ernst sein!" Er schien wohl das Neueste noch nicht gehört zu haben.
„Bellamy", zischte Marcus wütend, „ich werde dir das alles später erklären. Aber jetzt ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für sowas!"
Ich wollte nicht verteidigt werden. Und ich wollte nicht bei dieser Familie leben. Besser gesagt wollte ich nur nicht mit Bellamy unter einem Dach leben. „Bellamy hat recht. Ich gehöre nicht hierher."
Aber Aurora schüttelte den Kopf. „Bellamy hat nicht recht. Clarke, du bist die Tochter meiner besten Freundin. Natürlich wirst du hier wohnen. Und mach dir keine Gedanken wegen Bellamy. Ich weiß, dass ihr nicht miteinander klarkommt, aber geht euch dann doch einfach aus dem Weg. Das ist wohl erst einmal das beste."
Ich nickte schüchtern. Aber im Moment war es mir ziemlich egal. Wenn dafür meine Eltern wieder leben dürften, würde ich Bellamy sogar umarmen oder gar küssen. Meine Rivalität mit Bellamy war nun wirklich zweitrangig geworden.
„Würde mir mal bitte jemand erklären, was der ganze Scheiß soll?", fragte Bellamy aufgebracht. „Wieso soll auf einmal diese Streberin bei uns einziehen?"
Seufzend stand Marcus auf. „Komm mit, dann erkläre ich es dir. Aber dann benimmst du dich bitte."
Ich wollte nicht, dass Bellamy alles erfuhr. Vor allem wollte ich nicht, dass er sah, wie mies es mir ging. Dann hatte er nämlich noch eine Möglichkeit, mich zu ärgern und wenn er meine Eltern erwähnen würde, könnte ich nicht einfach so schlagfertig wie sonst etwas erwidern. Ich würde wohl eher in Tränen ausbrechen.
Aber Bellamy und Marcus waren schon draußen und Marcus würde Bellamy jetzt alles erzählen. Und Bellamy würde mich sowas von fertig machen.
„Wenn du willst, können wir deine Sachen holen", schlug Octavia vor, „und dann richten wir dein neues Zimmer ein. Hast du Lust?"
Lust war jetzt nicht unbedingt das passende Wort, aber es würde mich bestimmt ablenken. Also nickte ich.

Als wir in meinem Zuhause waren, kamen mir plötzlich jede Menge Erinnerungen. In der Küche hatte ich immer mit Mum Plätzchen gebacken. Und mit Dad hatte ich mir im Fernsehen immer Fußball angesehen. Eine Träne rollte über meine Wange. Ich konnte nicht glauben, dass das alles jetzt vorbei sein sollte.
Octavia legte mir sanft die Hand auf meine Schulter. „Deine Eltern würden dir jetzt wahrscheinlich sagen, dass du dein eigenes Leben weiterleben musst", meinte sie. „Sie würden wollen, dass du glücklich bist. Was ich damit sagen will, ist, dass du natürlich auch trauern darfst, aber du solltest auch an deine eigenen Bedürfnisse denken. Vergiss das nicht."
Ich nickte. „Danke. Es bedeutet mir viel, dass du mir das sagst. Und bestimmt hat alles, was passiert, auch seine guten Seiten." Ich fasste den Entschluss, weiterzuleben. Aber ich wollte nicht nur weiterleben, ich wollte ein neues Leben anfangen. Ich war schließlich nicht mehr die Clarke von früher. Ich wollte plötzlich nicht mehr die Streberin sein, die kaum einer bemerkte. Und wenn man plötzlich in der ganzen Schule meinen Namen kannte, wollte ich nicht, dass der Tod meiner Eltern der Grund dafür war. Ich wollte auch mal im Mittelpunkt stehen. Nur ich. Und Octavia hatte recht. Ich musste auch an mich selbst denken. Also würde ich fürs erste meine Trauer beiseite schieben.
Ich atmete tief durch und ging dann in mein Zimmer, um meine Sachen zu holen. Dabei bemühte ich mich, nicht an Mum und Dad zu denken.
Es dauerte eine Weile, bis wir alles von einem Haus ins andere geräumt hatten, doch nach zwei Stunden waren wir schließlich fertig.
„Und jetzt richten wir dein neues Zimmer ein", meinte Octavia. „Und in ein paar Tagen wirst du dich hier hoffentlich wie Zuhause fühlen."
Naja, zumindest würde ich es versuchen. Das wichtigste war fürs erste jedenfalls, nicht in Selbstmitleid zu versinken. Das würde mich erstens unglücklich machen und zweites verletzlich wirken lassen. Aber ich würde mich nicht unterkriegen lassen, selbst wenn Bellamy noch so fies zu mir war.
Mein Zimmer räumte ich mit Absicht ganz anders ein als bei mir Zuhause. So würde mir mein Neuanfang viel besser gelingen.
Da stellte Octavia eine Schachtel voller Bücher neben mir ab. „Soll ich die schon mal in dein Bücherregal einräumen?"
Ich schüttelte entschieden den Kopf. „Danke, aber die Bücher brauche ich nicht mehr. Ich habe beschlossen, ganz von vorne anzufangen. Ich will keine Streberin mehr sein. Und die Bücher wegzuwerfen, ist ein guter Anfang."
Skeptisch runzelte Octavia die Stirn. „Und du bist dir wirklich ganz sicher, dass du das auch wirklich willst?"
Ich nickte. „Absolut."

Bellarke - Another Story Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt