Der Retter

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Es dauerte eine Weile, bis ich erkannte, zu wem die Stimme und das Gesicht gehörten. Es war Bellamy! Aber was machte er hier? Und warum half er mir? Wollte er mich etwa noch mehr demütigen?
„Für wen hältst du dich eigentlich?", schrie er Leo an. „Ist dir eigentlich klar, dass ich dich dafür anzeigen könnte?"
Aber Leo grinste nur. „Wenn du das tust, dann zeige ich dich aber wegen Diebstahl an. Wie oft hast du schon Alkohol gestohlen? Zehnmal? Aber nein, ich glaube, das reicht gar nicht. Die Polizei wird sich auf jeden Fall freuen."
„Du bist echt so ein unmöglicher Wichser!", fauchte Bellamy. Dann landete seine Faust in Leos Gesicht. „Und jetzt verpiss dich!"
Fast glaubte ich, Leo wollte ihn auch schlagen, aber er meinte nur: „Viel Spaß noch mit deiner kleinen Freundin." Dann drehte er sich um und ging.
Ich war mit meinen Nerven echt am Ende. Ich bemühte mich wirklich, klar zu denken, aber mit dem Alkohol in meinem Blut war das beinahe unmöglich. Schließlich schaffte ich es jedoch zumindest, mich anzuziehen. Dann wollte ich gehen.
„Warte!", rief mir Bellamy nach. „Du kannst so unmöglich alleine nach Hause gehen!" Dann hier er mich am Arm fest, damit ich auch ja nicht abhaute.
„Was soll ich denn sonst machen?", keifte ich ihn an. „Ich bleibe hier keine Sekunde länger, das kannst du mir glauben."
Da lockerte sich sein Griff. „Das habe ich doch auch gar nicht gemeint", erklärte er. „Komm, ich bringe dich nach Hause."
Das überraschte mich nun wirklich. Seit wann war Bellamy denn so nett zu mir? „Und was sage ich dann deinen Eltern? Die merken doch sicher, dass ich was getrunken habe."
„Dann bringe ich dich eben in dein altes Zuhause", schlug er vor. „Den Schlüssel hast du ja noch, nehme ich an."
Ich nickte. „Klar hab ich den noch. Und was sage ich dann Aurora und Marcus, warum ich die ganze Nacht nicht Zuhause war."
„Lass das mal meine Sorge sein", entgegnete er. „Mir wird schon was einfallen. Das verspreche ich dir." Dann hielt er mir die Tür seines Autos auf. „Steig ein."
Also stieg ich ein. Ich war froh, nun endlich weiter von diesem Leo wegzukommen. Ich hoffte nur, dass ich diese ganze Geschichte so schnell wie möglich vergessen konnte.
Bellamy und ich redeten die ganze Autofahrt kein Wort miteinander. Ich wusste auch gar nicht, was ich hätte sagen sollen. Irgendwie kam ich mir so bescheuert vor. Diese ganze Sache war so furchtbar peinlich.
Als wir bei meinem alten Haus ankamen, brachte er mich noch nach drinnen. „Danke, Bellamy. Für alles."
Er nickte knapp. „Schon gut. Du bist ja jetzt sowas wie meine Schwester."
Als er keine Anstalten machte, nach Hause zu gehen, meinte ich: „Du solltest lieber gehen, deine Eltern machen sich sonst Sorgen."
Aber er schüttelte den Kopf. „Ich bin oft die ganze Nacht nicht Zuhause. Meine Eltern sind das schon von mir gewohnt. Und ich will dich jetzt wirklich nicht alleine lassen."
Ich war ihm wirklich dankbar. Normalerweise wäre Bellamy der letzte gewesen, über dessen Anwesenheit ich mich freute, aber diesmal war ich echt froh, ihn bei mir zu haben.
Wir saßen auf der alten Couch. Sie war eins der wenigen Möbelstücke, die noch hier waren. Mit Absicht hatte ich zwischen mir und Bellamy einen halben Meter Platz gelassen. Auch wenn er mir geholfen hatte, waren wir schließlich nicht unbedingt beste Freunde.
„Warum hast du mir eigentlich geholfen?", fragte ich ihn nun. „Ich meine, du kannst mich doch eigentlich nicht leiden."
Er seufzte. „Vielleicht haben wir uns nicht immer so gut verstanden, aber du hast doch nicht wirklich gedacht, dass ich dich in so einer Situation im Stich lassen würde, oder?"
Ich zuckte die Achseln. „Keine Ahnung, was ich gedacht habe. Ich hätte ja auch nicht damit gerechnet, dass ich mal in so einer Situation sein würde."
Plötzlich musste ich wieder daran denken, wie Leo auf mir gesessen war und mich ausgezogen hatte. Jetzt wo die Wirkung des Alkohols langsam anfing nachzulassen, fühlte sich das alles noch viel realer und schrecklicher an. Leo hatte versucht, mich zu vergewaltigen. Und wenn Bellamy nicht gewesen wäre... Da lief mir eine Träne über die Wange.
Ohne zu zögern legte Bellamy seinen Arm um mich. „Clarke, es tut mir so leid, dass ich nicht früher da gewesen bin."
„Da kannst du doch nichts dafür", entgegnete ich schluchzend. „Ich hätte einfach nicht so blöd sein dürfen, auf diese Party zu gehen."
„Octavia hat mir erzählt, dass du gesagt hast, dass du neu anfangen willst", meinte er nun. „Und dass du dich dafür verändern willst."
„Ja, das war vielleicht doch nicht so eine gute Idee, wie ich gedacht habe", erwiderte ich schnell. „Ich bin wohl einfach nicht für sowas gemacht."
Plötzlich sah Bellamy schuldbewusst zu Boden. „Clarke, ich glaube, das ganze ist meine Schuld. Wenn ich dich nicht als Streberin bezeichnet hätte, wärst du nie auf die Idee gekommen, dich zu ändern. Und dann wäre das heute nicht passiert."
Erst jetzt fiel mir auf, wie schwere Vorwürfe er sich machte. „Bellamy, das hat wirklich nichts damit zu tun. Es ist nicht deine Schuld."
„Ich finde nur, du solltest mich nicht als Held sehen", meinte er. „In vielerlei Hinsicht bin ich nämlich auch nicht besser als Leo."
„Aber du würdest nie...du würdest nie das tun, was er heute mit mir gemacht hat", wandte ich ein.
Er zuckte die Achseln. „Das vielleicht nicht. Aber dafür habe ich andere Dinge getan. Dinge, für die ich in den Knast kommen könnte."
„Hat das etwas damit zu tun, was Leo vorhin gesagt hat?", fragte ich. „Dass du Alkohol gestohlen hast?"
Er seufzte. „Ja, genau das meine ich. Ich hätte das nie tun dürfen und ich habe auch damit aufgehört."
„Wieso hast du überhaupt damit angefangen?", fragte ich. „Ich meine, du bist ja nicht alkoholsüchtig, oder?"
Er lachte. „Um Himmels Willen, nein." Dann wurde er wieder ernst. „Vor ungefähr zwei Jahren habe ich mit ein paar Freunden angefangen, Partys zu schmeißen. Und irgendwie mussten wir dafür auch Alkohol besorgen. Und zu stehlen haben wir damals für eine gute Idee gehalten. Irgendwann habe ich dann eingesehen, dass es falsch war und damit aufgehört, aber es gibt viele Leute, die davon wissen und die mich deswegen hinter Gitter bringen könnten. Auch Leo."
„Das ist aber lange nicht so schlimm wie das, was Leo getan hat", entgegnete ich. „Und du bist kein bisschen wie er. Das weiß ich."
Er lächelte. „Danke. Es bedeutet mir echt viel, dass du das sagst."

Bellarke - Another Story Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt