Eine schmerzhafte Wendung

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Als Aurora das Zimmer verlassen hatte, lehnte sich Bellamy erschöpft an die Wand. „Was sollen wir denn jetzt nur tun?", fragte er verzweifelt in die Stille hinein.
Mit Tränen in den Augen blickte ich ihn an. „Ich will dich nicht verlieren. Ich lass dich nicht so einfach gehen, Bell."
Hoffnungslos blickte er auf. „Aber wir haben doch keine Wahl. Ich meine, zumindest damit, dass du jetzt eine Familie brauchst, hat meine Mum recht."
Aber ich schüttelte den Kopf. „Ich geh meinetwegen ins Waisenhaus oder lebe auf der Straße, wenn es sein muss. Hauptsache, wir können zusammen sein."
„Red doch keinen Unsinn, Clarke", entgegnete er und ich konnte den Schmerz in seiner Stimme deutlich hören. „Das würde ich niemals zulassen. Denn das wäre echt egoistisch von mir."
Seufzend stand ich auf und ging auf ihn zu. Dann legte ich ihm den Arm um die Schulter. „Bellamy, wir werden eine Lösung finden. Ich liebe dich doch."
Sanft streichelte er mir über den Arm. „Ich liebe dich auch, Clarke. Aber genau deshalb ist es vielleicht besser, wenn wir uns trennen."
„Das kannst du doch unmöglich ernst meinen", wisperte ich und wich einen Schritt zurück. „Oder?"
Nun liefen auch ihm Tränen über die Wangen. „Clarke, alles, was ich weiß, ist, dass ich dich über alles liebe. Aber manchmal ist es falsch, mit der Person zusammen zu sein, die man liebt. Ich kann dir nur nicht sagen, ob es bei uns richtig oder falsch wäre."
Traurig nickte ich. „Ok. Dann ist wohl alles gesagt." Ich schluchzte. „Bitte geh. Ich möchte jetzt allein sein."
„Clarke, bitte lass uns...", fing Bellamy an.
Aber ich schüttelte den Kopf. „Nein, Bellamy. Geh einfach. Ich kann deinen Anblick gerade nicht ertragen."
Also ging er mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf zur Tür. Dann drehte er sich noch einmal um. „Mach's gut, Prinzessin." Dann schloss er die Tür hinter sich.
Sobald er draußen war, fing ich haltlos an zu heulen. Ich kannte Bellamy kaum. Und wir waren nicht lange zusammen gewesen. Aber er war es gewesen, der mir die Kraft gegeben hatte, mit dem Tod meiner Eltern klar zu kommen. Und ich hatte so viel mit ihm erlebt in den letzten Tagen. Er war wirklich einzigartig.
Plötzlich ging die Tür wieder auf. Ich hoffte so sehr, dass es Bellamy war, der hereinkam. Aber es war leider nur Octavia, die mich besorgt musterte. „Clarke, was ist passiert?" Doch sie ließ mir gar keine Zeit zu antworten. „Hör mal, wenn Bellamy dich verletzt hat, dann nimm das nicht so ernst. Er kann manchmal ein ziemlicher Idiot sein. Aber eigentlich meint er es gar nicht so."
Aber ich schüttelte den Kopf und wischte mir die Tränen aus den Augen. „Nein. Bellamy ist großartig. Er kann nichts dafür."
„Aber was hast du dann?", fragte sie.
Ich seufzte. „Deine Mum hat mir eben klar gemacht, dass ich nicht beides haben kann. Ich muss mich entscheiden. Für eine Familie und ein Zuhause oder für Bellamy. Aber Bellamy hat eigentlich schon für mich entschieden." Ich schluchzte. „Er hat gesagt, er wird nicht zulassen, dass ich in einem Waisenhaus oder auf der Straße lebe. Das heißt, das war's jetzt mit uns."
„Wow, ich hätte nicht gedacht, dass die Sache zwischen euch so ernst ist", gestand Octavia. „Ich meine, ihr seid schließlich erst einen Tag zusammen."
Verwirrt blickte ich sie an. „Wieso kommst du darauf, dass unsere Beziehung ernst ist, wenn sie jetzt schon wieder vorbei ist?"
Octavia seufzte. Dann nahm sie meine Hand. „Clarke, verstehst du denn nicht, dass er sich nur so entschieden hat, weil er dich liebt? Er liebt dich so sehr, dass er versteht, wie wichtig eine Familie im Moment für dich ist." Sie holte tief Luft. „Nur von meiner Mum finde ich es echt nicht fair, dass sie euch das antut."
„I-ich glaub, ich muss nochmal zu Bellamy", stammelte ich. „Ich war vorhin so abweisend zu ihm. Das war nicht fair. Ich sollte mich bei ihm entschuldigen."
Octavia nickte. „Mach das."
Kurze Zeit später stand ich vor Bellamy's Zimmer. Zuerst wollte ich klopfen, doch als ich sah, dass die Tür einen Spalt geöffnet war, lugte ich vorsichtig hindurch.
Bellamy saß zusammengekauert am Boden und sein Gesicht war tränenüberströmt. Noch nie hatte ich ihn so hilflos gesehen. „Oh Gott, Bellamy", rutschte es mir plötzlich heraus.
Erschrocken wandte er seinen Blick zu mir. „Clarke? Was willst du hier? Wolltest du nicht, dass ich verschwinde?"
„Bell, es tut mir so wahnsinnig leid", entschuldigte ich mich und ging auf ihn zu. „Ich wollte dich nicht verletzen."
„Nein, ist schon gut", erwiderte er und versuchte angestrengt, seine Tränen zurück zu halten. „Du bist frustriert. Das verstehe ich."
Seufzend setzte ich mich neben ihn. „Vielleicht hat deine Mum ja wirklich recht. Ich meine, wir kennen uns ja nicht mal richtig. Aber ich glaube, dass du echt toll bist als großer Bruder."
Er nickte, doch er wirkte nicht besonders überzeugt. „Vielleicht."
„Ab jetzt sind wir einfach Geschwister", redete ich weiter. „Geschwister, die sich ab und zu ärgern, sich aber trotzdem über alles lieben."
„Klar", erwiderte er und stand dann geistesabwesend auf. „Du, ich brauch noch ein bisschen frische Luft. Wir sehen uns später." Und dann ließ er mich einfach sitzen, ohne sich noch einmal zu mir umzudrehen.

Ich sah Bellamy erst beim Abendessen wieder. Von seinen geröteten Augen und dem traurigen Gesichtsausdruck war nun nichts mehr zu sehen. Aber er wirkte auch nicht glücklich. Er schien eher ein Pokerface aufgesetzt zu haben.
Als Aurora unsere Blicke bemerkte, seufzte sie. „Ihr wisst doch hoffentlich, dass ich das nicht getan habe, um euch zu ärgern, oder?"
Ich wollte gerade antworten, doch Bellamy kam mir zuvor. „Ist schon vergessen. Ich meine, das mit Clarke und mir war eine einmalige Sache, in die sie einfach zu viel reininterpretiert hat. Aber das hat sich erledigt, glaub mir, Mum."
Vor lauter Empörung verschluckte ich mich beinahe an meinem Essen. Ich konnte nicht glauben, was er da gerade von sich gegeben hatte. Meinte er das etwa ernst? Nach allem, was er zu mir gesagt hatte? „Zu viel reininterpretiert?", wiederholte ich ungläubig. „Du warst doch derjenige, der mir seine Liebe gestanden hat und einfach nicht lockerlassen konnte."
Er lachte. „Und das hast du geglaubt? Wirklich? Bist wohl doch nicht so klug, wie du dachtest. Wie konntest du nur glauben, dass ich etwas von einem Mädchen wie dir will?"
Die Tränen schossen mir in die Augen. Schnell sprang ich auf und lief nach oben, damit niemand sah, dass ich weinte. Doch da hörte ich auch schon Schritte hinter mir. „Clarke, warte doch!" Es war Octavia.
Mit tränenüberströmtem Gesicht drehte ich mich um. „Worauf soll ich denn warten?", fragte ich verzweifelt. „Darauf, dass mich dein Bruder noch mehr runtermacht?"
Sie seufzte. „Ok, hör mal. Ich hab keine Ahnung, was plötzlich in meinen Bruder gefahren ist. Aber ich kenne ihn. Und dass er dich liebt, kann ich schon von hundert Metern riechen. Ich denke einfach, dass er Angst hat, weil das alles neu für ihn ist. Vermutlich fürchtet er sich vor seinen Gefühlen."
Spöttisch lachte ich. „Er fürchtet sich vor seinen Gefühlen? Na wenn du meinst. Ich bin jedenfalls durch mit dem Arsch!"

Bellarke - Another Story Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt