Alles wird zu viel

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„Clarke", hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir. Es war Bellamy! „Können wir kurz reden? Unter vier Augen?"
Ich wechselte einen kurzen Blick mit meinen Freundinnen und nickte dann. „Klar." Also folgte ich Bellamy. „Um was geht's denn?"
„Also es geht um uns", fing er nervös an. „Um unsere Beziehung. Ich würde vorschlagen, dass wir es meinen Eltern gleich sagen. Ich meine, sie werden sich bestimmt freuen."
Oh nein, nicht dieses Gespräch. Ich seufzte. „Können wir damit bitte noch warten? Ich glaube nämlich nicht, dass jetzt gerade der richtige Zeitpunkt dafür ist."
Er nickte. „Ja, da hast du bestimmt recht. Eine Beerdigung ist sicher nicht der richtige Ort, um sowas zu erzählen. Vielleicht dann morgen?"
„Nein, Bellamy, auch nicht morgen", widersprach ich. „Ich hab im Moment echt nicht die Nerven dafür. Bitte sag erstmal niemandem was. Wir reden ein andermal darüber."
„Aber...", setzte Bellamy an.
„Nein, kein aber, Bellamy!", unterbrach ich ihn. „Verdammt, das ist die Beerdigung von meinen Eltern! Und ich hab gerade echt andere Probleme als das! Du verstehst es einfach nicht! Genau deswegen wollte ich keine Beziehung! Das alles wird mir einfach zu viel!"
Er öffnete den Mund, doch bevor er etwas sagen konnte, drehte ich mich um und lief davon. Oh Gott, was hatte ich da nur gesagt? Bellamy war jetzt bestimmt total sauer auf mich.
Mit Tränen in den Augen schloss ich mich in der Toilette ein. Ich hätte wirklich gedacht, dass ich es irgendwie schaffen würde. Aber das alles war zu viel. Es war noch keine Woche her, dass meine Eltern gestorben waren. Ich konnte mich gerade um keine Beziehung kümmern. Das war Bellamy gegenüber echt nicht fair.
Was sollte ich denn jetzt nur tun? Ich konnte mit diesen verheulten Augen doch nicht wieder rausgehen. Andererseits war es eine Beerdigung und da durfte man wohl weinen. Trotzdem wollte ich nicht, dass mich jemand so sah.
Da hörte ich, wie jemand hereinkam. Ich zwang mich, ganz leise zu sein. Wer auch immer da war, durfte mich nicht heulen hören. Das wäre mir zu peinlich.
„Clarke", sagte eine Stimme. „Bist du da drin?" Oh Mann, das war Bellamy! Was wollte der denn hier?
„Kannst du nicht lesen?", fragte ich und versuchte, nicht zu verheult zu klingen. „Das hier ist das Frauenklo."
Er seufzte. „Clarke, ich will doch nur mit dir reden."
„Solltest du nicht eigentlich sauer auf mich sein?", entgegnete ich. „Immerhin hab ich dich angeschrien."
„Nein, ich bin nicht sauer", antwortete er. „Du hast ja recht mit dem, was du gesagt hast. Es tut mir leid. Du hast zur Zeit so viel um die Ohren. Und ich war einfach noch nie in so einer Situation und hab einfach keine Ahnung davon, was du gerade durchmachst."
„Ist schon gut", erwiderte ich. „Ich bin froh, dass du da bist. Mit dir ist die ganze Sache immerhin ein bisschen erträglicher. Aber bitte gib mir einfach noch ein bisschen Zeit. Ich kann nicht sofort jedem davon erzählen. Ich muss erstmal mit meinem neuen Leben klarkommen."
„Ok, das hab ich jetzt verstanden", meinte er. „Willst du mit mir Schluss machen?"
„Was?", fragte ich ungläubig. „Nein, natürlich nicht. Ich wäre dir einfach dankbar, wenn wirs fürs erste noch für uns behalten könnten. Und wenn ich dann mit allem hier klarkomme, dann können wir unsere Beziehung öffentlich machen."
„In Ordnung", erwiderte er. „Aber mach doch bitte mal die Tür auf."
Schnell wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und öffnete dann zögerlich die Tür. Bellamy stand da und sah mich mit seinen warmen braunen Augen mitfühlend an. Dann zog er mich an sich und hielt mich ganz fest in seinem Arm. „Ich gebe dir alle Zeit der Welt. Versprochen. Sag einfach von dir aus, wenn du bereit bist."
Ich nickte. „Danke, Bellamy. Du bist echt der beste Freund, den man sich überhaupt vorstellen kann."
„Hey, du bedeutest mir echt viel und wenn ich dir keine Zeit geben würde, wäre ich wohl wirklich ein herzloser Taugenichts", meinte er. „Genau wie du früher immer gesagt hast."
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, egal was du tust, ein herzloser Taugenichts bist du nicht und das wirst du auch nicht sein. Das hab ich mittlerweile begriffen."
Bellamy strich mit seiner Hand sanft über meine Haare. „Clarke, du bist so ein unglaublich kluges und wunderschönes Mädchen. Hat dir das schonmal jemand gesagt?"
Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Das hatte noch nie jemand zu mir gesagt. „Bellamy, du übertreibst."
„Nein, ich übertreibe nicht", widersprach er. „Du bist einzigartig. Ich hab noch nie ein Mädchen wie dich kennengelernt."
Ich lächelte, aber trotzdem war es mir irgendwie unangenehm. „Bellamy, bitte hör auf. Ich weiß ja gar nicht, was ich sagen soll."
„Dann sag einfach nichts", meinte er und nahm mein Gesicht in seine Hände. Dann beugte er seinen Kopf nach vorne und legte seine Lippen auf meine. Oh Mann, ich liebte dieses Gefühl. Und plötzlich vergaß ich alles um mich herum. In diesem Augenblick war nur Bellamy wichtig. Ich spürte ihn ganz nahe bei mir und das war alles, was zählte.
Doch da hörte ich plötzlich ein Geräusch. Die Tür ging auf. Erschrocken löste ich mich von Bellamy, doch es war nicht schnell genug. Die Person hatte uns bereits gesehen.
„Clarke? Bellamy?", fragte Octavia erstaunt. „Ihr beide? Hab ichs doch immer gewusst. Aber warum habt ihr immer so getan, als könntet ihr euch nicht leiden?"
Oh nein. Nicht das auch noch. Jetzt war's das wohl damit, dass wirs erstmal verheimlichen.
Doch da hatte Bellamy schon das Wort ergriffen. „Octavia, bitte nicht jetzt. Wir erklären es dir ein andermal. Und bitte erzähl es erstmal niemandem." Dann sah er mich so an, als wollte er herausfinden, ob er das richtige gesagt hatte und deshalb lächelte ich ihn dankbar an.
Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, dass Octavia widersprechen wollte, doch als sie unsere Blicke sah, nickte sie. „Na gut. Einverstanden. Aber ihr erklärt es mir bitte bald."
„Ok", willigte ich seufzend ein. „Ich erklär dir morgen alles. Einverstanden?" Für mich war es in Ordnung, wenn sie davon wusste. Octavia war für mich mittlerweile wirklich eine gute Freundin geworden.
„Klar", antwortete sie grinsend.

Bellarke - Another Story Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt